Neues Denken, neues Diagnostizieren – Der DGV Talent Cup 2025
St. Leon-Rot/Zuzenhausen - Bei strahlendem Sonnenschein und hochsommerlichen Temperaturen fand im Juni der erste DGV Talent Cup statt. Dieses Projekt setzt durch seine Anlage, Zielsetzung und Durchführung neue Maßstäbe. Auf den Anlagen des GC St. Leon-Rot sowie im benachbarten TSG ResearchLab auf dem Gelände des Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim trafen sich je vier Jungen und vier Mädchen in acht Teams aus insgesamt neun Landesgolfverbänden. Eingeladen waren Spielerinnen und Spieler unter elf Jahren. Es ging bei dieser Veranstaltung nicht um frühe Leistungsvergleiche, sondern um die Identifikation von Potenzialen jenseits klassischer Turnierergebnisse.
Organisatorisch begleitet wurde der DGV Talent Cup von vielen Studierenden des Instituts für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg und Mitarbeitern des TSG ResearchLabs. Die Kinder wurden im Rotationsprinzip durch sechs Module geführt, die motorische, mentale und sportartspezifische Fähigkeiten abfragten. Dabei ging es nicht um schneller, höher, weiter, sondern um die differenzierte Erfassung potenziell leistungsbegrenzender Faktoren, die nach heutigem Forschungsstand eine valide Prognose über langfristige Entwicklungsperspektiven ermöglichen.
Das Besondere: Die Konzeption des DGV Talent Cups basiert auf dem sogenannten Heriditätsprinzip. Ziel war es, Merkmale zu erheben, die weitgehend anlagebedingt sind und nur in geringem Maße durch Training beeinflussbar. Dazu zählt etwa die Reaktionsschnelligkeit, das Konzentrationsvermögen oder die Koordinationsfähigkeit unter Präzisionsdruck. Erfasst wurden diese unter anderem im Torwandschießen, Darts, Bowls oder mit Hilfe des Trackman. Ergänzt wurde die Diagnostik durch Tests zur Kraftregulation, zum Bewegungslernen und durch kognitive Verfahren wie das Wiener Testsystem oder die sogenannte Helix. Dieses weltweit einzigartige, videobasierte Trainingsspiel wurde für das TSG ResearchLab zur Erfassung dynamischer Entscheidungsprozesse entwickelt und konnte nun auch vom Deutschen Golf Verband für den Talent Cup erstmals genutzt werden. Mitten in einem abgedunkelten Raum auf eine 360-Grad-Leinwand mussten die Kinder auf visuelle Reize reagieren. Die Reaktionen der Kinder wiederum machten messbar, wie gut sie Informationen verarbeiten, Entscheidungen treffen und ihre Aufmerksamkeit steuern können.
Biologisches Alter
Ein weiterer, sehr wichtiger Bestandteil des Konzepts war die Erhebung des biologischen Alters, das mithilfe des Sonic Bone Tests bestimmt wurde. Denn bei formal gleichaltrigen Kindern kann das tatsächliche biologische Alter um mehrere Jahre differieren. Dieser Umstand bleibt bei klassischen Leistungsvergleichen häufig unberücksichtigt, fließt beim DGV aber erstmals in die Auswertung ein und präzisiert die Interpretation der Ergebnisse erheblich.
Der sportliche Vergleich unter den teilnehmenden Landesgolfverbänden spielte hingegen keine Rolle. Vielmehr wurde bewusst auf Siegerlisten und Preisverleihungen verzichtet. Die Kinder erhielten lediglich grobe Ergebnisse, während die Landestrainer zusätzlich normierte, biologisch relativierte Auswertungen erhielten. Damit wurde nicht nur ein Beitrag zur objektiveren Talentdiagnostik geleistet, sondern auch ein Zeichen gesetzt: für eine zukunftsweisende, kindgerechte Nachwuchsförderung, die eine Selektion der Talente nachhaltig verändern wird.
Auch organisatorisch wurde Maßarbeit geleistet. Der modulare Aufbau des Programms, die logistische Koordination zwischen Golfplatz und Laboreinrichtungen sowie die enge Zusammenarbeit zwischen DGV, Universität Heidelberg, GC St. Leon-Rot und TSG ResearchLab zeugen von einem Netzwerk, das sich in höchstem Maße der Sache verpflichtet sieht. Marcus Neumann, Vorstand Sport im Deutschen Golf Verband, und Professor Klaus Roth, wissenschaftlicher Berater des Projekts, verfolgten das Geschehen vor Ort ebenso aufmerksam wie viele Trainer der Landesgolfverbände, die stets bei der Durchführung der Module bei ihren Schützlingen waren und so selbst viele neue Eindrücke mit nach Hause nehmen.
Die Atmosphäre war durchweg positiv. Die Freude und Neugier, mit der die Kinder an die Aufgaben herangingen, war ebenso spürbar wie das Engagement der Betreuenden.
Das langfristige Ziel ist klar: Der DGV Talent Cup soll nicht singuläres Ereignis bleiben, sondern fester Bestandteil in Aus- und Fortbildung von Trainern werden. Mit seiner jährlich geplanten Durchführung soll die Veranstaltung mittelfristig auch auf Verbandsebene eine neue Diagnostik-Kultur etablieren. Damit soll das Erkennen und Entwickeln von Talenten nicht nur effizienter, sondern auch gerechter und nachhaltiger gestaltet werden, damit in Zukunft weiterhin Athletinnen und Athleten aus Deutschland auf den Profitouren und bei Olympischen Spielen erfolgreich sein können, obwohl die Anzahl an Kindern, die zum Leistungssport Golf finden, abnimmt.
