Nachruf

Elder: Aus dem Ghetto nach Augusta


1. Februar 2022 , Daniel Dillenburg


Kämpfte sich allen Widerständen zum Trotz nach Augusta: Lee Elder.
Kämpfte sich allen Widerständen zum Trotz nach Augusta: Lee Elder. | © Andy Lyons /Allsport

Im November 2021 geht mit Lee Elder einer der Pioniere im Kampf für Gleichberechtigung und gegen Rassismus von uns. Sein Masters-Debüt 1975 bleibt unvergessen.

1934 wurde Golfgeschichte geschrieben. Im Augusta National Golf Club fand die Erstaustragung des inzwischen ikonischen Masters Tournaments statt. Das Turnier, bei dem der Sieger das berühmte grüne Jackett überstreifen darf, entwickelte sich schnell zu einem der bedeutendsten Golfevents der Welt. Im Jahr der Premiere kam ein Mann auf die Welt, der 41 Jahre später seine ganz eigene Geschichte in Augusta schreiben sollte.

Der Weg dorthin war für den in Dallas geborenen Lee Elder ein langer; ein langer Weg voller Hindernisse und Anfeindungen. Gleichzeitig war die Reise durch sämtliche Täler des Rassismus notwendig, um Spielern wie Tiger Woods ihren Weg in den Golfolymp zu ebnen. Ende November 2021 ging Elder im Alter von 87 Jahren von uns. Sein Vermächtnis darf niemals in Vergessenheit geraten. Auch weil es aufzeigt, welch großen Einfluss ein einzelner Mensch auf eine gesamte Sportart haben kann.

Durfte sich irgendwann in seiner Karriere mit Legenden wie Sam Snead messen: Lee Elder.
Durfte sich irgendwann in seiner Karriere mit Legenden wie Sam Snead messen: Lee Elder. | © Ric Clarson/PGA TOUR Archive


Blickt man auf Elders Werdegang, so erschien eine erfolgreiche Profikarriere auf der PGA Tour lange Zeit utopisch. Der Texaner war Sohn einer zwölfköpfigen Familie, deren Vater Charles während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und deren Mutter Almeta wenige Monate später verstarb. Elder war zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt und zog mit seinen Geschwistern anschließend von Ghetto zu Ghetto, ehe er sich irgendwann in die Obhut einer Tante in Los Angeles begab.

Dort besuchte er dann auch die High School – zumindest für zwei Jahre. Denn Elder schwänzte häufiger mal die Schule, um seinem Job nachzugehen. Der Teenager heuerte als Caddie an, arbeitete in Pro Shops und kümmerte sich um die Sauberkeit der Club-Umkleidekabinen. Der Golfsport war schon früh ein Teil von Elders Leben. Nur bis er selbst zum Schläger greifen durfte, dauerte es eine Weile.

Eine Runde mit Boxstar bringt Karriere ins Rollen

Erst als Elder im Alter von 16 Jahren nach Dallas zurückkehrte und dort im kommunalen Tenison Club weiter seiner Passion nacheiferte, bot sich ihm die Möglichkeit, einige Runden zu drehen. Zu verdanken hatte er dies einem dortigen Club-Pro namens Erwin Hardwicke, für den die Herkunft einer Person keine Rolle spielte. So beschrieb es zumindest einst Lee Trevino, der ebenfalls im Tenison Club aktiv war.

Dass Elder mit jeder Menge golferischem Talent gesegnet war, wurde ziemlich schnell deutlich. Hinzukamen die unzähligen Stunden als Caddie, in denen er allein durch das Zuschauen und Teilhaben an Golfrunden hinzulernte. Im Alter von 18 Jahren nahm Elders Karriere so langsam Fahrt auf. Nach einer Runde mit dem Schwergewichtsboxer Joe Louis, nahm ihn dessen Trainer Ted Rhodes unter seine Fittiche. Rhodes sammelte bereits Major-Erfahrung und wurde bekannt als der erste afroamerikanische Profigolfer.

Elder fand in Alvin Thomas, auch bekannt als „Titanic“ Thompson, einen weiteren wichtigen Unterstützer. Der berüchtigte Zocker und Wettliebhaber arbeitete mit dem aufstrebenden jungen Golfer zusammen und machte sich dessen golferischen Fähigkeiten zunutze. Thomas ließ Elder, getarnt als sein Caddie, in Matches antreten und setzte dort auf den von Rhodes trainierten Schützling, um anderen weißen Golfern das Geld aus der Tasche zu ziehen - sie zu versenken wie die Titanic eben.

