Chiara Noja

Ihr Ziel: „Nummer eins der Welt 2027“


12. April 2022 , Thomas Kirmaier


Von Berlin über England nach Dubai: Chiara Noja glänzte durch zuletzt starke Leistungen auf der Tour.
Von Berlin über England nach Dubai: Chiara Noja glänzte durch zuletzt starke Leistungen auf der Tour. | © Tristan Jones/LET

Beim LET-Event in Saudi-Arabien glänzte Chiara Noja mit einem Top-Ergebnis. Bei der Saisoneröffnung der Access Series in Frankreich schrammte sie ganz knapp am ersten Turniersieg als Profi vorbei. Wer ist Chiara Noja? Was hat sie vor? Mit wem trainiert sie? Golf.de hat den 16-jährigen Shootingstar interviewt.

Frau Noja, was bedeutet „Heimat“ für Sie?
Für mich bedeutet Heimat ein Gefühl der Zugehörigkeit; zu Hause ist dort, wo sich das Herz wohlfühlt.

Da Sie die DGV-Kader nicht durchlaufen haben, sind Sie für viele deutsche Golf-Fans noch etwas unbekannt. Erzählen Sie uns bitte kurz von Ihrem bisherigen Werdegang. Wie kam es zu den Umzügen nach London bzw. Dubai?
Meine Mutter nahm, kurz bevor ich in Deutschland eingeschult wurde, ein Job-Angebot in England an. Als Neunjährige spielte ich bereits mit einem Single-Handicap, mit zwölf Scratch und war im europäischen Ranking die beste Zwölfjährige. Mit 13 führte ich das europäische Ranking für U14 an und war im deutschen Jugendranking U18 in den Top 6. Ebenfalls war ich in meiner Altersklasse immer Top 3 im World Amateur Ranking inklusive viele Wochen im Jahr Nummer eins. Nachdem ich bereits mit 13 bei der R&A U18 Girls Amateur Championship 17. wurde und mit 14 bei den R&A Women’s Amateur Championship 9., wurde mir angeboten, englische Nationalspielerin zu werden. Das habe ich nach Rücksprache mit dem DGV angenommen, da ich aufgrund meines jungen Alters in Deutschland nicht auf allzu großes Interesse gestoßen bin.

Und wie kam das dann mit Dubai?
Da ich in England jeden Tag bis 16.30 Schule hatte und keine relevante Jugendförderung existierte, liebäugelten meine Eltern mit einem Umzug in ein wärmeres Land, da es meiner Familie finanziell nicht möglich war, mir teures Indoor- oder Auslandstraining zu finanzieren. Ziel war, mehr Zeit für Freunde etc. zu haben, was mit Schulzeiten bis 16.30 nicht möglich war. Meine Eltern entschieden sich Ende 2019 für Dubai. Leider wurden wir von der Pandemie sehr hart getroffen. Durch Botschaftsschließungen und Lockdowns endeten wir fast ein Jahr in Untermiete in Deutschland, da die UAE-Botschaft in Berlin für uns als deutsche Staatsbürger zuständig war und nicht die Vertretung in London. Dies hatte zur Folge, dass ich 2020 fast keine Turniere spielen konnte, da ich als englische Nationalspielerin nicht nach Großbritannien reisen konnte und gleichzeitig in Deutschland nicht für Einladungsturniere berücksichtigt wurde. Es gelang endlich im Oktober 2020, nach Dubai zu kommen.

In Saudi-Arabien glänzte die 16-Jährige mit einem Top-Resultat.
In Saudi-Arabien glänzte die 16-Jährige mit einem Top-Resultat. | © Tristan Jones/LET


Und dann sind Sie sehr früh ins Profilager gewechselt.
2021 entschied der englische Verband, alle Auslands-Turniere zu stornieren, was dazu führte, dass ich zum Beispiel coronabedingt kein Junior Solheim Cup-Qualifikationsturnier spielen konnte. Ich stand nach dem Erhalt von drei LET-Einladungen Ende 2021 vor der Entscheidung, diese als Amateur oder Profi zu spielen. Ich entschied mich, Profi zu werden und meine Eltern aus der Finanzierung meiner Golfkarriere auszuschließen. Es brach mir das Herz, meine Eltern 18 Stunden am Tag für mich arbeiten zu sehen. Sechs Monate später kann ich sagen, ich habe alles richtig gemacht. Hervorzuheben wäre, dass meine Eltern dagegen waren, aber ich meinen Dickkopf durchgesetzt habe.

Wie und durch wen kamen Sie überhaupt zum Golfspielen und welche anderen Sportarten betreiben Sie?
Meine Eltern spielten Golf und als Drei- bis Vierjährige nahmen sie mich regelmäßig am Wochenende mit. Ich fand Golf in jungen Jahren aber recht verwirrend und konzentrierte mich eher darauf, Cart fahren zu lernen oder auf der Range Häuser aus Regenschirmen, Schlägern und Handtüchern zu bauen. Da ich aber im Kindertraining immer das einzige Mädchen war, sah ich Ballett, Tanzen und Reiten bis zu meinem siebten Lebensjahr wichtiger.

