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29. November 2022 , Christopher Tiess


Heimathafen im wortwörtlichen Sinn. Manchmal liegt unser Glück näher als wir denken.
Heimathafen im wortwörtlichen Sinn. Manchmal liegt unser Glück näher als wir denken. | © (Foto: C.Tiess)

In dieser Ausgabe der Kolumne The Social Golfer finden wir heraus, was patriotische Shopping-Erlebnisse, Arbeitsniederlegungen, politische Umbrüche und Umweltschutz gemein haben.

THE SOCIAL GOLFER

Liebe Leidensgemeinschaft,

ich erinnere mich noch sehr gut, wie es in meiner Jugend war: wenn jemand ein neues Auto kaufen wollte, hieß es oft: ich kaufe ein deutsches Auto – man muss ja was für die heimische Wirtschaft tun. Komischerweise betraf das aber oft nur den Automobilsektor, denn die Fernseher wurden dann doch von asiatischen Herstellern geordert. Und auch wenn es um den Urlaub ging, kam spätestens mit dem Einzug der Neunzigerjahre die Flugreise in den Süden in Mode. Und im Schwarzwald wurde es dafür dunkel.

Aber die Zeiten ändern sich. Mal wieder. Wenn ich heute verreisen will, machen sich bei mir schon beinahe Beklemmungen breit. Und dabei bin ich von Haus aus Touristiker. Krieg hier, despotisches Regime da, Unwetterverwüstungen dort, Airline-Streik hier, Fluglotsenstreik da, und dann noch das fehlende Personal beim Sicherheitspersonal oder dem Ground Handling. Selbst in unseren Nationalmannschaften haben wir nun wieder öfter Fälle, dass die Athleten lieber mit dem Auto quer durch Europa reisen als ein Flugzeug zu betreten - einfach weil sie die Sicherheit haben möchten, vor Ort ihr Golfgepäck vorzufinden.

Schon nach dem 11. September 2001 und auch während des Arabischen Frühlings war ein starker Shift in den Urlaubsgewohnheiten zu erkennen. Während stationäre Hotels in den Zielgebieten oft betroffen aus der Wäsche schauten, entwickelte die Kreuzfahrtindustrie mit ihren starken Marktforschungs-Tools etwas, das heute allein schon aus Umweltaspekten heraus in unseren Zeitgeist passt: Home Port Cruising. Die Idee dahinter: man fliegt nicht erst zu einem Hafen in einem fernen Land, sondern setzt sich ins Auto oder in den Zug und kutschiert gemütlich nach Hamburg, Rostock oder Kiel, um dort auf ein Kreuzfahrtschiff aufzusteigen. Die Fahrtgebiete in Nord- und Ostsee galten als sicher und politische Turbulenzen waren nicht zu erwarten. Dazu spart man jede Menge Kohlendioxid bei der An- und Abreise. Viele Deutsche haben erst da gemerkt, wie wunderschön und wertvoll unsere „heimischen“ Gewässer und die Hafenstädte unserer Nachbarländer wirklich sind. 

Und jetzt kommt der Clou: genau dasselbe können wir auch mit unserem eigenen Sport machen. Bereits in der Corona-Pandemie sind viele von uns vor allem hier in Deutschland unterwegs gewesen und haben die Golfplätze von den Dünen Sylts bis zu den Bergen der Alpen für sich entdeckt. Es gibt in Deutschland unzählige Anlagen, die sich über touristische Spieler freuen. Und warum soll das, was wir unseren skandinavischen Nachbarn seit vielen Jahren schmackhaft machen, nicht auch gut für uns selbst sein? Keine Diktaturen, keine Streiks bei der Anreise, Getränke nach deutschem Reinheitsgebot und jederzeit ein ordentliches Vollkornbrot in Reichweite. Dazu kommt der Umstand, dass wir unseren jährlichen CO2-Fußabdruck eben nicht durch noch eine weitere Flugreise komplett aus dem Ruder schlagen lassen. Golf & Natur halt – nur eben für uns Otto Normalvergolfer. Und… außerdem muss man doch was für die einheimische Wirtschaft tun. :-)

Mit sportlichem Gruß,

Ihr Christopher Tiess

The Social Golfer: Kolumnist Christopher Tiess ist auch im blauen Element zu Hause.
The Social Golfer: Kolumnist Christopher Tiess ist auch im blauen Element zu Hause. | © Foto: Mindshot/A. Rechel

Lebenserfahrungen, Reise-Anekdoten und immer wieder Geschichten aus dem Kuriositätenkabinett namens Golfsport: in seiner Kolumne „The Social Golfer“ spiegelt der Projektmanager, Journalist und Fotograf Christopher Tiess seine Eindrücke aus der Welt wider und schlägt dabei die Brücke zu gesellschaftlichen und sozialen Themen. 

 

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