Spec. Olympics

Der perfekte Inklusions-Sport


20. Juni 2023 , Christopher Tiess


Volunteers waren den Golfern schon bei den Special Olympics World Games 2023 in Berlin eine große Hilfe. Nun werden auch helfende Hände für die EMM der Golfer mit Behinderungen 2024 im GC Hösel gesucht.
Volunteers waren den Golfern schon bei den Special Olympics World Games 2023 in Berlin eine große Hilfe. Nun werden auch helfende Hände für die EMM der Golfer mit Behinderungen 2024 im GC Hösel gesucht. | © DGV/Tiess

Am zweiten Wettkampftag der Special Olympics Weltspiele fallen die Entscheidungen für die Einteilung der Divisions. Die Athleten kämpfen gegen den Platz und gegen widrigen Wetterlagen. Wir beleuchten an dieser Stelle auch das Inklusionspotenzial des Golfsports generell.

Bad Saarow. Der zweite von insgesamt vier Wettkampftagen fand bei sehr wechselhaftem Wetter statt. Von drückender Schwüle über Regen bis zu heiterem Sonnenschein hat die brandenburgische Mark alles aufgeboten, was sie finden konnte. Für die Athleten der Special Olympics Weltspiele bedeutete dies eine zusätzliche Belastung. Denn aus sportlicher Sicht stehen an diesem Tag die Entscheidungen für das Divisioning an. In diesem Verfahren werden die Spielgruppen festgelegt, innerhalb derer die Athleten dann um die Platzierungen antreten.

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Warum es das Divisioning gibt und wie es funktioniert, haben wir bereits zu Beginn der Wettbewerbe erläutert. Nun möchten wir darauf eingehen, was den Golfsport so ideal für inklusive Projekte macht. Dafür muss zunächst festgehalten werden, in welche Dimensionen sich das Thema Inklusion erstreckt, denn Behinderungen sind lediglich eine von vielen Facetten. Ebenfalls dazu gehören die Punkte Alter, Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe und Religion. 

Das Ziel von Inklusion ist seit jeher, ein gleichwertiges Miteinander zu erreichen - also gemeinsam verschieden sein zu können. Da scheint es schon beinahe irrwitzig, dass gerade der Golfsport, dem in der Vergangenheit immer wieder ein elitärer Charakter nachgesagt wurde, der beinahe perfekte Fit ist. Mit welchen Attributen der Golfsport punktet, zeigen wir hier. Vollkommen übergeordnet steht: das gemeinsame Golfspielen auf Augenhöhe ist weltweit ganz regulärer Alltag. 

Golf & Inklusion: ein Perfect Fit?

Damit ist aber nicht das berühmte Runden-Du gemeint, sondern vielmehr: Jung spielt mit Alt, Frau spielt mit Mann, Tiger spielt mit Rabbit, Golfer mit Behinderung spielt mit gesundem Flight-Partner. Das Handicap-System macht Spieler unterschiedlicher Stärke miteinander vergleichbar. Die verschiedenen Abschläge sorgen ebenfalls für eine Nivellierung von Fähigkeitsunterschieden, indem sie bei Bedarf Länge und Forced Carries (also erzwungene Überbrückungsschläge) aus dem Platz nehmen.

Zudem gibt es eine ganze Welt abseits des so oft bemühten - und leider überhaupt nicht spannenden - Einzelzählspiel nach Stableford. Mit den unzähligen Spielmöglichkeiten des Golfsports eröffnen sich packende Matches pro Runde, pro Loch sowie Einzeln oder auch im Team. So macht es für ein Leistungssport-Turnier unter Herren durchaus Sinn, ein pures Brutto-Zählspiel von den weißen Abschlägen auszuschreiben. Für ein Tiger & Rabbit Turnier hingegen bietet sich ein Scramble mit einer Netto-Stableford-Wertung und roten Abschlägen an. Und viele Golfanlagen bieten inzwischen sogar weitere Tees an, die die Spielbahn noch kürzer spielen lassen.

Angepasste Regeln für Golfer mit Behinderung helfen zusätzlich, um individuelle Handicaps auszugleichen. So werden auch bei den Special Olympics Abschläge ausgewählt, die Forced Carries stark reduzieren. Und es wird zwar Brutto gezählt - dafür werden jedoch maximal zehn Schläge pro Loch aufgeschrieben.

Prävention & Rehabilitation

Der inklusive Charakter des Golfsports hat aber noch mehr Dimensionen. So ist der Golfsport ein Sport des ruhenden Balls, der darauf wartet, vom Spieler erneut in Bewegung gesetzt zu werden. Und auch die rehabilitativen Facetten des Sports zeigen hier ihre Ausprägung: Das ruhige – oft ländliche – Umfeld mit geringem Ablenkungspotential kommt den Spielern in ihrer Konzentration zu Gute. Die aerobe Bewegung in der freien Natur baut Kondition auf. 