Lee Elder war mit golferischem Talent und einem farbenfrohen Kleidungsstil gesegnet.
Lee Elder war mit golferischem Talent und einem farbenfrohen Kleidungsstil gesegnet. | © Augusta National/Getty Images


Diese konnten meist nicht glauben, dass sie im Golf jemals gegen einen Afroamerikaner verlieren würden. Im Gegenzug zahlte Thomas Elder Antrittsgelder für lokale Turniere. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Elder trat nach zwei Jahren in der U.S. Army, wo er dank eines golfbesessenen Colonels die Möglichkeit hatte, weiterhin in Schwung zu bleiben, der United Golf Association Tour für schwarze Golfer bei. Bis zum Beginn der Sechzigerjahre war die PGA nämlich noch der „Kaukasischen Rasse“ vorbehalten. Eine Regelung, die 1961 ausgesetzt wurde.

Historisches Golfereignis in Südafrika

Doch bis Elder den Sprung auf die PGA Tour schaffe, verstrichen einige Jahre auf der UGA Tour. Weniger als die spielerischen Fähigkeiten, fehlte ihm schlichtweg das nötige Kleingeld, um sich für die Qualifying School anzumelden. 1967 war es dann soweit: Elder legte genügend Preisgeld beiseite und sicherte sich die PGA-Tourkarte.

Der Rookie machte schnell auf sich aufmerksam und lieferte sich bei der American Golf Classic ein denkwürdiges Playoff gegen Jack Nicklaus. Dem damals bereits mit sieben Major-Titeln bestückten „Golden Bear“ bot Elder ein knappes Duell, das am fünften Extra-Loch zu Ungunsten des Tour-Neulings entschieden wurde. Doch Elder, zu diesem Zeitpunkt 34 Jahre alt, war dank dieses Auftritts vor einem Millionenpublikum an den TV-Geräten auf der großen Bühne angekommen.

Waren gute Freunde: Lee Elder und Gary Player.
Waren gute Freunde: Lee Elder und Gary Player. | © PGA of America via Getty Images


Drei Jahre später gewann Elder die Nigerian Open, woraufhin er von Gary Player zu bedeutenden Turnieren in dessen Heimatland Südafrika eingeladen wurde. Damit nahm zum ersten Mal in der Geschichte ein schwarzer Golfer an der südafrikanischen PGA Championship teil. Zuvor stellte Elder die Bedingung, dass die Apartheid-Behörden ihre Rassentrennung von Zuschauern für dieses Event lockerten. Seit 1948 durften damit erstmals wieder alle Menschen, obgleich ihrer Ethnie, ein professionelles Golfturnier in Südafrika besuchen.

Eine Tür aber blieb Elder, wie auch etlichen anderen schwarzen Golfern vor ihm, für viele Jahre weiter verschlossen. Im Gegensatz zur US Open, wo er 1966 debütierte, oder der PGA Championship (1969) stand ein Start beim Masters Tournament nicht zur Debatte. Die Erklärung des damaligen Mitbegründers des Augusta National Clubs in Georgia, Cliff Roberts, der 1933 sagte, dass in Augusta „alle Golfer weiß und alle Caddies schwarz sein werden“, hatte auch noch nach Elders ersten Jahren auf der Tour Bestand.

Mit der 1971 in Kraft getretenen Regelung, dass alle Gewinner eines PGA-Tour-Events für das Masters spielberechtigt waren, gab man endlich auch schwarzen Golfern die Möglichkeit, sich für das Major zu qualifizieren. Elder sicherte sich sein Ticket dank seines ersten Titelgewinns bei der Monsanto Open 1974. Ausgerechnet bei diesem Event in Florida mussten sich afroamerikanische Profis, darunter auch Elder, sechs Jahre zuvor noch auf dem Parkplatz umziehen, da ihnen der Zutritt zum Clubhaus verwehrt wurde.

Spalier am 18. Fairway von Augusta

1975 wurde dann endlich eine der größten ethnischen Hürden im Profigolf überwunden: Elder trat als erster schwarzer Golfer beim Masters an. Und auch wenn er von der Mehrheit der Fans bei diesem historischen Moment auf Zuspruch stieß, verlief das Masters-Debüt nicht ohne Hindernisse. Neben Morddrohungen, die Elder im Zuge der Woche erreichten, mietete der Debütant auch zwei Häuser an, um es möglichen Angreifern schwerer zu machen, ihn aufzuspüren.

