EverGreens

Das Chinesische an Brandenburg


20. März 2024 ,


EverGreens-Berlin-Special
EverGreens-Berlin-Special | © Berliner G&CC Motzener See

Reiseexperte Wolfgang Weber beleuchtet in seiner neuen EverGreens-Reportage den Berliner G&CC Motzener See und das Chinesische an Brandenburg.

Zugegeben - „das Chinesische“ am Berliner Golf & Country Club Motzener See springt dem Besucher auf den ersten und auch den zweiten Blick nicht unmittelbar ins Auge. Und doch steckt, historisch und verkehrstechnisch betrachtet, ein „gutes Stück Hong Kong“ in der schönen und anspruchsvollen Golfanlage 25 Kilometer südlich des Berliner Flughafens BER. Darüber hinaus führt auch, was die Eigentumsverhältnisse angeht, eine Spur aus dem märkischen Sand direkt bis in die einstige britische Kronkolonie in Fernost. Doch dazu kommen wir später… 

Text: Wolfgang Weber

Bei genauem Hinsehen haben der berühmte, altehrwürdige Hong Kong Golf Club in Fanling, der sich „Royal“ nannte, als in der Sieben-Millionen-Metropole an der Mündung des Perlflusses ins Chinesische Meer noch der Union Jack des Vereinigten Königreichs wehte, und der gut 100 Jahre jüngere Berliner G&CC Motzener See eine Gemeinsamkeit, die sie von so gut wie allen anderen Golfanlagen auf der Welt unterscheidet: für beide wurde eigens ein Bahnhof gebaut, damit Golfer sie mit Sonderzügen erreichen konnten. Wobei freilich das Ganze in der südchinesischen Metropole eine etwas andere Dimension und vor allem eine größere Nachhaltigkeit hatte als in dem gerade mal 1280 Einwohner zählenden Dorf im Landkreis Dahme-Spreewald in Brandenburg. 

Sonderzug für „Gentlemen-Golfer“

Machen wir einen Zeitsprung - Hong Kong vor rund 120 Jahren: Als die Macher des in der Repulse Bay auf Hong Kong Island 1889 gegründeten, auf neun Löcher beschränkten ersten Golfclubs der Kronkolonie aus Platzgründen ihre Fühler ausstreckten nach Golfplatz-tauglichem Gelände im Norden der New Territories, gaben sie einen mitentscheidenden Impuls für den Bau der wirtschaftlich immens wichtigen, 1910 in Betrieb genommenen Kowloon-Kanton-Railway. 

Eigens für die anspruchsvollen Gentlemen-Golfer aus der Mega-City wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts komfortable Salonwagen an die regulären Züge nach Kanton (heute Guangzhou) angehängt und in der ebenso speziellen wie formidablen Railway-Station am Golfplatz in Fanling abgekoppelt. Ohne die exquisite, später auf drei Meisterschaftsplätze erweiterte Golfanlage nahe der Grenze zum chinesischen Mutterland und ihre einflußreichen Nutzer fast ausschließlich britischer Provenienz hätte es die Bahnlinie vielleicht nie gegeben. 

Der 1993 offiziell eröffnete Berliner G&CC Motzener See seinerseits wäre in seinen Kindheitstagen ohne kräftiges Zutun der Deutschen Bahn womöglich nicht viermal in Folge, von 1994 bis 1997, Austragungsort der German Masters geworden - und damit auf Anhieb eine der bekanntesten und renommiertesten Golfanlagen in ganz Deutschland. Und auch hier wäre ohne unterstützende Einflußnahme von ganz oben nichts gegangen. 

