Mannheim braucht ein Wunder
Im Sport wird dieser Begriff immer mal wieder verwendet, wenn es passt: das Wunder. Vor allem dann, wenn etwas passiert, was zuvor keiner wirklich für möglich gehalten hatte. Beispiele: das Wunder von Bern. Damals, 1954, hatten Deutschlands Fußballer erstmals den WM-Titel geholt und einem vom Krieg gebeutelten Land Hoffnung und Aufschwung gebracht. Oder das „Miracle on Ice“, als die US-College-Boys bei den Olympischen Spielen 1980 in Lake Placid im Finale die scheinbar unschlagbare UdSSR bezwangen und zu Hause sensationell Gold holten. Als Underdog. Es gibt sie also. Man muss nur dran glauben.
Michael Wolf scheint den Glauben noch nicht verloren zu haben. Er hatte sich sein erstes Jahr als Coach des Herrenteams im GC Mannheim-Viernheim sicherlich etwas anders vorgestellt. In der laufenden Saison der Deutschen Golf Liga presented by All4Golf steht seine Mannschaft nach drei ernüchternden Spieltagen abgeschlagen am Tabellenende der 1. Bundesliga Süd. „Die Tür ist zwar leider fast zu, aber wir werden für Spieltag vier in München auf ein Wunder hoffen und weiter trainieren. Wir geben niemals auf“, so Wolf. Durchhalteparolen? Oder doch der Glaube an etwas Unerwartetes, Großes? Die Top Drei (SLR, München und Frankfurt) können Mannheims Seahawks gar nicht mehr einholen. Aufsteiger Augsburg ist als Vierter schon drei Punkte voraus und hat so gar nicht vor, den letzten Platz am rettenden Ufer noch zu verlassen. Aber klar: Rechnerisch ist der Klassenerhalt noch möglich.
Groß ist Abstand trotzdem. Der neu formierte GC Mannheim-Viernheim liegt im Schnitt pro Spieltag 33 Schläge hinter Aufsteiger Augsburg. Das ist eine Menge. Wolf: „Uns fehlen einfach zwei Führungsspieler, die uns die Sicherheit geben. Wir müssen die Standards besser machen. Unsere Ergebnisse spiegeln leider nicht die Stärke unserer Mannschaft wieder.“ Es liege weder an der Vorbereitung noch an der Taktik. „Es ist das Skill-Set, was fehlt“, so Wolf, der das Ruder von Vorgänger Florian Fritsch übernahm, nachdem sich der Club entschieden hatte, den Sportetat zu kürzen (wir berichteten).
Mannheims Ex-Head-Coach Ted Long, der das Herrenteam 2014 und 2018 zur Deutschen Meisterschaft geführt und Tour-Spieler wie die Paul-Zwillinge Yannik und Jeremy sowie Marc Hammer und Hurly Long hervorgebracht hatte, zog die Reißleine und verließ den Club. „Es war abzusehen, dass alles so kommen musste. Wir haben in Viernheim viel aufgebaut, gute Arbeit geleistet, aber jetzt wird das Team wohl absteigen müssen. Das tut schon weh“, so Long. Führungsspieler wären vorhanden gewesen, aber mit Wolfgang Glawe und Tim Kretschmann (beide zu Hubbelrath) sowie Nico Lang (Pro) haben erfahrene Leute den Club nach dem Umbruch ebenso verlassen.
Seit 2013 gibt es die DGL. Das Herrenteam des GC Mannheim-Viernheim ist die einzige Mannschaft, die es in diesen elf Jahren immer ins Final Four geschafft hat. Nun droht der Gang in Liga zwei. Wolf: „Selbst wenn wir absteigen, jedes Ligaspiel ist gutes Training für uns.“ Der feste Glaube an ein Wunder klingt zwar anders, aber noch haben die Seahawks zwei DGL-Runden. Auf der Homepage des GC Mannheim-Viernheim steht: „Platz 5? Nur eine Zahl. Was zählt, ist die Richtung – und die stimmt. Wir bleiben dran. Für uns. Für das Team. Für den nächsten Schritt.“ Vielleicht wird es ja doch noch wie 1954 in Bern oder 1980 in Lake Placid. Und wenn nicht? Coach Wolf: „Wir kommen wieder nach oben, denn die Unterstützung ist da.“ Gut so, denn eine 1. Bundesliga Süd ohne Mannheim-Viernheim? Daran müsste man sich tatsächlich erst gewöhnen.