Lowrys Tanz beendet unerwarteten Thriller
„Es ist nicht vorbei, bis es vorbei ist“, kommentierte Team-Kapitän Luke Donald den über die ersten beiden Tage historisch starken Auftritt seines Teams beim Ryder Cup in Bethpage. Mit 11,5 zu 4,5 ging sein Team in den Schlusstag, ein Vorsprung, der scheinbar nicht mehr zu verspielen war. Zumindest hat es ein derartiges Comeback in der Geschichte des Wettbewerbs noch nicht gegeben. Alle vier Team-Sessions gingen an die Europäer – ein Kunststück, das vorher noch keine Auswärtsmannschaft vollbracht hatte.
Und noch bevor das erste Match des Finalsonntags – zwölf Einzel standen auf dem Programm und Europa benötigte nur noch 2,5 Punkte, um den Pokal als Titelverteidiger mit nach Hause zu nehmen – losging, stand es 12 zu 5. Der Grund: Viktor Hovlands Nacken. Der Norweger konnte bereits am Samstagnachmittag nicht wie geplant zum Fourball antreten. Eine alte Verletzung an der Halswirbelsäule verhinderte weitere Golfschläge.
Dank der „Envelope Rule“ wurde das ausgefallene Match des 28-Jährigen als Unentschieden gewertet. US-Kapitän Keegan Bradley hatte Harris English als jenen Kandidaten ausgewählt, der dadurch nicht zum Einsatz kam.
Doch noch einmal Spannung
Dass unter diesen Voraussetzungen ein europäischer Sieg auch nur ansatzweise wackeln würde, daran hatten die wenigsten gedacht. Doch es kam genau so. Die ersten beiden Matches zwischen Justin Rose und Cameron Young sowie Tommy Fleetwood und Justin Thomas gingen all square auf die 18 – und endeten mit leeren europäischen Händen.
Auch Jon Rahm und Rory McIlroy war die Belastung von vier Matches in zwei Tagen anzumerken. Während der Spanier klar gegen Xander Schauffele verlor (4&3), hatte auch der Nordire im Duell des Weltranglistenersten (Scottie Scheffler) gegen den -zweiten mit 1 down das Nachsehen. Auch das geteilte Match zwischen Bryson DeChambeau und Matt Fitzpatrick endete mit amerikanischem Rückenwind. Denn der Amerikaner hatte einen Rückstand von 5 down aufgeholt. Immerhin: Die amerikanische Punkteflut war durchbrochen. Und nachdem Ludvig Aberg auf der 17 die Hand von Patrick Cantlay schüttelte und sich über seinen 2&1-Sieg freute, fehlte nur noch ein halber Punkt zur Titelverteidigung.
Lowry bringt die Entscheidung
Diesen lieferte Shane Lowry. In einem engen Match gegen Russell Henley lochte er unter maximalem Druck zum Birdie auf der 18 und führte im Anschluss einen Freudentanz auf. Zwei weitere geteilte Matches – Robert MacIntyre gegen Sam Burns und Tyrrell Hatton gegen Collin Morikawa – sorgten am Ende für den Sieg und vermieden so Diskussionen um die besagte „Envelope Rule“ als siegbringender Faktor. Der Endstand: 15 zu 13.
Fest steht: Die Amerikaner haben sich eindrucksvoll zurückgemeldet und verloren dabei nur eine einzige Partie. Fest steht auch: Europa gewinnt zum ersten Mal nach dem Wunder von Medinah 2012 wieder einen Ryder Cup in den USA. Das scheinbar Unmögliche war vollbracht – trotz des fulminanten Aufgalopps der US-Stars.
Donalds Stress, McIlroys Stolz
„Das waren die stressigsten zwölf Stunden meines Lebens“, kommentierte Luke Donald, der offen hielt, ob er auch in zwei Jahren als Team-Kapitän zur Verfügung stehen wird. „Ein großes Kompliment an das Team von Keegan Bradley. Wir wussten, dass es heute noch einmal schwierig wird. Sie haben alles reingeworfen. Ich könnte nicht stolzer auf mein Team sein.“
„Ich bin so stolz, Teil dieses Teams zu sein“, ergänzte Rory McIlroy. „Bereits nach unserem Sieg in Rom haben wir die Aufmerksamkeit auf Bethpage gelenkt. Nach unserer Niederlage in Whistling Straits mussten wir uns viel anhören über die uns bevorstehende Dominanz der Amerikaner, das hat uns umso mehr motiviert. Jetzt hier die Ole-Ole-Gesänge zu hören, ist einzigartig. Wir haben etwas geschafft, was uns nur sehr wenige zugetraut hätten.“
Keegan Bradley war hingegen gelöst darüber, dass sein Team nach desaströsen ersten beiden Tagen ein imposantes Lebenszeichen senden konnte. „Ich habe diese Aufgabe sehr genossen und werde diese Tage für immer in Erinnerung behalten“, erklärte er. „Vielleicht würde ich mit dem heutigen Wissen ein anderes Setup wählen und den Platz etwas schwieriger machen, aber unter dem Strich war Team Europe einfach besser. Ich denke, Luke Donald ist der beste Kapitän, den sie je hatten. Meine Beziehung zum Ryder Cup ist komisch – es waren viele herzzerreißende Momente dabei.“