Erst die Rote Armee, dann Golffans

Als Bernhard Langers Bruder Erwin als Turnierchef sich anschickte, die komplette Golf-Weltelite erstmals für ein Top-Event in den deutschen Osten zu locken, traf es sich gut, daß der in Berlin bestens vernetzte damalige Deutsche-Bahn-Vorstand Heinz Dürr dem Grünen Sport ausgesprochen zugetan war. „Ich brachte nun die Idee auf, vom Bahnhof Zoo mit einem Sonderzug nach Motzen auf den Golfplatz zu fahren“, erinnerte sich der Ex-Bahnchef in einem Grußwort zum 25-jährigen Golfclub-Jubiläum nicht ohne Stolz, „dazu mußte die Strecke hergerichtet, insbesondere die Wucherung von Bäumen beseitigt und ein Bahnsteig in Motzen errichtet werden.“ 

Es wurde eine ziemlich imposante, einer internationalen Vorzeige-Veranstaltung durchaus würdige provisorische Bahnstation, die da auf Dürrs Geheiß unweit des Clubhauses gezimmert wurde - an einer fast vergessenen, zuvor nur militärisch genutzten Bahnstrecke: über eben dieses Bahngleis hatten wenige Wochen zuvor, Ende August 1994, Transportzüge der ehemals Roten Armee die letzten russischen Besatzungstruppen samt Panzern und anderem schweren Militärgerät aus der nahen Garnisonsstadt Wünstorf abgeholt - das endgültige Ende der Nachkriegszeit auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. 

Trotz Heinz Dürrs persönlichem Engagement wäre der schöne Plan, die bei dem golferischen Großevent erwarteten Besuchermassen mit Pendelzügen in weniger als einer Stunde Fahrzeit aus der Berliner City nach Motzen zu schaffen, fast noch geplatzt. Erst am Tag vor der ersten Turnierrunde fiel den Bahn-Verantwortlichen auf, daß die Sonderzüge auf der für den Normalverkehr schon lange nicht mehr genutzten Strecke zehn unbeschrankte Bahnübergänge würden passieren müssen. Laut strenger Vorschriften hätte das bedeutet: zehnmal abbremsen auf lächerliche zehn Stundenkilometer. Die Folge: nahezu eine Verdoppelung der Fahrzeit. Die golffreundliche Dürr‘sche Investition drohte zur Lachnummer zu werden. 

Doch der Bahnchef hatte eine weitere gute Idee - und die persönliche Telefonnummer von Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe. Der ums internationale Renommée der Mark Brandenburg bemühte Landesvater verfügte kurzerhand, an allen Turniertagen an jedem der ungesicherten Bahnübergänge einen Streifenwagen mit zwei Polizisten zu platzieren und so die Verkehrssicherheit zu garantieren. Freie Fahrt für die Golffans! Rund 40.000 kamen zur Premiere und erlebten den knappen Sieg des Spaniers Severiano Ballesteros vor dem lange führenden Südafrikaner Ernie Els. 

„Golfplatz der Superlative“

Die Zuschauerzahl war durchaus respektabel für ein Golf-Entwicklungsland wie den deutschen Osten kurz nach der Wiedervereinigung, aber nicht wirklich ausreichend für ein Turnier dieses Kalibers, bei dem die komplette Golf-Weltspitze an den Start ging. Weil auch in den Folgejahren die erhofften ganz großen Zuschauermassen - trotz Sonderzügen der DB zum Golfplatz in Motzen - ausblieben, zogen die German Masters 1998 wieder um in den Westen, nach Lärchenhof bei Köln. Ausgerechnet am Rhein waren ein paar Jahre zuvor die Weichen für ein Investment gestellt worden, das in jeder Hinsicht alle anderen Golfprojekte in den Neuen Bundesländern überstrahlen sollte. Die Bosse der nordrhein-westfälischen Niederlassung des seinerzeit größten deutschen Baukonzerns Philipp Holzmann begeisterten sich für die Idee, etliche Millionen in einen „Golfplatz der Superlative“ vor den Toren Berlins zu investieren, in eine Spielwiese der Sonderklasse, auf der die finanzstarke hauptstädtische Elite „Golf in seiner schönsten Form“ würde genießen können. 

