Team-WM Herren

Weltklasse-Leistung am Finaltag


21. Oktober 2023 , Stefan Bluemer


Das deutsche Team in Abu Dhabi (© DGV/stebl)
Das deutsche Team in Abu Dhabi (© DGV/stebl)

Am vierten und letzten Tag der 33. World Amateur Team Championship platzt beim deutschen Team endlich der Knoten. Zu spät, um noch vorne mitmischen zu können, aber rechtzeitig, um mit einer ganz starken Leistung erhobenen Hauptes die Heimreise antreten zu können und einen versöhnlichen Abschluss zu finden.

Abu Dhabi/VAE – Von Platz 26 waren die Bundesadler noch vor Sonnenaufgang um 6.30 Uhr gestartet. Schon da war es schier unerträglich und der Schweiß rann bei 25 Grad und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit ohne den kleinsten Hauch an Wind in Strömen. Sobald die Sonne zusätzlich auf die Spieler niederbrannte, war es noch unerbittlicher.Die Spielleitung hatte zudem für den Finaltag auf einigen Grüns Fahnenpositionen gewählt, die echtes Kopfzerbrechen bereiteten. Wie anspielen und eine Birdiechance kreieren, ohne gleich ein übergroßes Risiko zu gehen?
An diesem Tag fanden die Schützlinge von Bundestrainer Christoph Herrmann fast immer eine gute oder sogar sehr gute Lösung, auch wenn die Grüns auch am Finaltag nicht mehr zu Freunden der deutschen Spieler wurden. Putts aus mehr als zwei Metern, die in der Dose klickerten? Fehlanzeige! Dagegen gab es aber einige Putts aus noch kürzerer Distanz, die sich wieder besonders hervortun mussten und am Lochrand liegen blieben. Um so beachtlicher, wie tief Tiger Christensen, Tim Wiedemeyer und Jonas Baumgartner trotzdem gingen.

Fast mit Albatros

Den besten Score in Schwarz-Rot-Gold brachte an diesem Tag Tiger Christensen nach Hause. Der Falkensteiner notierte früh zwei Birdies, hatte dann aber auf Loch 8 eine Schrecksekunde zu überstehen, als sein Drive links in dichtes Pflanzenwerk verschwand. Mit dem provisorischen Ball gelang dem 20-Jährigen aber noch, ein Bogey zu retten. Zum Start der Back Nine schraubte der Student der University of Arizona seinen Score schnell richtig tief. Auf der 582 Meter langen Bahn 10 fiel der dritte Schlag zum Eagle, direkt gefolgt von zwei Birdies. Das zweite Bogey des Tages auf Loch 17 konterte Christensen mit einem weiteren Birdie auf dem 18. Grün, so dass am Ende eine starke 67 (-5) stand. Zum Abschluss wäre um ein Haar sogar ein Albatros gefallen, denn Tiger Christensen knallte den Ball mit seinem Eisen 3 mit einem Fade gegen den Wind aus 228 Metern fünf Zentimeter neben die Dose. An den Vortagen hatte der Hamburger 73, 71 und 76 Schläge gebraucht.
„Ich habe am letzten Tag nochmal alles gegeben. Ich habe an der Strategie nichts verändert, aber irgendwie lief es einfach besser. Golf ist manchmal unerklärlich und warum wir heute dann so performen konnten, wissen wir auch nicht“, freute sich Tiger Christensen über den gelungenen Abschluss.

Nur ein Bogey

Tim Wiedemeyer war zwar mit einem Bogey in die Runde gestartet, hielt danach seine Scorekarte aber blitzsauber und schraubte mit fünf Birdies seinen Score bis auf 68 (-4) Schläge runter. Wieder war das lange Spiel des Müncheners sehr beeindruckend, aber auf den Grüns ließ der 18-Jährige von der Texas Tech University etliche Schläge liegen.
Selbstkritisch war Wiedemeyer trotz des guten Ergebnisses: „Ich fand mein langes Spiel heute eigentlich schlechter als an den letzten drei Tagen. Ich habe aber besser gescored. Ich habe viele Grüns getroffen, war aber nicht immer super nah am Stock. Die Fahnen waren heute deutlich schwerer als zuletzt gesteckt, aber irgendwie habe ich es leichter runtergespielt.“
Im Fazit zu seiner ersten Team-WM kommt der Youngster des Münchener GC um seine Mitspieler an den beiden ersten Tagen nicht herum, denn immerhin durfte Wiedemeyer zwei Runden mit den Nummern eins und fünf im World Amateur Golf Ranking spielen. Da hatte er auch gesehen, wo diese Weltklasse-Spieler noch erkennbare Vorteile hatten: „Das war auf jeden Fall eine coole Erfahrung, mit Christo Lamprecht und David Ford zu spielen. Das war ein geiles Turnier mit einem top Feld. Ich muss noch an meinem Putten arbeiten.“