Lee Elder war beim Masters 1975 der Zuschauermagnet.
Lee Elder war beim Masters 1975 der Zuschauermagnet. | © Augusta National/Getty Images


Im Trubel des großen medialen Rummels und der ständigen Begleitung einer persönlichen Leibgarde, verpasste Elder den Cut, was die Bedeutung seines Auftritts jedoch nicht schmälern sollte. „Ich erinnere mich daran, gedacht zu haben: ‚Wie soll ich abschlagen, ohne einen Zuschauer zu treffen‘“, erklärte er in der New York Times 2000. Die dicht gedrängten Zuschauer wollten Zeuge werden, wie am ersten Tee von Augusta Geschichte geschrieben wird.

Trotz des verpassten Cuts kamen Elder in der zweiten Runde auf dem Weg zum 18. Grün die Tränen. „Die meisten Mitarbeiter waren schwarz und als ich das 18. Fairway entlangging, legten sie ihre Arbeit nieder und stellten sich in einer Reihe auf. Von all der Anerkennung, die mir in diesen Tagen entgegenkam, bedeutete mir dieser Moment am meisten.“

Der Augusta National Golf Club begrüßte Elder fünf weitere Male als Spieler. Sein bestes Ergebnis erreichte er 1979, als er geteilter 17. wurde. Zu diesem Zeitpunkt war Elder bereits viermaliger PGA-Tour-Sieger. Zudem spielte er in diesem Jahr als erster schwarzer Golfer im Team der US-Amerikaner mit. Seine Profikarriere ließ Elder erfolgreich auf der Senior PGA Tour ausklingen, wo er zwischen 1984 und 1988 acht Titel holte.

Lee Elder sprach Tiger Woods vor der Finalrunde des Masters 1997 Mut zu.
Lee Elder sprach Tiger Woods vor der Finalrunde des Masters 1997 Mut zu. | © Augusta National/Getty Images


Einem weiteren historischen Moment in Augusta wohnte der als Pionier in die Golfgeschichte eingegangene Elder 1997 bei, als er Zeuge des ersten schwarzen Masters-Siegers wurde. Woods, der Spielern wie eben Elder oder auch Charlie Sifford, seine Karriere verdankt, bekam noch vor seinem Major-Triumph in Augusta Mut von seinem Vorbild zugesprochen. „Lee Elder kam zu mir; das hat mir viel bedeutet“, so der 15-malige Major-Sieger rückblickend. „Er war der erste. Er war derjenige, zu dem ich aufgeschaut habe.“

„Im Herzen sind alle Menschen gut“

Gemeinsam mit seiner ehemaligen Ehefrau Harper engagierte sich Elder bereits zu seiner aktiven Zeit für verschiedenste wohltätige Zwecke. 1974 gründete das Paar den Lee Elder Scholarship Fund, um finanziell benachteiligten Kindern eine College-Ausbildung zu ermöglichen. Elder sagte einst: „Ich glaube tief im Herzen sind alle Menschen gut. Wenn du Menschen so behandelst, wie du behandelt werden möchtest, dann kommen sie irgendwann auf dich zu.“

Elder setzte sich für eine bessere, gerechtere Welt ein und seine primäre Sprache war sein Golfspiel. Es gelang ihm Barrieren zu überwinden, die aus heutiger Zeit nicht mehr vorstellbar sind. Doch blickt man zurück, so liegen diese Errungenschaften nicht so lange zurück, wie man vielleicht meinen könnte. Nicht nur Woods oder andere schwarze Golfer haben Elder vieles zu verdanken.

Sein Lebenswerk sticht in der Golfgeschichte heraus und so wurde ihm im April 2021 eine große Ehre zuteil, als er an der Seite der Legenden und zugleich seiner Wegbegleiter Player und Nicklaus an der traditionellen Eröffnungszeremonie beim Masters teilnahm. Etwa sieben Monate vor seinem Tod erlebte Elder so noch einen der „emotionalsten Momente“ seines bewegten Lebens. Und der einstige Junge aus dem Ghetto von Dallas hatte ihn sich mehr als verdient.

Die Honorary Starter beim Masters 2021: Lee Elder, Gary Player und Jack Nicklaus.
Die Honorary Starter beim Masters 2021: Lee Elder, Gary Player und Jack Nicklaus. | © Kevin C. Cox/Getty Images