Menschen

Wafula hat einen Traum


6. Juli 2022 , Daniel Dillenburg


Sammelte erstmals LET-Erfahrung auf europäischem Boden: Naomi Wafula.
Sammelte erstmals LET-Erfahrung auf europäischem Boden: Naomi Wafula. | © Frank Föhlinger

Naomi Wafula gilt als talentierteste Golferin Kenias und darf beim Amundi German Masters erste LET-Erfahrung außerhalb ihres Heimatlandes sammeln. Eine Woche, die sie so schnell nicht vergessen wird.

Lachende Gesichter gab es bei der Premiere des Amundi German Masters im Golf- und Country Club Seddiner See zuhauf. Doch niemand grinste so breit wie Naomi Wafula, eine 24-jährige Amateurin aus Kenia, die zum ersten Mal bei einem LET-Event außerhalb ihrer Heimat abschlug. Dies lag weniger an ihrer sportlichen Leistung, sondern vielmehr an der für sie einmaligen Erfahrung, die sie in Berlin-Brandenburg machen durfte. „Ich liebe Deutschland“, so Wafulas Worte nach ihrer ersten Runde, einer 76 (+4), in der ihr insbesondere im kurzen Spiel die Unterschiede zur erfahreneren Konkurrenz auffielen.

Das sportliche Abschneiden war in dieser Woche jedoch zweitrangig. Wafula kam mit dem Europa-Debüt ihrem großen Traum ein Stück näher. Irgendwann will das einstige Waisenkind ins Profilager wechseln und ein ständiges Mitglied auf der Ladies European Tour sein. Unterstützt wird sie dabei von U.COM, dem Turnierveranstalter des Amundi German Masters sowie der Kenya Ladies Open. Für Turnierdirektor und U.COM Event Geschäftsführer Dirk Glittenberg ist dieses Projekt eine Herzensangelegenheit – ohne Verträge und ohne kommerzielles Interesse: „Im vergangenen Jahr haben wir uns mit unserem Partner Vipingo Ridge [Austragungsort der Kenya Ladies Open und Wafulas Heimatclub, Anm. d. Red.] zusammengesetzt und uns gefragt: Wie können wir Naomi, der talentiertesten Golferin Kenias, helfen?“


Zunächst benötigte Wafula neues Equipment. „Bis dahin hatte sie mit irgendwelchen zusammengewürfelten Schlägern gespielt“, so Glittenberg, der seinem kenianischen Schützling ein Fitting im neu eröffneten Fitting Centre in Vipingo Ridge ermöglichte. Wafula ist inzwischen in dem Golfresort nordöstlich von Mombasa zuhause. Hier arbeitet, lebt und trainiert sie. Mal hilft sie im Pro-Shop, mal im Sekretariat. Trainiert wird sie vom Head of Golf in Vipingo, Saleem Haji, der beim Amundi German Masters Wafulas Tasche trug. Gemeinsam werden sie ihre Schlüsse aus der Woche in Berlin-Brandenburg gezogen haben. Kenias Golfhoffnung qualifizierte sich zwar nicht für das Wochenende, war aber zwischenzeitlich nicht weit weg von der Cut-Linie.

Auch Glittenberg zeigte sich sehr optimistisch, was die sportliche Entwicklung angeht: „Die kann schon sehr gut Golf spielen. Sie hat sehr an ihrer Länge gearbeitet mit Saleem und schlägt mittlerweile richtig lange Eisen und Driver.“ Dass Wafula talentiert ist, wurde schon früh klar. 2008, im Alter von zehn Jahren, wurde sie erstmals an den Golfsport herangeführt. Gemeinsam mit ihrer Tante Rose Naliaka ging es auf den Platz. Naliaka war selbst eine erfolgreiche Golferin und gründete ihre eigene Akademie. Von dort an war Wafulas Weg vorbestimmt. Naliaka nahm sie unter ihre Fittiche und war die große Inspiration für das Mädchen, das ohne Eltern aufwuchs.


Nun möchte Wafula selbst eine Inspiration sein: „Ich hoffe, meine Geschichte wird andere inspirieren, und wir werden mit der Zeit mehr Kenianerinnen auf professionellen Touren sehen.“ Dies ist auch Glittenbergs großer Wunsch. Gemeinsam mit der Kenya Ladies Golf Union hat man das klar erklärte Ziel, in den nächsten fünf Jahren mehr kenianische Spielerinnen auf die Tour zu bringen. „Wir haben ein, zwei andere Mädels, die zwischen 15 und 17 Jahre alt sind, die auch ganz gut sind. Saleem Haji arbeitet mit denen in einer Art Förderprogramm.“ Für Wafula möchte man noch die eine oder andere Einladung klarmachen und vielleicht versucht sie, Ende des Jahres über die Q-School ihre Tourkarte zu holen.

Für den kenianischen Nachwuchs ist Wafula schon jetzt das große Vorbild. Während der Turnierwoche war man im ständigen Austausch mit der Heimat. Kenias Presse war voll von Bildern und Eindrücken aus Berlin. Im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen nahm sich Wafula auch die Zeit, gemeinsam mit ihrem Trainer die Hauptstadt zu erkunden und weitere Erinnerungen zu sammeln. Sie genoss jede Minute bei ihrer LET-Europa-Premiere.

Und ein großes Highlight wartete dann noch am Sonntag auf sie, als sie für die marokkanische Spielerin Ines Laklalech spontan als Caddie einsprang. „Wir Afrikanerinnen halten zusammen“, so Wafula, die mit einem Lächeln von der Runde kam, als hätte sie gerade einen Titel gewonnen. Dabei waren es für sie in dieser Woche die kleinen Dinge, die ihr das breiteste Grinsen von ganz Berlin-Brandenburg ins Gesicht zauberten.

Waren am Finaltag gemeinsam unterwegs: Naomi Wafula und Ines Laklalech.
Waren am Finaltag gemeinsam unterwegs: Naomi Wafula und Ines Laklalech. | © Tristan Jones / LET