Die gezielte Auge-Hand-Koordination und der komplexe Golfschwung trainieren das Gehirn. Zudem trainiert der Golfspieler quasi ganz nebenbei seine Fähigkeit, Entscheidungsprozesse für den nächsten Schlag durchzuführen, während er den Weg zu seinem Ball zurücklegt.

Doch was bedeutet all das für eine Golfanlage? Wo sind die konkreten Ansatzpunkte? Je nach gewähltem Fokus auf die Dimensionen der Inklusion (Alter, Geschlecht, Behinderung…) lassen sich passende Angebotsformate entwickeln und umsetzen. Es können neue Trainingsgruppen und Mannschaften gebildet werden. Es lassen sich zudem neue Turniere oder Turnierserien entwickeln - eventuell sogar mit kooperierenden Partnerclubs als zusätzliche Erweiterung. 

Lukas Kollmeyer vom Bielefelder GC nach seinem furiosen Auftritt bei der Long Drive Wertung
Lukas Kollmeyer vom Bielefelder GC nach seinem furiosen Auftritt bei der Long Drive Wertung | © DGV/ Tiess

 

Der Golfsport an sich bietet mit seinen flexiblen Möglichkeiten also ideale Rahmenbedingungen. Dazu gesellt sich allerdings noch der Aspekt der baulichen Barrierefreiheit. Wie gut ist die Golfanlage erreichbar - mit Parkplätzen, Zuwegungen und der Anbindung an den ÖPNV. Und wie gut sind Sekretariat, WC, Duschen, Umkleiden, Pro-Shop und Restaurant barrierefrei zugänglich? Auch für die Range, das Trainingsgelände und selbstverständlich den Golfplatz selbst ist bauliche Barrierefreiheit wichtig.

Die Veranlagung des Sports zeigt die Richtung also klar auf: der Golfsport kann der perfekte Inklusions-Sport sein. Es liegt an den Engagierten, den Weg zu gehen und die gelebte Inklusion zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Viele verschiedene Initiativen in ganz Deutschland zeigen, wie natürlich es sein kann, gemeinsam unterschiedlich zu sein. Die zehn deutschen Athleten der Special Olympics Golfwettbewerbe sind in ihren Heimatanlagen fest verankert. Sie sind sich auch ihrer Botschafter-Rolle sehr wohl bewusst - Alles zu geben, gehört für sie zum Sportsgeist. In ihrer zweiten Wettkampfrunde war denn auch schon deutlich die Freude und Enttäuschung in den Gesichtern der Spieler zu erkennen. 

Endstände der Divisioning-Phase

Das deutsche Team tritt in drei der insgesamt fünf Wettkampf-Kategorien an: Level 1, 4 und 5. Hier sind die Endstände der Divisioning-Phase. Die tatsächliche Einteilung in die einzelnen Divisions erfolgt allerdings erst nach Redaktionsschluss:

  • Level 1 (insgesamt 43 Starter): Hier hat Ankush Saha aus Indien seine Führung am zweiten Tag mit 189 Punkten weiter ausgebaut
  • Platzierungen der deutschen Athleten:
  • Matthias Schott: T8 mit 155 Punkten
  • Emily Träm: Platz 15 mit 145 Punkten
  • Lukas Kollmeyer: Platz 21 mit 127 Punkten
  • Stefanie Lutz: Platz 30 mit 111 Punkten

In den Wettbewerbskategorien 2 und 3 sind keine deutschen Athleten am Start.

  • Level 4 (insgesamt 44 Starter): Hier führt Mathias Eriksson aus Schweden mit 88 Schlägen (+16)
  • Platzierungen der deutschen Athleten:
  • Anna Mannheims: T3 mit 92 Schlägen (46; 46; +20)
  • Petra Pithan: Platz 15 mit 111 Schlägen (57; 54; +39)
  • Paul Kögler: T36 mit 142 Schläge (72; 70; +70)
  • Gerald Guttek: T40 mit 153 Schlägen (77; 76; +81)
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  • Level 5 (insgesamt 29 Starter): Hier führt derzeit Mitchell Brown aus Neuseeland mit 145 Schlägen (72; 73; +1)
  • Platzierungen der deutschen Athleten:
  • Clemens Schmidt: Platz 14 mit 186 (89; 97; +42)
  • Kevin Hahn: Platz 26 mit 249 Schlägen (124; 125; +105)