Das Interesse auf Sylt war groß | © DGV/stebl

Vernetzung an der Nordsee

Westerland/Sylt – Anfang April begrüßte der Präsident Karl Max Hellner die Gäste der Vernetzungsveranstaltung im Clubhaus des Marine GC. Das Thema des Tages war die Steigerung der Biodiversität auf Golfplätzen. Der Marine GC wurde als Veranstaltungsort gewählt, da er einer von nur fünf Golfclubs in Schleswig-Holstein ist, die an der großen Studie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel teilnehmen.

Das Projekt GolfBiodivers wird gefördert im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministerium.
Fünf Verbundpartner starteten vor zwei Jahren dieses bundesweite Forschungs- und Aufwertungsprojekt. Ziele sind die Aufwertung, das Monitoring und die Kommunikation der biologischen Vielfalt auf deutschen Golfplätzen. Die Technische Universität München, die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die Universität Münster und der Deutsche Golf Verband arbeiten zusammen, um große Flächen auf Golfanlagen mit wissenschaftlicher Begleitung aufzuwerten und dadurch einen Beitrag zur Biodiversitätsförderung in Deutschland zu leisten. Der Deutsche Golf Verband realisiert mit Unterstützung des Bundesamtes für Naturschutz dieses in Deutschland bislang einmalige Forschungs- und Aufwertungsprojekt. Insgesamt stehen für das Projekt rund 2,5 Millionen Euro an Fördergeldern zur Verfügung. Damit ist GolfBioDivers aktuell das größte Projekt seiner Art in Europa.

Einladung gefolgt

Der Einladung zu dem Treffen in Westerland auf Sylt folgten Vertreter des Kreises Nordfriesland für die Untere Naturschutzbehörde, der Naturschutzgemeinschaft Sylt, der Gemeinde Sylt, von Sylt Marketing, der lokalen Politik und benachbarter Golfclubs bis hin zum GC Föhr. Alle erhielten interessante Einblicke in den Stand des Projekts insgesamt, vor allem aber speziell auf der Anlage des Marine GC.

Vorstandsmitglied Roland Grüger, Head-Greenkeeper André Bockwoldt und Pia Tappe, Projektverantwortliche der Uni Kiel, hielten kurze Vorträge, die das Projekt in den Kontext der Anlage einbetteten, die unmittelbar neben dem Flughafen von Sylt liegt. Die Ausführungen boten tiefe Einblicke in die Anstrengungen, die der Marine GC unter fachlicher Anleitung unternimmt, um große Flächen des Geländes hinsichtlich der biologischen Vielfalt aufzuwerten.

Geschichte

Seit 1955 wird auf Sylt Golf gespielt. Zunächst wurden sechs Löcher gebaut und der Royal Air Force Sylt Golf Club war nur für die britischen Truppen bestimmt. Nach Übernahme des Flughafens durch die Bundeswehr wurde der Platz auf neun Löcher erweitert und auch Angehörige der Soldaten und Sylter Bürger konnten den Platz nutzen. 1998 und 2004 erwarb der Marine GC, der 1980 als e.V. gegründet und 2002 in eine Genossenschaft umgewandelt wurde, insgesamt 80 Hektar Land vom Bund. Bis 2006 wurde ein komplett neuer 18-Loch-Links-Course gebaut. Nur rund ein Drittel dieser Fläche wird tatsächlich für den Spielbetrieb genutzt. Der Rest besteht aus Hardrough, das nur einmal im Jahr gemäht wird, Gewässern und Wegen. Früh nahm der Marine GC am Programm Golf & Natur des DGV teil und erhält seit 2011 stets die Rezertifizierung im Gold-Status. Damit war der Marine GC auf Sylt Vorreiter. 2019 folgte der GC Budersand und auch der GC Sylt steht kurz davor, den Gold-Status zu erreichen.

Pflege

Head-Greenkeeper André Bockwoldt erklärte den Gästen, wie das achtköpfige Team des Greenkeepings den Platz pflegt und auf welche Dinge besonders geachtet wird. Angefangen bei der Auswahl der Grassorten, über die Wasserhaltung und -nutzung bis hin zum sparsamen Einsatz von Düngern und der Art der Pflegemaßnahmen wurden wichtige Details genannt, die das Bild des Platzes und den geringen Einsatz von Wasser ermöglichen.„Unsere Philosophie beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngern lautet: Weniger ist mehr“, erklärte André Bockwoldt. Dabei wird aber nicht daran gespart, der Natur Möglichkeiten zur Entfaltung zu bieten. Am alten „Ententeich“ wird zum Beispiel dafür gesorgt, dass Wasservögel und Amphibien einen freien Zugang zur Wasserfläche vorfinden. In den seltenen Fällen, in denen Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden müssen, wird genau geprüft, in welchem Umfang dies nötig ist und dann wird mit Hilfe technischer Einrichtungen darauf geachtet, dass nur exakt die kleinen Flächen behandelt werden, auf denen der Einsatz unverzichtbar ist.
Invasive Pflanzen werden weitgehend entfernt, aber nur durch Handarbeit und den gezielten Einsatz von heißem Wasser, mit dem die Wurzeln der störenden Pflanzen vergrämt werden. Wasser wird ebenfalls sehr sparsam verwendet. Oberflächenwasser wird per Drainage zum Speicherteich geleitet, der bis zu 30.000 Kubikmeter fasst. Die Wasserentnahme am vorhandenen Brunnen ist sehr detailliert geregelt und streng limitiert. 2024 kam der Marine GC ganz ohne Nutzung des Brunnens aus, weil der Regen in guten Abständen ausreichend fiel. Nur zweieinhalb Hektar der Anlage werden bei großer Trockenheit überhaupt bewässert. Wenn es zuvor sehr lange trocken war, werden die Flächen extra vorbehandelt, um das Eindringen des Wassers in den Boden zu erleichtern.