Mit exakt dieser Diktion wirbt der Berliner G&CC Motzener See bis heute auf seiner Homepage; und niemand würde dem hohen Qualitätsanspruch der Anlage ernsthaft widersprechen. Die 18 Bahnen, die Kurt Rosskopf Anfang der Neunziger Jahre in die naturbelassene märkische Landschaft oberhalb des Motzener Sees gezaubert hat, verdienten sich nicht von ungefähr den sofortigen Respekt der Seve Ballesteros, Ernie Els, Nick Faldo, Colin Montgomerie & Co. 

Der Golfplatz in Motzen mit dem imposanten Clubhaus und seiner herrlichen Panorama-Sonnenterrasse gehört unwidersprochen zur Crème de la Crème unter den deutschen Golfanlagen.

Golfplatz der Superlative
Golfplatz der Superlative | © Berliner G&CC Motzener See


„Invasion der reichen Wessis“

Und doch ging es wirtschaftlich und auch imagemäßig erst mal gründlich schief, nachdem der Club 1991 - als einer der ersten in ganz Brandenburg - als Kommanditgesellschaft auf Aktien aus der Taufe gehoben worden war. Der öffentlich demonstrierte elitäre Anspruch wurde durch einen ausgesprochen selektiven Aktienkurs untermauert: Im Vorfeld der mit viel Brimborium angekündigten German Masters auf dem noch jungfräulichen, 1992 fertiggestellten Meisterschaftskurs wurden als Eintrittsgeld in den Golf & Country Club stolze 60.000 D-Mark aufgerufen. Doch nur enttäuschend wenige Berliner und noch weniger Brandenburger waren bereit, eine so stattliche Summe auf den Tresen zu legen. 

Daß die „Invasion der reichen Wessis“ in Motzen und Umgebung, also mitten im gerade erst abgewickelten Arbeiter- und Bauernstaat, keine ungeteilte Begeisterung auslösen würde, hätte man ahnen können. Die weit verbreitete Stimmung der Landbevölkerung goß der im Osten bekannte Liedermacher Reinhard Lakomy 1993 in dem Spott-Lied „Golf in Motzen“ in beißend sarkastische Verse: „Wer jetze richtig Knete hat, der will auch richtig protzen. Doch fährt er nicht nach sonst wohin - nein, er spielt Golf in Motzen. Da war mal eine LPG mit Feld und Stall und Scheune, doch jetzt ist Motzen Golfgebiet und nix für arme Schweine...“

Ähnlich den vom „Kanzler der Einheit“, Helmut Kohl, versprochenen „blühenden Landschaften“, die vielerorts wesentlich länger brauchten, als in der ersten Wende-Euphorie erhofft, kam auch der anfängliche Golf-Boom rund um Berlin zeitweise arg ins Stocken. Auch Motzen blieb davon nicht verschont. Denn was niemand für möglich gehalten hatte, geschah: Der Global Player im Baugeschäft, Philipp Holzmann, geriet innerhalb kurzer Zeit in eine derartige finanzielle Schieflage, daß selbst ein von Bundeskanzler Gerhard Schröder Ende der Neunziger Jahre angeschobenes milliardenschweres Rettungspaket des Bundes den krachenden Konkurs im Jahr 2002 nicht mehr verhindern konnte. Dem G&CC am Motzener See kam schleichend, aber unabwendbar der Hauptinvestor abhanden. 

Neuer Eigner aus Hong Kong

Bereits im April 1994 – also schon vor den ersten German Masters in Brandenburg -  sah sich der Club als Pächter der Golfanlage gezwungen, einen Kurswechsel einzuleiten - weg von einem Klima der Selbstüberschätzung, hin zu mehr Realitäts-sinn. „Wir trennen uns von dem Anspruch, elitär zu sein; wir wollen stattdessen anspruchsvoll und sympathisch sein“, gab der damals neu gewählte Clubpräsident die neue Richtung vor. Worte, denen auch Taten folgten: Aktienpreis runter, Mitgliederzahl steil nach oben - mittlerweile „Wessis“ und „Ossis“ gleichermaßen.

