Das Ende der Runde war fragwürdig | © DGV/STEBL

Irreguläres Ende

Singapur – Am zweiten Wettkampftag konnte das deutsche Team den Vormittag in Ruhe angehen. Erst ging es unter Anleitung von Florian Münch, der in Singapur seine Rolle als Captain des Teams mit Hingabe und Engagement wahrnimmt, ins Gym. Münch leistet als Leiter des Bundesstützpunkts in St. Leon-Rot ohnehin eine sehr professionelle Arbeit mit den Athletinnen, die bei dieser Team‑Weltmeisterschaft den Bundesadler tragen.

Anschließend bereiteten das deutsche Trio gemeinsam mit Bundestrainerin Nicole Gögele anhand der Erfahrungen der Proberunden und der ersten Wettkampfrunde noch vor dem Frühstück die Taktik vor, mit der die Fahnenpositionen des Tages besonders effektiv anzuspielen sind.
 

Gemeinsam mit Neuseeland und Malaysia ging es in den letzten drei Startzeiten des Tages ab 12.51  Uhr von Tee 1 raus. Die Hitze war zu diesem Zeitpunkt schon unmenschlich, da sich aufgrund der extremen Luftfeuchtigkeit jeder Grad Celsius doppelt intensiv anfühlte. Eine Sauna braucht bei diesem Wetter kein Mensch, denn es stellt sich eine ganz profane Aufgabe als echte Herausforderung: wie kann man genug trinken, um konzentriert zu bleiben und sportliche Höchstleistungen zu vollbringen?
 

BILDER DES TAGES >>>
 

Das deutsche Trio ist durch weltweites Turniergeschehen trotz des jungen Alters aber schon so erfahren, dass es sich in hohem Maße professionell versorgte. Die gezeigten Leistungen waren alle deutlich verbessert, und es gab häufiger gute Birdiechancen.
Zwischenzeitlich hatte sich Schwarz‑Rot‑Gold im Livescoring bis in die Top Ten vorgearbeitet, ehe die Dunkelheit das Tagesergebnis noch stärker verzerrte, als eine rund eineinhalbstündige Gewitterunterbrechung nebst beeindruckendem Starkregen.
 

Die Teams, die in Front liegen, konnten ihre Runde bei perfekten Bedingungen spielen. Die Bundesadler waren gerade bis zu den Löchern 4, 5 und 6 geflogen, als sich binnen weniger Minuten erst eine mächtige Wolke auftürmte und dann fast ohne Vorwarnung die ersten Blitze in unmittelbarer Nähe des Platzes einschlugen. Für die Spielerinnen ging es im Shuttle zurück ins Clubhaus, um dort in Sicherheit das Schauspiel abwarten zu können.

Perfekte Drainage

Die Blitze waren dabei gar nicht mal so heftig. Der Regen hatte es dafür in sich. Kurz nach Beginn des Schauers bildeten sich auf den Fairways kleine Sturzbäche, die in großen Pfützen mündeten. Ein solches Bild auf einem europäischen Platz hätte mit großer Sicherheit das Spiel für diesen Tag beendet, weil das Wasser ein reguläres Spiel nicht mehr möglich gemacht hätte. Nicht so in Singapur. Im Tanah Merah Country Club sind derartige Unwetter die Regel, und entsprechend ist eine Drainage verbaut, die unglaublich effektiv ihren Dienst tut. Schon wenige Minuten, nachdem der Regen aufgehört hatte, war von den Wassermassen rein gar nichts mehr zu sehen. Grüns und Fairways präsentierten sich in dem perfekten Zustand, wie in den Minuten vor dem Unwetter. Sogar die Bunker überstanden den Sturzregen ohne sichtbare Spuren.

Irregulär bis in die Dunkelheit

Da die Tage am Äquator kurz sind, war bei Wiederaufnahme des Spiels eigentlich schon klar, dass diese Runde nicht beendet werden kann. Es wurde aber tapfer gespielt, und da der Platz völlig in Ordnung war, auch gut gescort. Als das Tageslicht schwand, hatte Charlotte Back noch die Löcher 16 bis 18 zu spielen. Die Spielleitung weigerte sich allerdings, die Runde wegen Dunkelheit zu unterbrechen, weil dies größere Auswirkungen auf die folgenden Tage gehabt hätte. Bei dieser Weltmeisterschaft darf wegen der kurzen Tage einfach nichts den geplanten Ablauf stören, und so mussten die Athletinnen weitergehen, obwohl sie die Referees darauf hinwiesen, dass die Bälle kaum noch oder gar nicht mehr zu sehen waren.
Auf Bahn 18 sind zwar ein paar Scheinwerfer installiert, aber von einem effektiven Fluchtlicht, bei dem man halbwegs brauchbare Sicht hätte, ist man weit entfernt.

