Kommentar

LIV and let die


16. Februar 2024 , Carsten Moritz


Hofft 2024 auf erhöhtes Medieninteresse für seine Golf-Liga: Greg Norman.
Hofft 2024 auf erhöhtes Medieninteresse für seine Golf-Liga: Greg Norman. | © Michele Eve Sandberg/ism

Golfmentor Carsten Moritz beobachtet die Entwicklung der LIV-Tour und macht sich seine Gedanken dazu.

Die LIV-Tour hat in den letzten zwei Jahren gerade in den sozialen Medien gigantische Wellen geschlagen und Meinungen hervorgerufen. Sie hat über den weissen Hai und Phil Mickelson provoziert - und das sollte sie wohl auch. Ob man als Außenstehender jemals die gesamte Situation richtig greifen kann und bewerten muss, ist bei den durchaus diskutablen Facetten schon anzuzweifeln.

Sicher sind die größten berechtigten Kritikpunkte die Menschenrechtsverletzungen und das befürchtet hinterlistige Sportswashing des Geldgebers. Ja, das ist nicht schön. So wie zahlreiche andere Probleme aus Sport, Politik und Gesellschaft auch nicht schön sind. Man kann sich eine Meinung bilden und das Problem auf seiner persönlichen „Empörungsskala“ einordnen. Über die sozialen Medien lässt sich nahezu jede Meinung vertreten, wenn sie nicht gegen sittenwidrige Standards verstößt. Sich eine Meinung bilden und vertreten zu dürfen, ist ein hohes Gut - und wenn es um wichtige soziale Fragen zum Demokratieverständnis und den Gefahren vor der eigenen Haustür geht, sollte man auch nachhaltig dafür eintreten. Bravo! Die befürchtete Ablenkung von Saudi-Arabien durch die kleine LIV-Tour wird die westlich aufgeklärte Welt wohl genauso wenig zulassen wie die Verhältnisse in Qatar nach der Fußball-Weltmeisterschaft. Wenn überhaupt, können sich bemängelte Zustände in diesen Ländern wohl eher verbessern als verschlechtern. Diese Länder wissen, dass sie mit ihrem Öl und der daraus resultierenden Finanzkraft einige Trümpfe in der Hand haben.

Aus geschäftlicher Sicht liegt das Risiko wohl beim Geldgeber. Welche Hintergründe da genau zwischen dem Beef innerhalb der Tour und mit der Person Greg Norman eine Rolle spielen, kann man genauso wenig umfassend greifen, wie die Hintergründe einiger zur LIV-Tour wechselnden Lieblingsspieler und Sympatieträger und die späteren Verbandelungen der PGA Tour mit dem Public Investment Fund, kurz PIF. Diese laufen wohlgemerkt parallel zu den Veranstaltungen der DP World Tour und den Aramco-Veranstaltungen, die unter anderem auch das Damengolf sponsoren. Das ist schließlich die größte saudische Erdölförderungsgesellschaft. 'Nachtigall ick hör Dir trapsen!' Die Pros scheinen erst mal alle davon zu profitieren, aber kann man sagen, dass damit alle Proetten und Pros auf diesen Touren ihre Seele an den Teufel verkauft haben? Und wenn ja, sind die analogen Beispiele aus der Sportwelt (Fußball, Formel 1, Tennis) harmloser?

Die NFL beispielsweise wird seit einiger Zeit medienwirksam so gehyped, dass es Nicht-Football-Fans wie eine versuchte Gehirnwäsche durch einen Kölner Privatsender vorkommen muss. Ich schalte da jedesmal um, aber es bleibt wohl ein zulässiges Entertainment-Format für Leute, die den Sport lieben, ohne sich Gedanken über Hintergründe, Geldgeber, Sponsoren, Trumpwähler, die amerikanische Waffenlobby oder sonstiges in der Art zu sein.

Vielleicht sollte man die LIV-Tour als ein solches Entertainment-Format in der heutigen Zeit betrachten, sich entertainen lassen, oder eben nicht. Man muss dieses Format nicht mögen, ob es nun an den besagten Kritikpunkten liegt, oder einfach an dem sportlichen Konstrukt mit Freizeitflair und entsprechender Inszenierung. Niemand muss es als Sport anerkennen und sich damit beschäftigen, nur weil Golfschläger im Spiel sind. Ich nehme an, dass die wenigsten Golfer auch Minigolf-Turniere besuchen, weil da ein Ball ins Loch fällt.

Das Leben wird sich allgemein immer weiterentwickeln; vor und hinter unserer persönlichen Empörungsgrenze. Hat die LIV-Tour ihr befürchtetes Ziel der Unterwanderung erreicht? Dann traut man seinen Mitmenschen nicht viel zu. Dann ist nicht die kleine LIV-Tour das Problem, sondern unsere Gesellschaft. Also beobachten wir weiter aus der Entfernung, wie sich LIV und die Golf-Touren weiterentwickeln und zappen mal rein, ob Jon Rahm in kurzen Hosen noch genauso gut Golf spielt. Oder eben nicht. 

https://golfmentor.jimdofree.com
https://golf2025.jimdofree.com

Mehr zum Thema