Souverän aus dem Rough: Justin Rose | © golfsupport.nl/Jeff Robinson/ism

Wunsch oder Ziel?

Die Frage nach dem Ziel sei doch eigentlich ganz banal und einfach zu beantworten, provoziert Sportpsychologe Dr. Sebastian Altfeld von Ready2Perform. „Geht es nicht darum, am Ende das beste Ergebnis auf der Scorekarte zu haben?“ Genau hier liegt seiner Meinung nach jedoch einer der klassischen Gründe, warum Golfer oft nicht ihr volles Potenzial abrufen und mit Frust statt Freude das Clubhaus verlassen. Jeder Golfer hat sich bestimmt schon mal eines der folgenden Ziele gesetzt: „Ich will heute mein Handicap spielen“, „Ich will keine Doppel-Bogeys machen“, „Ich will heute x Pars erreichen“, „Ich will so spielen wie letzte Woche“, „Ich möchte die Flightpartner beeindrucken“.

Auch in der Golfberichterstattung geht es meist um Sieger, besondere Scores oder Statistiken wie Fairway-Treffer oder Birdies. Ist es also nicht sinnvoll, sich genau das vorzunehmen? Aus sportpsychologischer Sicht lohnt sich ein genauer Blick, um herauszufinden, was die Wahrscheinlichkeit für die persönliche Top-Leistung auf der Runde oder im Training wirklich erhöht. Denn das wünschen sich doch alle Golfer, oder? Altfeld möchte sich deshalb nicht nur an Spieler richten, sondern auch an Trainer, Verantwortliche und Eltern junger Talente. Und mit einer Frage starten: 

 

Was haben die oben genannten Ziele gemeinsam? Richtig, sie sind attraktiv und motivierend. Viele Golfer stellen sich vor der Runde vor, wie es wäre, wenn das Ziel Wirklichkeit wird – ein tolles Gefühl! Doch es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit: Es sind Ergebnisziele. Also Ziele, bei denen das Ergebnis oder die Konsequenz im Vordergrund steht. Gewinnen wollen, bestimmte Scores erreichen, Fehler vermeiden oder andere beeindrucken – das nennt man in der Sportpsychologie (z.B. Weinberg & Gould, 2000) Ergebnisziele. Klingt erstmal nicht schlecht, aber das Wissen darum kann vieles verändern.

Neben den motivierenden Vorteilen haben Ergebnisziele auch Nachteile. Machen wir ein Gedankenexperiment: Eine Golferin nimmt sich vor, heute wie letzte Woche drei Birdies zu spielen. Doch die Bedingungen sind schwieriger, der Wind ist stärker, die Grüns schneller – bis Loch 12 ist kein Birdie gefallen. Was passiert? Schnell entsteht Frust, die Lockerheit geht verloren, der Fokus schwindet. Es werden riskante Schläge gewählt, die man sonst nicht machen würde, und die Fehlerquote steigt. Das kann eine Negativspirale auslösen: Mehr Fehler, mehr Frust, schlechtere Leistung. Vielleicht gibt es Glücksmomente – ein Ball springt vom Baum zurück aufs Fairway oder fällt doch noch ins Loch. Aber wollen wir uns wirklich auf solche Zufälle verlassen?

 

Das Beispiel zeigt: Ein Ergebnisziel für eine Golfrunde kann in der Situation zu Druck führen, der die Leistung verschlechtert – besonders, wenn das Ziel in Gefahr gerät. Das gilt übrigens auch für andere Bereiche, wie Schule oder Beruf. Wer sich vornimmt, heute unbedingt eine bestimmte Note zu schreiben, kann bei der ersten schwierigen Aufgabe schnell in Stress geraten.

Zurück zum Golf: Es gibt natürlich Golfer, die sich intuitiv hilfreiche Ziele setzen und das hier mit einem Schmunzeln lesen. Sie haben oft schon eine wertvolle Kompetenz entwickelt. Doch schauen wir uns noch einen weiteren Nachteil von Ergebniszielen an: Was hat alles Einfluss darauf, ob man ein gutes Ergebnis im Golf spielt?

