The Open

Was Woods auf dem Old Course von Langer lernte


9. Juli 2022 , Detlef Hennies


Während der Proberunde testete Tiger bei der Open im Jahr 2000 auch den Road Hole Bunker am 17 Grün. Fast unnötig, denn während der folgenden vier Runden landete er nicht einmal im Sand.
Während der Proberunde testete Tiger bei der Open im Jahr 2000 auch den Road Hole Bunker am 17 Grün. Fast unnötig, denn während der folgenden vier Runden landete er nicht einmal im Sand. | © Getty Images/Allsport

Mit keinem anderen Ort der Golfwelt fühlt sich Tiger Woods so verbunden wie mit St. Andrews. Kein Wunder bei den grandiosen Siegen, die er dort gefeiert hat. Auch deshalb, weil er sehr früh sehr gut hingeschaut hat…

Wenn alles glatt läuft und er selbst einigermaßen rund, dann spielt Tiger Woods vom 14. bis 17. Juli 2022 seine fünfte Open Championship auf dem Old Course in St. Andrews. Es ist der Platz, in den sich Woods bei seiner Premiere 1995 im „Home of Golf“ nach eigener Aussage „sofort verliebt“ und der seine Art des Spielens entscheidend geprägt hat. Bernhard Langer hatte seinen Anteil daran…

Blicken wir zurück: Tiger hatte die US Amateur Championship 1994 gewonnen, sich damit für die Open Championship im Folgejahr qualifiziert. Und hier stand er nun, gerade mal 19 Jahre alt, und war nach der ersten Runde auf dem Old Course, die er fast ausschließlich gegen den Wind spielen musste, verwundert: „Warum um alles in der Welt haben sie die Bunker dort platziert, wo sie gar nicht ins Spiel kommen?“ Nach der zweiten Runde wusste er warum: „Da hat der Wind gedreht, und schon waren sie alle am perfekten Platz.“

„Auf die Idee wäre ich nie gekommen“

Tiger überstand den Cut, weil er sich sehr schnell auf die Bedingungen einstellen konnte. Auch mit der Hilfe eines zweifachen Major-Siegers aus Deutschland. Tiger erinnert sich: „Ich hatte das Glück, mit Bernhard Langer zu spielen. Wir standen auf der 14 und hatten den Wind so gegen uns, dass die drei Bunker auf der linken Seite voll ins Spiel kamen. Mir waren die vorher nie aufgefallen, weil ich immer über rechts gespielt hatte. Bernhard aber schlug den Ball noch viel weiter nach links, weit raus auf das 5. Fairway, setzte die Annäherung aufs Grün und versenkte den zweiten Putt zum Par. Auf die Idee wäre ich nie gekommen, habe dadurch aber gelernt, auf wie viele verschiedene Arten man Links-Kurse spielen kann.“

Langer war damals tatsächlich einer der besten Lehrmeister für das Spiel zwischen Dünen, Bunkern und Ginsterbüschen. Zweimal hatte er den Sieg bei der Open als Zweiter nur knapp verpasst, darüber hinaus noch vier dritte Plätze geholt. 1995 beendete Langer die Open als 24., Tiger Woods landete auf dem 68. Platz.

Der Klang in seinem Kopf

Ein Jahr später, Woods war zum zweiten Mal als US Amateur Champion geladen, landete Tiger in Royal Lytham & St. Annes als bester Amateur auf Rang 22 und wurde mit einer Silbermedaille belohnt. Woods: „Ich stand neben Tom Lehman auf dem 18. Grün, als ihm die Claret Jug überreicht wurde. ,Champion Golfer of the Year‘, diese Auszeichnung hat damals einen Klang in meinem Kopf ausgelöst, den ich noch nie zuvor gehört habe.“

Vier Jahre später, 2000, klang die Bezeichnung noch viel süßer, weil sie Woods selbst galt. Der 24-Jährige war als haushoher Favorit nach St. Andrews gekommen, weil er kurz vorher die US Open in Pebble Beach mit 15 Schlägen Vorsprung gewonnen und die Konkurrenz schon in den Monaten davor zum Teil dramatisch deklassiert hatte.

Das tat er auch auf dem Old Course! Tiger begann verhalten, spielte sich mit acht Pars in Folge quasi warm. Dann ließ er Birdies auf den 9, 10, 12, 14 und 15 folgen, lag nach Tag eins mit 67 Schlägen nur einen hinter Ernie Els. Der Südafrikaner aber konnte Woods im weiteren Verlauf der Open genauso wenig folgen wie alle anderen. Er hatte die Tipps von Bernhard Langer verinnerlicht und darüber hinaus seine ganz eigene Spielweise entwickelt. Woods: „Ich habe an allen Tagen auf hohe Annäherungen verzichtet und aus 50 oder auch 60 Metern nur noch geputtet. Anschließend lag ich nie weiter als 6 Meter von der Fahne entfernt.“ Und über die 72 Bahnen in keinem einzigen Bunker!

Die wichtigste Gratulantin für Tiger nach dessen Sieg 2000 auf dem Old Course war Mutter Kutilda.
Die wichtigste Gratulantin für Tiger nach dessen Sieg 2000 auf dem Old Course war Mutter Kutilda. | © Getty Images/R&A


Eine der besten Auftritte aller Zeiten

Am Ende der Open 2000 gewann Tiger mit acht Schlägen Vorsprung und vervollständigte mit einem der besten Auftritte, die der Old Course je gesehen hatte, seinen „Career Grand Slam“. Alle vier Major-Turniere der Neuzeit zu gewinnen, dass hatten vor Tiger nur Gene Sarazen, Ben Hogan, Jack Nicklaus und Gary Player geschafft. Tiger aber legte noch nach: Er gewann mit der PGA Championship 2000 und dem Masters 2001 auch die beiden folgenden Major-Turniere. „Tiger Slam“ nannten wir Journalisten den Fakt, dass er im April 2001 alle vier Major-Titel hielt, davon aber „nur“ drei aus demselben Jahr stammten.

2005, bei der nächsten Open auf dem Old Course, nutzte Woods dieselbe Taktik, führte von der ersten Runde an und gewann mit fünf Schlägen vor Lokalfavorit Colin Montgomerie. Mit dem Sieg vollendete Woods seinen zweiten „Career Grand Slam“. Der Einzige, der ebenfalls eine doppelte Major-Trophäen-Sammlung hat, ist Jack Nicklaus, der sich 2005 von der Open in St. Andrews mit großen Gefühlen bei ihm und den Zehntausenden Zuschauern verabschiedete. Interessant: Woods gewann jedes Mal, wenn Nicklaus seine letzten Auftritte bei den verschiedenen Major-Turnieren hatte (U.S. Open und PGA-Championship im Jahr 2000, Masters und Open Championship 2005).

Der beste Platz der Welt

2010 startete Woods gewohnt stark auf dem Old Course, ließ dann aber deutlich nach und musste sich am Ende mit dem 23. Platz zufriedengeben. 2015, bei der vorerst letzten Austragung in St. Andrews, scheiterte der Amerikaner am Cut.

Jetzt also ist er wieder da, hat im Vorfeld extra die U.S. Open und auch die Scottish Open ausgelassen, um seinen geschundenen Körper zu schonen. Für den 46-Jährigen dürfte es die letzte Open mit seinem gewohnt großen sportlichen Anspruch sein: „Das ist eine historische Open, die wir spielen werden, und eine ganz besondere für mich. Ich weiß nicht, wann sie an diesen Ort zurückkehren wird und ob ich dann noch in der Lage sein werde, mitzuhalten. Der Old Course aber wird für mich immer der beste Platz der Welt bleiben.“