Die Premiere ist geglückt. Der DGV Talent Cup 2025 hat nicht nur sportwissenschaftlich Maßstäbe gesetzt. Er hat auch ein starkes Zeichen für ein modernes, reflektiertes Verständnis von Talententwicklung gesetzt. Ein Ansatz, der mit Geduld und Beharrlichkeit fortgeführt werden soll, weil sich die Früchte dieser Arbeit nicht von heute auf morgen zeigen werden, sondern erst in einigen Jahren.
Stimmen zur gelungenen Premiere des DGV Talent Cups
Professor Klaus Roth: „Der DGV Talent Cup hat ohne Zweifel das Potenzial, sich zu einem Meilenstein in der sportwissenschaftlichen Talentforschung zu entwickeln. Die Erfolgsbilanzen der sportartspezifischen Suchen nach begabten Kindern und Jugendlichen sind aktuell alles andere als zufriedenstellend. Eine internationale Großstudie mit mehr als 40.000 Medaillengewinnern bei den Olympischen Spielen und bei Weltmeisterschaften hat aufgezeigt, dass nur 12 Prozent in ihrem jeweiligen Verband als Talente identifiziert worden sind. Die Gründe hierfür sind vielfältig und lassen sich nur schwer substanziell oder gar komplett beseitigen. Dennoch liegen die Hauptprobleme der etablierten Auswahlverfahren auf der Hand. Das Zauberwort für ihre Reduzierung lautet „utilisatorische Diagnostik“. Im DGV Talent Cup werden die Wettkampfleistungen der Kinder und ihre Ergebnisse in den objektiven Tests zu den motorischen, perzeptiven sowie psychologischen Leistungsfaktoren erstmalig auf die endogenen und exogenen Ressourcen relativiert, die die Leistungen der Kinder entscheidend beeinflussen können. Etwas vereinfacht ausgedrückt werden durch die Berücksichtigung des sogenannten biologischen Alters und der bisherigen Sportbiografien die Nachteile retardierter Kinder und von Kindern mit kürzeren bzw. geringeren golfspezifischen Trainingserfahrungen statistisch „herausgerechnet“.
Damit ergibt sich eine beträchtlich höhere Chance, dass auch hochtalentierte, entwicklungsverzögerte Spätentwickler erkannt und in die Talentfördermaßnahmen mit einbezogen werden können. Wir erwarten eine deutliche Anhebung der derzeitigen Erfolgsquoten. Irrtümer und Fehleinschätzungen lassen sich aber auch zukünftig nicht gänzlich ausschließen. Denn wie hat es Mark Twain so schön ausgedrückt: Prognosen sind immer schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen.“
Marcus Neumann, Vorstand Sport im DGV: „Es ist beeindruckend zu sehen, wie am Bundesstützpunkt St. Leon-Rot gemeinsam mit dem Research Lab ein hochambitionierter Ansatz zur Talenterkennung auf höchstem Niveau umgesetzt wurde. Die professionelle Arbeit des engagierten Teams zeigt bereits jetzt: Der DGV Talent Cup trägt enormes Potenzial in sich. Unsere Vision ist, dass die Impulse dieses Formats bis in die Trainingswelten aller Clubs vordringen – mit dem Ziel, unsere Nachwuchsförderung langfristig und nachhaltig auf ein neues Level zu heben. In Zeiten rückläufiger Geburtenzahlen gilt es, Qualität vor Quantität zu stellen: Talente früher entdecken, sie für Golf begeistern und sie bestmöglich in ihrer Entwicklung unterstützen. Der DGV Talent Cup ist ein mutiger, richtiger Schritt in genau diese Richtung – getragen vom DGV und seinen Landesverbänden.“
Michael Scholl, im DGV zuständig für Nachwuchsleistungssport, Ergebnismanagement, Anti-Doping: „Als ich im Jahr 2021 Prof. Klaus Roth die Idee des Talent Cups vorstellte, war er sofort begeistert. Diese gemeinsame Begeisterung trug uns durch die Entwicklung, das 1. und 2. Pilotprojekt in 2022 und 2023, bis hin zur kompletten ersten Durchführung mit allen Landesgolfverbänden, die am Qualitätsmanagement zur Förderung der leistungsorientierten Nachwuchsarbeit teilnehmen. Nun wollen wir den nächsten Schritt konsequent beschreiten und die Datenaufnahme digitalisieren sowie eine Datenbank mit entsprechenden Trainingsinhalten zu den einzelnen Modulen in App-Form entwickeln. Dies dient dann endgültig dazu, die Trainingsarbeit in den Golfclubs und den Landesverbänden zu optimieren und das Augenmerk auf sehr junge Kinder zu legen, die dann altersgerecht, früh den Einstieg in den Golfsport finden können. Wenn der DGV Talent Cup dann noch dazu beiträgt entsprechend begabte Kinder zu finden, ist die Zukunft des Golf Team Germany gesichert.“
Über das TSG ResearchLab
Das TSG ResearchLab, eine selbstständig agierende gemeinnützige Organisation und Tochtergesellschaft der TSG Hoffenheim, ist eine innovative Forschungseinrichtung, die wissenschaftliche Erkenntnisse im Kontext von Sport und Bewegung gewinnt, aufbereitet und weitergibt. Ziel ist es, Leistungsfähigkeit und Gesundheit durch praxisnahe und zukunftsweisende Forschung nachhaltig zu verbessern.