 

Hier ein paar Beispiele:

 

  • Schwungtechnik
  • Schlagroutine
  • mentale Einstellung
  • Vorbereitung auf den Schlag
  • Umgang mit vorherigen Fehlschlägen
  • Wind, Wetter, Platzbedingungen
  • Verhalten der Flightpartner
  • Zuschauer
  • Entscheidungen der Spielleitung
  • Zufall (z.B. ein schlechter Bounce)
  • Tagesform

 

Die Liste zeigt: Viele Dinge liegen nicht in unserer Hand. Genau das ist das Problem bei Ergebniszielen – sie sind nicht zu 100 Prozent kontrollierbar. Deshalb spricht der Trainingsexperte von Ready2Perform ab hier von Wünschen: „Ein bestimmtes Ergebnis, ein Birdie, ein Turniersieg – das sind Wünsche. Sie sind nicht allein durch mich beeinflussbar.“

Nicht falsch verstehen. Altfeld versichert: „Wünsche sind wichtig, sie motivieren uns zum Training und zu harter Arbeit. Sie inspirieren uns, an uns zu arbeiten.“ Aber sollten wir mit Wünschen auf die Runde gehen? Wünsche können auch zu Übermotivation und unnötigem Druck führen. Wollen wir nicht lieber die Wahrscheinlichkeit für eine gute Leistung erhöhen? Dean Smith, eine Basketball-Trainerlegende, sagte einmal: „Ich habe versucht, während des Coachings nicht auf den Spielstand zu schauen. Haben wir gut gespielt? Haben wir hart gespielt? Der Spielstand sollte sich von selbst ergeben.“ Das gilt auch für Golf.

 

Deshalb sollten Golfer sich vornehmen, was sie auf der Runde selbst beeinflussen können – sogenannte Handlungsziele. Von Altfeld betreute Golfer nehmen sich zum Beispiel Folgendes vor:

 

  • In schwierigen Situationen atme ich bewusst durch und fokussiere mich neu.
  • Ich halte meine Pre-Shot-Routine konsequent ein.
  • Ich akzeptiere schlechte Schläge und konzentriere mich auf den nächsten Ball.
  • Ich bleibe ruhig und gelassen, egal wie der Score aussieht.
  • Ich spiele taktisch klug und halte mich an meinen Spielplan.
  • Nach jedem Loch mache ich mir meine Handlungsziele wieder bewusst.

 

Diese Ziele klingen vielleicht nicht so aufregend wie ein Birdie oder ein Top-Score, aber sie helfen, den Wunsch überhaupt erst zu erreichen. Sie sind immer umsetzbar, unabhängig vom Ergebnis, und machen keinen zusätzlichen Druck. Das Ergebnis ist nicht gleich Performance!

Was ist also die wichtigste Erkenntnis? Golfer sollten sich vor einer Runde oder einem Training fragen: Welches Verhalten kann ich zeigen, um meinen Wunsch zu unterstützen? Worauf will ich mich konkret fokussieren? Wichtig: In emotionalen Situationen vergessen wir das schnell. Unser Kopf springt automatisch zum Ergebnis. Deshalb entsteht oft Druck: „Heute ist es besonders wichtig“, „Heute darf nichts schiefgehen“, „Heute kann ich das Turnier gewinnen“. Das Verhalten ändert sich.

 

Wie kann man sich in solchen Momenten an das Wesentliche erinnern? Durch eine schriftliche Erinnerung – zum Beispiel auf der Scorekarte, dem Handschuh oder dem Bag-Tag. Der Gründer von Ready2Perform hofft, mit seinem Tipp Golfern zu helfen, beim nächsten Mal sich bewusst zu machen, mit welchem Ziel sie auf die Runde gehen. Ist es ein Wunsch – oder ein echtes Ziel?

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