Rückblick 2010

Das Wunder von Wisconsin


5. Mai 2022 , Felix Grewe


Innig und glücklich: Kaymers Triumph bei der PGA Championship war das Highlight eines starken Jahres 2010.
Innig und glücklich: Kaymers Triumph bei der PGA Championship war das Highlight eines starken Jahres 2010. | © Getty Images/Stuart Franklin

Vor zwölf Jahren gewann Martin Kaymer mit der PGA Championship sein erstes Major-Turnier. Wenige Wochen, bevor das Event diesmal im Southern Hills Country Club von Tulsa stattfindet (19. – 22. Mai 2022) , blicken wir in Bildern und Texten zurück auf den historischen deutschen Triumph 2010.

Whistling Straits Golf Course, Wisconsin, 15. August 2010. Als erster deutscher Golfprofi seit Bernhard Langers zweitem Masters-Triumph 1993 gewinnt Martin Kaymer einen der vier Major-Titel. Bei der PGA Championship, der 92. Auflage des Turniers, glückt dem 25-Jährigen der erste ganz große Coup. Er überzeugt mit einem taktisch ausgereiften Spiel, agiert clever und routiniert, als wäre er seit Jahrzehnten eine gestandene Größe in der Golfwelt. Gerade einmal sechs Bogeys leistet er sich über vier Runden und 72 Bahnen. Eine beeindruckende Konstanz. 

Plötzlich im Fokus: Nach seinem Sieg im Stechen über Bubba Watson präsentiert Martin Kaymer den Journalisten seine erste Major-Trophäe.
Plötzlich im Fokus: Nach seinem Sieg im Stechen über Bubba Watson präsentiert Martin Kaymer den Journalisten seine erste Major-Trophäe. | © Getty Images/Chris Graythen



Dabei ist Kaymer zu diesem Zeitpunkt erst fünf Jahre Profi, hat fünf Turniere auf der damaligen European Tour gewonnen und drei seiner letzten vier Majors unter den besten Acht beendet. Experten haben den Deutschen, der im Januar des gleichen Jahres bei der Abu Dhabi Golf Championship triumphiert und sich in die Top Ten der Weltrangliste geschoben hatte, deshalb zwar als einen Geheimfavoriten auf dem Zettel, mit einem Sieg rechnet trotzdem kaum jemand.    

Glücksmoment: Erst fällt der finale Putt, dann der Champion seinem Manager Johan Elliott in die Arme.
Glücksmoment: Erst fällt der finale Putt, dann der Champion seinem Manager Johan Elliott in die Arme. | © Getty Images/Andrew Redington



Zu Turnierbeginn ist Kaymer 13. der Welt. Er startet zwar souverän in die PGA Championship, spielt am ersten Tag Even Par (72) und in der zweiten Runde eine 68 (-4), liegt zur Halbzeit allerdings noch einige Schläge von der Spitze entfernt. Die greift er am Moving Day an, fabriziert eine 67 (-5) und ist damit vor der Schlussrunde nur noch vier Schläge hinter dem Führenden Nick Watney platziert. Dustin Johnson und Rory McIlroy liegen einen Schlag vor ihm.

Schwarz, Rot, Gold: Die deutsche Farben hatte man seit Langers Augusta-Triumph 1993 bei Major-Turnieren kaum wahrgenommen.
Schwarz, Rot, Gold: Die deutsche Farben hatte man seit Langers Augusta-Triumph 1993 bei Major-Turnieren kaum wahrgenommen. | © Getty Images/Stuart Franklin



Der Schlusstag entwickelt sich zu einem Drama. Der Führende Watney bricht ein, leistet sich eine +9, die unter anderem durch ein Triple-Bogey zustande kommt. Sieben verschiedene Spieler übernehmen an diesem Tag zwischenzeitlich die Führung auf dem Straits Course am Lake Michigan, am längsten von allen Kaymer – weil er die wenigsten Fehler macht. Zur Halbzeit der finalen Runde hat er zwei Schläge Vorsprung auf die Konkurrenz: Bubby Watson, Zach Johnson, Rory McIlroy, Jason Dufner, Dustin Johnson. 