Auch Chef‑Bundestrainer Stephan Morales sah in diesem Moment das deutsche Team klar benachteiligt: „Das war wirklich außergewöhnlich, dass wir diese Runde zu Ende spielen sollten oder mussten. Die letzten zwei oder drei Löcher wurden unter irregulären Bedingungen zu Ende gespielt. Man kann hier zwar keinen Ball im Rough verlieren, aber bei der Dunkelheit ist es gerade um das Grün heraus extrem schwer, die Entfernungen richtig einzuschätzen und Ondulierungen auf den Grüns zu erkennen. Man konnte noch nicht einmal mehr die Balllage richtig einschätzen, so dunkel war es. Das war einfach irregulär und hat mir heute überhaupt nicht gefallen. Für die Spielleitung ist es natürlich bequemer, wenn nicht vor der dritten Runde noch einige Gruppen ihre zweite Runde beenden müssen. Wenn man einen fairen Wettbewerb spielen will, war das, was heute Abend hier passiert ist, aber absolut nicht okay.“
 

Der erfahrene Trainer, der seit 2012 bei insgesamt acht Weltmeisterschaften war, hatte beim deutschen Team viele gute Dinge gesehen: „Was mich für die beiden noch folgenden Runden zuversichtlich stimmt, ist das Gefühl, dass heute noch ganz viel Luft nach oben war. Es gibt Tage, da kommt man vom Platz und spürt, dass man mit dem Score ganz gut bedient ist. Und es gibt Tage, da hat man noch Luft nach oben. Nach meinem Gefühl war heute sogar noch viel Luft nach oben. Obwohl es schon ein guter Tag war, war es noch immer ein Tag der verpassten Chancen. Es hätte durchaus um einiges tiefer gehen können. Wir waren heute schon deutlich näher an der Fahne, haben öfter ums Birdie gespielt und weniger ums Par gekämpft. Die Grüns sind wirklich schwer zu lesen. Der Grain ist teilweise so stark und dominant, dass sich Bälle sogar gegen den Slope bewegen können. Das findet man nicht häufig. Wir kommen damit jeden Tag besser zurecht, und ich bin weiterhin zuversichtlich, dass wir einige Positionen gutmachen können.“

Bogeys in der Dunkelheit

Charlotte Back lag bei Einbruch der Dunkelheit unter Par und hatte auf dem Weg dahin etliche sehr reife und hochklassige Schläge auf den Platz gezaubert. Neben den drei Birdies, die die aktuelle Nummer  55 im World Amateur Golf Ranking auf die Karte gebracht hat, waren noch einige Chancen, noch tiefer zu gehen, und auch die beiden Bogeys, die Back bei Tageslicht kassiert hatte, waren eher etwas unglücklich zustande gekommen, als dass die Athletin aus der Kurpfalz erkennbare Fehler gemacht hätte. Am Ende kamen in der Dunkelheit noch zwei Bogeys hinzu, sodass Charlotte Back mit einer 73 (+1) als letzte Spielerin überhaupt ins Recording kam.

„Im Dunkeln habe ich tatsächlich noch nie gespielt. Ab Loch  16 war es schwer, den Ball landen zu sehen. Auf der 18 gab es noch Licht, was es deutlich einfacher gemacht hat, doch noch zu Ende zu spielen. Wir haben es nach einem langen Tag geschafft“, war Charlotte Back trotz der fragwürdigen Bedingungen am Ende froh, die Runde beendet zu haben.