Die jüngsten Erfolge auf der LET und der Access Series haben für Schlagzeilen gesorgt. Hat sich der Hype um Ihre Person in den vergangenen Wochen/Monaten verändert? Wenn ja, wie erleben Sie das?
Ich hatte den Vorteil, bereits seit meinem elften Lebensjahr europäische Elite-Damenturniere zu spielen, bei denen ich mich immer als Jüngste gegen ältere und erfahrenere Spielerinnen durchbeißen musste. Somit ist der Hype ein Teil von mir seit jungen Jahren, welcher Jahr für Jahr intensiver wurde.

Was konkret verbindet Sie aktuell noch mit Deutschland?
Ich bin in Deutschland geboren und ein großer Teil meiner Familie lebt dort. Natürlich fühle ich mich mit Deutschland verbunden und freue mich immer da zu sein. Aber nach neunjähriger Abwesenheit hat man nur noch zwei bis drei Freunde oder Freundinnen, mit denen man regelmäßigen Kontakt hat.

Was macht Chiara Noja eigentlich, wenn sie gerade nicht Golf spielt?
Ich lese viel, schwimme gerne und versuche, einfach so viel Zeit wie möglich mit meinen nicht golfenden Freundinnen zu verbringen.

Kennen Sie die anderen deutschen Damen auf der Tour? Tauscht man sich gegenseitig aus?
Auf der LET kenne ich nur Leonie Harm, da ich mit ihr eine Einspielrunde hatte; ansonsten kenne ich keine weitere deutsche LET-Spielerin persönlich.

Was sind mittel- bzw. langfristig Ihre sportlichen Ziele?
Nummer eins der Welt 2027.


Mit wem und wo trainieren Sie? Gibt es Kontakt zum deutschen Bundestrainer?
Ich trainiere in Jumeirah, aber mein Trainerteam, das Vollzeit mit PGA Tour-Spielern arbeitet, ist in den USA und England und seit 2018 unverändert. Lediglich beim Putten hat es eine Änderung vor zwei Wochen gegeben, da mein Team um Mike Kanski und Phil Kenyon erweitert wurde.  Ich hatte noch nie persönlichen Kontakt zu einem deutschen Bundestrainer.

Sie werden die Athletik betreffend immer wieder mit Nelly Korda oder Michelle Wie verglichen. Sehen Sie ebenfalls Parallelen? Sind das Vorbilder für Sie?
Die Verbindung zu Nelly kommt glaube ich aufgrund der Haarfarbe und Statur zustande, und zu Michelle durch die Größe und ihres damals jungen Alters. Natürlich sind beide eine Inspiration und Vorbilder, aber golferisch gehe ich meinen eigenen Weg und schaue nicht auf andere.

Verraten Sie uns bitte noch, wie Sie in Dubai leben. Wo gehen Sie zur Schule?
Ich lebe mit meinen Eltern in Dubai unweit von Jumeirah Golf Estates und gehe bis 2025 in eine englische Schule, die ein Golf-Förderprogramm beinhaltet. Ich habe täglich bis 12 Uhr Schule, und während Turnierwochen werden für mich die Unterrichtsstunden auf Video aufgezeichnet.

Welcher ist Ihr Lieblingsschlag/-schläger und woran bzgl. Ihres Spiels sollten Sie Ihrer Meinung noch arbeiten?
Eigentlich habe ich 14 Lieblingsschläger im Bag. Die größte Arbeit habe ich mit meinem Putter vor mir, der mich noch zu viele Schläge pro Runde kostet. Das beunruhigt mich aber nicht, da es Spätfolgen meiner recht jungen Karriere sind, wo ich Wetter und Tageslicht bedingt vier bis fünf Monate im Jahr kein Putting-Green nutzen konnte.

Wie sieht für Sie die perfekte Vorbereitung auf ein Turnier aus? Welche Routinen haben Sie?
Ich bin da etwas wie Sergio Garcia, der sich mehr auf vergleichbaren Plätzen einspielt statt zu viel Technik trainiert. Da ich meinen Golfschwung bereits als Zwölfjährige gefunden habe, trainiere ich meine Technik nicht wirklich viel und stabilisiere diese lediglich. Okay, das gilt nicht fürs Putten.

Ihre bisher tiefste Runde war?
Fünf- oder sechsmal auf verschiedenen Golfplätzen -8 von Gelb – inklusive im Heitlinger Golf Resort, im Buckinghamshire GC und auf dem Fire von Jumeirah.

Golf.de bedankt sich für das Interview und wünscht viel Erfolg in der Saison 2022!

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