Dafür, daß dieser Erfolgskurs nachhaltig beibehalten wird, sorgt seit nunmehr zweieinhalb Jahrzehnten ein neuer Mehrheitseigner mit Hauptsitz im fernen Hong Kong und mit viel Know-how in Sachen Club- und Golfmanagement. Die von dem in Amerika und Asien überaus erfolgreichen Hotelmanager Dieter Klostermann 1982 gegründete und heute gemeinsam mit seinem Sohn Alexander geleitete Managementgesellschaft CCA International übernahm Ende der neunziger Jahre das schlingernde Schiff am Motzener See und brachte es wieder in ruhiges Fahrwasser. 

CCA managt heute den globalen Verbund International Associated Clubs (IAC), dem rund 250 private Mitglieder-Clubs auf allen fünf Kontinenten angehören. Zu diesem weltweiten Netzwerk zählen exklusive City- und Business-Clubs wie der Berlin Capital Club im Herzen der Hauptstadt ebenso wie rund drei Dutzend renommierte Golfclubs von Irland und Italien über Mauritius und Südafrika bis Neuseeland. In Deutschland zählen neben der Anlage am Motzener See der Golfclub Beuerberg beim München und der Country Club Schloss Langenstein am Bodensee zum weiter wachsenden CCA-Verbund, dessen Europa-, Nahost- und Afrika-Geschäft vom Gründer und Geschäftsführer des Berlin Capital Club, Manfred Gugerel, geleitet wird. 

Besonders sympathisch für Mitglieder und Gastgolfer wurde Motzen, das längst zur Wertegemeinschaft der Leading Golf Clubs in Deutschland zählt, durch die Erweiterung des Championship-Course auf 27 Löcher im Jahr 2013. Auch für das Design der neuen neun Bahnen zeichnete Kurt Rossknecht verantwortlich; und mit den Waldschneisen im für die Mark typischen Kiefernwald gelang ihm ein weiteres spektakuläres Meisterwerk. Insbesondere ein stolze 603 Meter langes Par 5 mit Dogleg links stellt eine der größten und zugleich schönsten Herausforderungen für alle Longhitter in ganz Berlin/Brandenburg dar. 

Keine Sonderzüge mehr

Die lange geplante Platzerweiterung auf drei absolut gleichwertige, beliebig kombinierbare 9-Löcher-Runden auf hohem Niveau, die sich äußerst großzügig auf 130 Hektar ausbreiten, war aus Sicht von Manfred Gugerel „eine absolute wirtschaftliche Notwendigkeit“. Seither können auf dem exquisiten Golfgelände südlich der Hauptstadt deutlich mehr Gastturniere ausgetragen werden, ohne die inzwischen weit über tausend Mitglieder zu vergraulen. Ein Turnier von der Dimension der einstigen German Masters ist freilich weit und breit derzeit nicht in Sicht. Züge werden wohl so bald nicht wieder nach Motzen zum Golfplatz fahren - im krassen Gegensatz zur weiterhin vielbefahrenen Bahnstrecke von Kowloon nach Guangshou mit obligatorischem Zwischenstopp in Fanling unweit des Hong Kong Golf Club. Aber einen „klitzekleinen“ Unterschied sollte es ja auch noch geben dürfen zwischen Hong Kong am Chinesischen Meer und Motzen am gleichnamigen idyllischen Badesee irgendwo in Brandenburg. ([email protected], [email protected]

Die ganze Geschichte erzählt die neueste Episode des Golfreise-Podcasts „EverGreens“. Den Podcast unseres Autors Wolfgang Weber finden Sie bei Spotify, Apple Podcast, Deezer, überall sonst, wo es gute Podcasts gibt - auch auf golf.de und auf der Webseite www.ever-greens.de