Erlebte beim Masters in Augusta einen Samstag zum Vergessen: Min Woo Lee. | © 2025 Augusta National

Ball bewegt: Lee nachträglich bestraft

Es war sicher nicht der Moving Day, den sich Min Woo Lee für seine vierte Masters-Teilnahme gewünscht hatte. Es gab zwar Bewegung, aber nicht die Art von Bewegung, die einem Golfer weiterhilft.  Denn Lee konnte sich in der dritten Runde des ersten Majors des Jahres nicht auf dem Leaderboard nach oben arbeiten, sondern war für die minimale Bewegung seines Balls verantwortlich. So jedenfalls sah es die Turnierleitung des Masters, die ihn allerdings nicht sofort nach der Aktion, sondern erst am Ende der Runde mit der entsprechenden Strafe belegte.

 

Schauplatz war Loch 13 des Augusta National Golf Club. Auf dem Par 5 der berühmten Amen Corner gelang Lee ein perfekter Drive. Als der 26-Jährige seinen auf dem Fairway liegenden Ball ansprach, passierte es: Lees Ball bewegte sich. Sofort zog der Australier seinen Schläger zurück und rief einen Referee zu sich. Es folgte eine Schilderung des Vorfalls und eine kurze Diskussion mit Spielpartner Harris English. Man schien sich einig, dass Lee die minimale Bewegung des Balles nicht verursacht hatte. Ohne Strafschlag landete zunächst das Par auf seiner Scorekarte. Doch dabei sollte es nicht bleiben.

Lee kam mit einer unbefriedigenden 76 (+4) ins Clubhaus. Doch es kam noch schlimmer. Denn kurz nach dem Ende seiner dritten Runde musste Lee erfahren, dass der Augusta National Golf Club eine Erklärung herausgab, in der es hieß: „An Loch Nr. 13 bat Min Woo Lee um Hilfe, nachdem sein Ball auf dem Fairway in Bewegung geraten war. Es wurde festgestellt, dass seine Handlungen in der Nähe des Balls zu dessen Bewegung geführt haben, und gemäß Regel 9.4b wurde ein Strafschlag zu seinem Score addiert“.

 

Regel 9.4b besagt: „Nimmt der Spieler seinen Ball in Ruhe auf, berührt ihn absichtlich oder verursacht, dass er sich bewegt, zieht er sich einen Strafschlag zu“. So wurde aus dem Par auf der 13 ein Bogey. Aus der 76 eine 77. Auf solche Bewegungen hätte Lee am Moving Day gut und gerne verzichten können.

Das sagt DGV-Regelfachmann Dietrich von Garn dazu:

Dieser Fall ist mit Sicherheit schon fast jedem von uns passiert. Der Ball liegt wunderbar spielbar auf dem Fairway oder im Semirough, man stellt sich an den Ball und setzt den Schläger hinter dem Ball auf, und dann wagt es dieser gemeine Ball, sich ein Stück zu bewegen. Je nach „Regelaffinität“ des Spielers wird dann entweder der Ball gespielt wie er liegt ("Ist ja nichts passiert“), mit einem „Sorry“ straflos zurückgelegt oder es wird Bezug auf die Regel 9.4 genommen und der Spieler zählt sich einen Strafschlag dazu, bevor er den Ball zurücklegt. 

 

Sobald ein Spieler den Anspruch erhebt, ein Ergebnis erzielen zu wollen, das er mit den Ergebnissen anderer Spielern vergleichen kann, ist der Strafschlag und das Zurücklegen die einzig richtige Version.

 

Nun bietet die Regel 9 auch die Möglichkeit an, dass der Ball von etwas anderem als dem Spieler bewegt wurde. Wären dies Naturkräfte wie z. B. der Wind, müsste der Ball gespielt werden, wie er liegt und es fiele keine Strafe für den Spieler an. Aber die Sache hat einen Haken: An einem windstillen Tag kommt nicht plötzlich eine Windböe, die von allen Spielern unbemerkt einen Ball bewegt. Diese Version lässt sich immer schnell ausschließen. Sicher könnte der Ball mit seinem Gewicht auf einigen Grashalmen ruhen, die dadurch langsam nachgeben und der Ball bewegt sich in der Folge davon noch einen Zentimeter weiter. Dann wäre die Schwerkraft verantwortlich und es bleibt auch straflos für den Spieler.

 

Sobald der Spieler jedoch seinen Schläger hinter den Ball stellt (oder auch lose hinderliche Naturstoffe aus der Nähe des Balls entfernt), kehrt sich die Beweislast um und der Spieler gilt als Verursacher der Bewegung, wenn er nicht glaubhaft einen anderen Grund anführen kann.

 

So ist es hier beim Masters geschehen. 

 

Min Woo Lee hat sicher guten Gewissens dem Referee erzählt, dass er den Ball nicht bewegen wollte und nicht das Gefühl hatte, ihn bewegt zu haben. Seine Mitspieler haben dies auch bestätigt. Der Referee hat sich dankbar auf den ihm geschilderten Sachverhalt verlassen und entschieden, dass keine Strafe anfällt und der Ball gespielt werden müsse, wie er liegt. Ärgerlich ist nur, dass mit dem Aufsetzen des Schlägers hinter dem Ball die Verantwortung für das Bewegen des Balls auf Min Woo Lee überging. Er hätte den Ball mit einem Strafschlag zurücklegen müssen. Regel 20.2d gibt der Spielleitung jedoch die Möglichkeit, eine falsche Regelentscheidung eines Referees zu korrigieren. Da man hier nicht im Zweifel zu Gunsten des Spielers entscheiden konnte (der Fall war eindeutig), wurde der Strafschlag für das Bewegen des Balls nachträglich addiert. Der weitere Strafschlag, der angefallen wäre, weil der Ball nicht zurückgelegt wurde, wurde nicht angerechnet, da der Spieler auf Anweisung eines Referees handelte, als er den Ball von der falschen Stelle spielte.

 

Referee zu sein bedeutet, nach Stunden des Nichtstuns plötzlich im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit zu stehen. Da freut man sich, wenn man eine freundliche und populäre Entscheidung treffen kann, die nicht kritisiert wird. Insofern ist die Reaktion des Referees beim Masters erklärbar. Ich selbst habe einmal bei der BMW Open in München im Rough von Zuschauern umringt Bernhard Langer auf dessen Frage hin mitgeteilt, dass er sich einen Strafschlag zugezogen hatte. Langer wusste dies und wollte es nur bestätigt haben. Die Reaktion der Zuschauer war alles andere als verständnisvoll.

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