Starkes Team: Martin Kaymer und sein Caddie Craig Connelly.
Starkes Team: Martin Kaymer und sein Caddie Craig Connelly. | © Getty Images/Stuart Franklin


 

Kaymers erster großer Coup – die Highlights im Video



Doch weil sich Kaymer an der 17 ein Bogey leistet, teilt er sich nach 18 gespielten Bahnen die Führung mit dem Amerikaner Watson. Es geht ins Stechen – drei zusätzliche Löcher müssen darüber entscheiden, welcher der beiden Spieler seinen ersten Major-Triumph feiern darf. Gespielt werden die Bahnen 10, 17 und 18. Watson, der direkt mit einem Birdie startet, setzt seinen deutschen Kontrahenten sofort unter Druck. Kaymer kann einen langen Birdie-Putt nicht lochen – verliert so das erste Loch des Playoffs. 

Bedeutende Bahn 17: Hier fabrizierte Kaymer erst ein Bogey, später im Stechen dann ein Birdie.
Bedeutende Bahn 17: Hier fabrizierte Kaymer erst ein Bogey, später im Stechen dann ein Birdie. | © Getty Images/Stuart Franklin



Umgekehrtes Bild an Bahn 17. Diesmal schafft Kaymer das Birdie, weil er einen Putt aus gut und gern fünf Metern locht, während Watson patzt. Ausgleich. Ein zermürbender Kampf muss sein furioses Finale am 18. Loch finden. Die Entscheidung fällt deshalb, weil Watson hier alles riskiert – und Kaymer stattdessen wohlüberlegt handelt. 

Mit Touch und Geduld: Kaymer überzeugte in den Tagen von Whistling Straits vor allem mit einem cleveren Spiel.
Mit Touch und Geduld: Kaymer überzeugte in den Tagen von Whistling Straits vor allem mit einem cleveren Spiel. | © Getty Images/Stuart Franklin



Beide setzen ihren Drive rechts des Fairways ins Rough. Zur Fahne sind es etwa 200 Meter, das Grün wird von einem Wasserhindernis bewacht. Watson greift es direkt an, bleibt zu kurz und versenkt seinen Ball im Wasser. Kaymer hingegen bleibt cool: Ein Pitch aufs Fairway, anschließend mit dem Eisen 7 bis auf fünf Meter an die Fahne heran. Das Playoff ist entschieden, zumal Watson seinen gedroppten Ball im Bunker versenkt. Er trifft von dort zwar den Fahnenstock, doch es reicht nicht mehr zum Bogey. Kaymer beendet das Turnier mit zwei Putts. Fast schüchtern ballt er kurz die Fäuste, fast so, als habe er gerade erwartungsgemäß die Clubmeisterschaft zuhause im Golfclub Mettmann gewonnen. 

Moment der Entscheidung: Bubba Watsons Pitch aus dem Bunker verfehlt das Loch, Martin Kaymer kann alles klarmachen.
Moment der Entscheidung: Bubba Watsons Pitch aus dem Bunker verfehlt das Loch, Martin Kaymer kann alles klarmachen. | © Getty Images/Andy Lyons

 

Seine amerikanische Freundin Allison fällt ihm danach um den Hals. Kaymer gesteht: „Auch wenn ich nach außen ganz cool gewirkt habe, war das alles natürlich sehr aufregend.“ Es ist der Beginn seines fulminanten Aufstiegs in die Weltspitze. Nach der PGA Championship gewinnt er zwei weitere Turniere in Folge, ist damit der erste Spieler seit Tiger Woods 2006 mit einem Hattrick, sogar der erste Europäer seit Nick Faldo 1989. In der Weltrangliste klettert er immer weiter nach oben, wird die Spitze einige Monate später, im Februar 2011, erklimmen. Ende 2010 gewinnt er das Race to Dubai, gemeinsam mit Graeme McDowell wird er zudem als European Tour Golfer of the Year ausgezeichnet. Ein Jahr wie ein Traumlauf – mit dem Wunder von Wisconsin als Höhepunkt

Erfolgsteam: In Wisconsin waren Kaymers damalige Freundin Allison Micheletti und Manager Johan Elliott an der Seite des Champions.
Erfolgsteam: In Wisconsin waren Kaymers damalige Freundin Allison Micheletti und Manager Johan Elliott an der Seite des Champions. | © Getty Images/Andrew Redington