Fiftyfifty

Pia Tappe, Doktorandin und Projektleiterin der Uni Kiel, erläuterte das Projekt GolfBioDivers und den Projektstand auf Sylt. Hintergrund der Forschung ist vor allem das aktuelle Massenaussterben von Pflanzen- und Tierarten, insbesondere auch der Insekten. Gezielte und wirksame Gegenmaßnahmen sollen ermittelt werden, um dazu beizutragen, diesem Massensterben aktiv entgegenzuwirken. Es wurde erkannt, dass auf Golfplätzen große Flächen ungenutzt bleiben und sich daher für eine naturnahe Aufwertung eignen könnten. Hier setzt das Projekt an, denn nur diese Flächen neben den Bahnen werden mit besonderen Saaten aufgewertet. Phase 1 des Projektes beinhaltet eine standardisierte ökologische Aufwertung von 30 Golfanlagen bundesweit.. In Phase I findet ein Monitoring zur Erfassung verschiedener Artengruppen statt. Eine Hälfte des Platzes bleibt, wie sie vorher war, während auf der anderen Hälfte durch Ansaat eine ökologische Aufwertung stattfindet. Hierbei kommen auch Geräte zum Einsatz, die mittels Tonaufnahmen und KI Hinweise ergeben, welche Vögel, Heuschrecken und Fledermäuse auf dem Platz beobachtet werden können. Weitere Insektenarten werden durch spezielle Nisthilfen oder durch aktiven Fang mit Keschern identifiziert. Beim Monitoring konzentrieren sich die Wissenschaftler auf das Grünland. Wasserflächen werden noch nicht einbezogen.

Kriterien

Bei der Auswahl der teilnehmenden Golfanlagen wurde darauf geachtet, dass die Flächen des Hardroughs groß genug sind, um zwei Hälften definieren zu können, die in der Struktur so ähnlich sind, dass eine unveränderte Kontrollhälfte die Forschungsergebnisse validiert, die auf der aufgewerteten Fläche festgestellt werden können. Im Marine GC wurde hierfür eine Nord-Süd-Teilung gewählt, damit es durch den Wind aus üblicherweise westlichen Richtungen möglichst geringe Verwehungen der Saaten in den Kontrollbereich gibt. Für die bearbeiteten Projektflächen wird ein Biodiversitätsbausatz entwickelt, der auf einigen Flächen eine verbesserte Mahd mit Altgrasstreifen vorsieht, auf anderen Flächen eine gesondert angesäte Flachlandmähwiese, auf der eine regionale Blütenmischung ausgebracht wird. Bis hin zur Mährichtung ist das System ausgeklügelt, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Hinzu kommen angesäte Saumvegetationen und Blühstreifen. Auf Plätzen mit größerem Bestand an Gehölzen wird auch dieses einbezogen. Im Marine GC kommt dies nicht zum Tragen, da der Platz als typischer Links Course kaum Bäume und Gehölz hat. Bei der vorausgehenden Landschaftsanalyse wurden auf dem Marine GC 92 Pflanzenarten festgestellt, darunter die Heide-Nelke und der Große Klappertopf. 42 Vogelarten wurden dokumentiert, darunter der Austernfischer, der Wiesenpieper und die Feldlerche. „Gerade die Feldlerche kann von offenen Flächen besonders profitieren“, sieht Pia Tappe auf Golfanlagen für den immer seltener werdenden Vogel gute Chancen.

Rundgang

Beim Rundgang über den Platz stellte André Bockwoldt insbesondere die Areale vor, die aktiv bearbeitet werden, um das Potenzial einer Aufwertung von Wiesenflächen hin zu ökologisch sinnvoll miteinander verbundenen Biotopen zu evaluieren. Vor allem Blühstreifen auf mageren Böden sind schon kurz nach dem Start des Projektes erkennbar artenreicher als andere Flächen. Teils war es im Herbst 2023 so nass auf Sylt, dass die Einsaat der Saatmischungen auf den Spätsommer und Herbst 2024 verschoben werden musste. Die Ergebnisse können dadurch erst verzögert beobachtet werden.
Am Rande des Wasserspeichers fanden sich neben Graugänsen und Stockenten auch einige Reiherenten und mindestens zwei Bekassinen (Sumpfschnepfen) ein. Die Wasserqualität des Speichers ist hervorragend.

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