Dreimal unter Par

Jonas Baumgartner vom GC Hösel gehört zu den Spielern, die alle vier Runden unter Par geblieben sind. Der gerade 21 Jahre alt gewordene Athlet brachte mit sehr reifem Spiel Scores mit 71, 70, 70 und 69 Schlägen ins Clubhaus und ist in der wenig beachteten Einzelwertung als bester Deutscher auf Rang 17 zu finden.
Für Baumgartner, der schon vor einem Jahr für Deutschland bei der Team-WM in Frankreich gespielt hatte, waren die Grüns ein besonderes Mysterium. Obwohl sich der Athlet, der in der Deutschen Golf Liga presented by All4Golf in der 1. Bundesliga für den GC Hösel spielt, viele Chancen kreierte und im langen Spiel ungemein reif wirkte, durfte er relativ selten über Birdies jubeln. Jonas Baumgartner dürfte einer der Spieler sein, die im Durchschnitt die kürzesten Putts eingelocht haben, denn es fiel kein einziger Ball aus mehr als zwei Metern Entfernung.

>>>>Bilder des Tages>>>>


Daher war der ehrgeizige Athlet auch nicht restlos zufrieden: „Ich habe heute zwar ein paar Putts mehr gelocht, aber habe heute den Ball eigentlich am schlechtesten getroffen. Ich habe aber ein paar gute Up-and-downs gemacht und besser gescored. Ich habe mich gut gefühlt, aber die Woche war für mich dann doch etwas zäh. Ich habe gut gespielt und mir viele Chancen erarbeitet, hatte aber doch auch irgendwie einen Knoten drin. Es war eine solide Woche. Ich bin froh, jeden Tag unter Par gespielt zu haben, aber die tiefen Runden, die man bei einem solchen Turnier braucht, um vorne mitzuspielen, standen leider aus. Ansonsten war es echt sehr cool mit dem Team. Man hat gemerkt, dass alle gefightet haben und zu 100 Prozent bei der Sache waren. Wir hatten sehr viel Spaß, auch neben dem Platz.“

Top Tagesergebnis

Mit den 135 Schlägen (-9) in der Wertung war Deutschland am Finaltag eines der besten Teams überhaupt. Der drittbeste Teamscore des Tages reichte, um im Endklassement noch den 15. Platz zu erreichenn.
Irland war mit 134 (-10) Schlägen noch bis auf Rang acht geklettert.
Eine überragende Schlussrunde legten neben dem neuen Weltmeister USA auch die Gastgeber der Team-WM 2025 hin. Singapore verbesserte sich mit einer 132 (-12) noch bis auf den 29. Platz. Die USA hatten am Ende satte elf Schläge Vorsprung auf die beiden ersten Verfolger.

Fazit des Bundestrainers

Nach der wirklich starken und überzeugenden Runde seiner Spieler war Bundestrainer Christoph Herrmann sichtlich erleichtert: „Wir haben nach dem gestrigen Tag, wo wir wirklich einigermaßen enttäuscht rausgegangen sind, haben wir wirklich gut nachgearbeitet und uns heute auch sehr früh auf ungewöhnliche frühre Startzeit vorbereitet. Die Moral haben wir hoch halten können und das Unterfangen, dass wir hier mit einem positiven Erlebnis zum Abschluss rausgehen wollen, ist uns auf jeden Fall gelungen. Mit der Leistungen, die wir heute gebracht haben, sind wir auf jeden Fall zufrieden. Alle drei Spieler waren deutlich unter Par. Das ist eigentlich das, was wir uns von Anfang an vorgestellt und vorgenommen hatten. Die ersten beiden Tage waren akzeptabel, aber der dritte Tag war leider zu schlecht, um ernsthaft mit einer Top-Platzierung liebäugeln zu können. Wir haben uns achtbar aus der Affäre gezogen. Wir hatten insgesamt einen holprigen Start. Der krankheitsbedingte Ausfall unseres Captains Christian Marysko, der natürlich bei solchen Veranstaltungen auch ein großer Motivator ist und eine Mannschaft auch noch mal zusätzlich von außen gut pusht, war natürlich wirklich sehr schade. Wir hatten uns alle sehr auf ihn gefreut. Dann war der drohende Ausfall von Tiger Christensen ein echtes Thema. Nach seinem hervorragenden Jahr war er prädestiniert, die Mannschaft voranzubringen. Er ist geschwächt in das Turnier gestartet und konnte erst heute im Vollbesitz seiner Kräfte sein ganzes Können entfalten. Jonas Baumgartner war jeden Tag unter Par und hat durchweg eine stabile Leistung abgeliefert. Tim Wiedemeyer hat es als Jüngster im Bund ganz hervorragend gemacht. Er ist neu am College und hat schon viel von dem, was ihn auszeichnet, seine Coolness auf dem Platz mit ins Team einbringen können. Mit einer starken Runde mit vier unter Par hat er auch dazu beigetragen, dass wir für diese Weltmeisterschaft einen mehr als versöhnlichen Abschluss finden. Wir hatten und sicherlich etwas mehr vorgenommen, aber jetzt sind wir beflügelt, weil wir heute zeigen konnten, dass wir mit der anwesenden Weltelite doch mitzuhalten imstande sind. Wir haben sicherlich alle miteinander ganz viel gelernt. Auch für mich war es die erste Weltmeisterschaft und da nimmt man natürlich ganz viel mit. Wir haben erlebt, was an der Weltspitze los ist und jeder Spieler kann für sich einordnen, was an welcher Stelle vielleicht gefehlt hat. Das machten wir im Team zusammen und auch jeder für sich. Diese Team-WM in Abu Dhabi war eine tolle Veranstaltung und wir freuen uns auf mehr!“