Mit Spaß verbessert

Paula Schulz‑Hanßen war mit zwei frühen Bogeys eher holperig in die Runde gestartet, rappelte sich dann aber zu einer fabelhaften Leistung auf und strahlte nach insgesamt fünf starken Birdies viel Zuversicht für die noch kommenden Tage aus.
2020 hatte „PSH“ nicht nur die Einzel‑Europameisterschaft gewonnen, sondern bei den Mädchen gemeinsam mit Charlotte Back und Chiara Horder die Team‑Europameisterschaft. Die positiven Erinnerungen sind noch präsent und tragen dazu bei, dass im Team die Stimmung weiterhin mehr als positiv ist.

„Der Tag heute war ein langes Auf und Ab. Wir haben das am Ende super durchgehalten. Erst das Gewitter und dann die komplette Dunkelheit – das sind zwei Dinge, die einen aus der Komfortzone ziehen. Ich habe nach der Unterbrechung zum Glück gut weitergespielt und konnte auch dank der Unterstützung von Morrie (Anm. d. Red.: Stephan Morales) noch ein paar Birdies sammeln. Der Tag hat mir super viel Spaß gemacht, weil er gezeigt hat, dass wir uns wunderbar an Umstände anpassen können, die wir nicht beeinflussen können“, zog Paula Schulz‑Hanßen ein ebenso positives wie auch differenziertes Fazit des Tages.

Verbessert mit Luft nach oben

Chiara Horder, die bei Team‑Europameisterschaften schon dreimal Gold gewonnen hat, verbesserte sich am zweiten Tag um drei Schläge und brachte nach drei Bogeys und einem Birdie eine solide 74 (+2) ins Clubhaus. Wieder war der Putter nicht auf Betriebstemperatur gekommen, hatte sich aber immerhin im Gegensatz zur ersten Runde nicht komplett verweigert.

„Heute konnte ich meine Approaches besser ausführen und lag an besseren Stellen auf dem Grün. Da ist aber in den nächsten Tagen noch sehr viel Luft nach oben. Am Ende der Runde wurde es dann wirklich sportlich, weil wir wirklich nichts mehr sehen konnten und es dann wieder angefangen hat, zu regnen. Ich konnte es aber noch gut zusammenhalten“, zog die Siegerin der R&A British Ladies Amateur Championship 2023 ein insgesamt positives Fazit des Tages.

Vormittag

Am Vormittag gingen einige der Teams raus, die am ersten Tag besonders stark performt hatten. An der Spitze zeigten Südkorea, die USA und Spanien, dass sie ihre Favoritenrolle voll angenommen haben. Korea blieb sich selbst treu und brachte die beiden Scores, die in die Wertung eingehen, deutlich unter Par ins Recording. Wie fast immer bei den Asiatinnen, war der dritte Score eher durchschnittlich und lag über Par.
 

Als Deutschland 2012 hinter Südkorea Vizeweltmeister wurde, war es auch so, dass Marcus Neumann, der damals Bundestrainer war und heute als Vorstand Sport diese WM in Singapur mit viel Herzblut verfolgt, mit seinem Team Weltmeister gewesen wäre, wenn an allen Tagen jeweils alle drei Scores gezählt hätten. Der heutige Chef‑Bundestrainer Stephan Morales war damals in der Türkei als Co‑Trainer eingesetzt. Deutschland hatte sehr homogen und überwiegend tief gespielt, aber bei den Südkoreanerinnen war immer eine Athletin besonders tief gegangen, eine andere dafür meist über Par geblieben. Auf diese Art und Weise haben die Asiatinnen bislang fünfmal den Titel bei einer Team‑WM geholt.
Mit gesamt 13 Schlägen unter Par führt Südkorea das Feld an, gefolgt von Spanien und den USA, die jeweils zwei Schläge Rückstand haben.
 

Einen großen Sprung nach vorne machte am Vormittag Schweden. Angeführt von Meja Örtengren, die in Deutschland schon als Siegerin der German Girls Open in St. Leon‑Rot für Aufsehen gesorgt hatte und bei der Team‑WM 2022 in Paris gemeinsam mit Rose Zhang (USA) und Helen Briem (Stuttgarter GC Solitude) die Einzelwertung gewonnen hatte, holten die Skandinavierinnen mächtig auf und liegen beim Bergfest des Turniers in Lauerstellung.

Stimmen zum Tag

Bundestrainerin Nicole Gögele hatte sich an diesem Turniertag besonders intensiv um Chiara Horder gekümmert und war sehr angetan von der Entwicklung der Athletin: „Ich bin sehr stolz, wie Chiara sich heute reguliert hat und dadurch viele Up‑and‑downs gemacht hat. Mir war es wichtig, Chiara heute aufzumuntern und mit positiven Gedanken im Turnier zu halten. Das hat sie heute sehr gut umgesetzt. Paula Schulz‑Hanßen hat heute eine großartige Leistung abgeliefert. Mit dem Putter von Charly Back müssen wir ein ernstes Wörtchen reden. Wenn der etwas wärmer gewesen wäre, wäre Charly heute richtig tief gegangen.“
 

Captain Florian Münch, der auch in Singapur mit großem Engagement auf und neben dem Platz die Athletinnen unterstützt, zieht zum Bergfest des Turniers ein insgesamt positives Zwischenfazit: „Wir sind gestern ordentlich ins Turnier gestartet. Der Golfplatz zeigt deutlich, wo er seine Herausforderungen hat, und die Mädels haben einen ganz klaren Game Plan, den sie am ersten Tag auch schon sehr ordentlich gemeistert haben. Das war ein solider Start in das Turnier. Am heutigen Tag sind wir sehr gut in die Runde gestartet und haben wirklich von allen drei Spielerinnen sehr gute Schläge gesehen. Die Gewitterunterbrechung hätte uns ein wenig aus dem Flow bringen können, aber die Mädels sind sehr routiniert und professionell mit der Unterbrechung umgegangen. Alle haben sich rechtzeitig wieder aktiviert und waren somit beim Restart von Anfang an mit vollem Fokus bei der Sache. Das ist nicht selbstverständlich, denn nach so einem Kaltstart kann man auch ganz anders wieder in die Runde starten. Die Mädels haben das wirklich sehr gut gemacht. Zwischendurch haben wir auch einige Plätze im Klassement gut machen können, aber das Spiel in der Dunkelheit hat uns leider noch mal ein paar Schläge gekostet. Wir haben von allen drei Mädels eine klare Leistungssteigerung zu gestern gesehen und daran möchten wir natürlich an den beiden folgenden Tagen anknüpfen. Jede der Spielerinnen ist in der Lage, auf diesem Platz tief zu schießen. Daher freue ich mich auf die nächsten beiden Tage und hoffe, dass wir es weiterhin schaffen, uns von Tag zu Tag zu steigern.“

Startzeiten

Am dritten Wettkampftag wird eigentlich nach Ergebnissen gestartet. Etwas undurchsichtig ist, wieso Deutschland als Team in der oberen Hälfte des Klassements erneut die letzten Startzeiten von Tee  10 hat, aber gemeinsam mit Mexiko und Malaysia geht es ab 12.36  Uhr los. Chiara Horder startet wieder als erste Deutsche, Charlotte Back folgt um 12.47  Uhr und als letzte Athletin geht Paula Schulz‑Hanßen um 12.58  Uhr in ihre dritte Wettkampfrunde.
Die Wettervorhersagen sehen einige Regenfälle für Singapur voraus, aber in der dynamischen Wetterküche am Äquator kann vieles passieren.

Singapur Funfact  III

Neben der dicht besiedelten Hauptinsel gehören weitere 63, meist sehr kleine Inseln, zum Staatsgebiet von Singapur. Fast alle dieser Inseln sind unbewohnt oder nur eingeschränkt zugänglich. Einige, wie Sentosa, wurden zu Ferienresorts entwickelt, andere dienen dem Naturschutz, wieder andere haben rein militärische Zwecke. Zusätzlich zu den vielen Jets der Airlines, die Singapur anfliegen oder als Drehkreuz nutzen, sind täglich etliche Kampfjets akustisch deutlich wahrnehmbar über Singapur in der Luft.
Singapur ist trotz seiner geringen Gesamtfläche geografisch, geologisch und auch ökologisch erstaunlich abwechslungsreich und weist eine hohe Artenvielfalt auf. Das tropische Klima, nur 140 Kilometer nördlich des Äquators, sorgt für beste Bedingungen in Grün und Vegetation – nur halt nicht für Golfer, die idealerweise den Schläger in trockenen Händen halten sollten.
 

 

LIVESCORING >>>
 

ZUM TURNIERSPECIAL >>>

 

 

Weiteres zum Thema

Tipps der Redaktion

Partner des DGV