Kampf um den Titel

An der Spitze ging es in der unbarmherzigen Mittagshitze schon früh zur Sache. Die USA waren mit vier Schlägen Vorsprung gestartet und mussten direkt auf den ersten Bahnen abliefern, weil Frankreich, Italien und Südafrika Druck aufbauten. Aber das Team um den neuen PGA-Tour-Spieler Gordon Sargent hielt mit hochklassigen Schlägen dagegen und verteidigte seinen Vorsprung. Norwegen fiel früh deutlich zurück, kämpfte sich aber noch einmal zurück.
Noch auf der Front Nine gelang es den USA nicht zuletzt durch eine unglaubliche Serie von David Ford, sich noch weiter von den Verfolgern abzusetzen. Ford hatte nach sechs Löchern schon vier Birdies und einen Eagle notiert. Beim Wechsel auf die Back Nine lagen die USA sechs Schläge vor Norwegen und Australien. Frankreich hatte einen weiteren Schlag mehr an Rückstand und auch Südafrika war im Kampf um die Medaillen noch nicht abgeschlagen.
Am Ende waren die USA mit der besten Runde des Turniers mal wieder unerreichbar. Platz zwei und drei teilten sich schlaggleich Norwegen und Australien. Für Frankreich blieb mit einem Zähler mehr nur der undankbare vierte Platz.Titelverteidiger Italien brauchte noch einen Schlag mehr und teilte sich Platz fünf mit Neuseeland.

Investieren und optimieren

Marcus Neumann, Vorstand Sport im Deutschen Golf Verband, hatte die Team-WM der Herren intensiv vom ersten Tag an verfolgt: „Ich bin erneut tief beeindruckt! Ein Trend setzt sich fort. Meine These: Die neue Generation der Top-Amateure der Welt wird die etablierten Generationen auf den Touren zunehmend früher und auf breiter Basis ablösen.  Hochtrainierte Athleten treiben die Bälle hier auf dem längsten Platz, auf dem bisher eine WM gespielt wurde, in Zonen die noch vor kurzem nur wenigen Longhittern vorbehalten waren. Für Bahnen mit 500 Meter Länge reicht vielfach ein Holz und ein Eisen und wenn sich das mit einem variantenreichen kurzen Spiel paart, liegt es nur noch an der Tagesform des Puttens, wie tief in die 60er geschossen wird. Die Qualität bricht trotz der brutalen Witterungsbedingungen auch nach Stunden in der schwülen Gluthitze nicht ab. Das ringt mir großen Respekt ab.
Unser Team hat leider erst am letzten Tag gezeigt, was in ihm steckt. Am couragierten Spielansatz oder an fehlender Entschlossenheit im langen Spiel hat es nicht gemangelt. Auf den Grüns aber haben wir deutlich zu viel liegen lassen. Auf den Par-5-Löchern haben zu viele Schläge gegenüber den Spitzenteams verloren, um früher und deutlicher unter Par zu gehen. Es fehlte an den ersten drei zähen Tagen jeweils der eine so oft beschriebene, aber für eine erfolgreiche WM eben unbedingt notwendige, tiefe Score.  Letztlich bin ich aber fest überzeugt, dass diese drei herausragenden Nationalspieler megastarke Tourspieler werden, die Golfdeutschland in der globalen Profiszene erfolgreich vertreten werden. Es zeigt sich, dass sich Golf als Leistungssport weltweit und dynamisch entwickelt. Wir stehen unter Qualitätsdruck, müssen analysieren, investieren und optimieren, um unsere Position im globalen Wettbewerb zu halten. Aber nicht nur wir haben unsere WM-Ziele nicht erreicht. Auch andere große Golfnationen, wie Schweden, England, Spanien oder Kanada sind weit von der Spitze entfernt. Eine WM mit diesem Modus spiegelt ohnehin selten die wahre Leistungsstärke einer Golfnation wider. Oben landet man als Team mit einer sehr guten Wochenform der drei Spieler und einer notwendigen, großen Portion Fortune! Einzige  Ausnahme, die beständig auf dem Podium zu finden ist, sind die USA, bei der aus der Breite der Golfer eine immer wieder überragende Spitze geformt wird. Daher kann man auch in diesem Jahr wieder den US-Boys nur ganz herzlich gratulieren. Die USA sind verdienter Weltmeister.“

>>>>Livescoring>>>>

>>>>Bilder von Tag 4, 21.10.2023>>>>

>>>>Bilder von Tag 3, 20.10.2023>>>>

>>>>Bilder von Tag 2, 19.10.2023>>>>

>>>>Bilder von Tag 1, 18.10.2023>>>>

>>>>Bilder der Trainingstage>>>>