Anne Jakob

„Einzeln sind wir stark, gemeinsam unschlagbar“


6. Dezember 2023 , Thomas Kirmaier


Prof. Dr. Anne Jakob ist Fachanwältin für Sportrecht und gehört seit April 2023 dem Präsidium des Deutschen Golf Verbandes an.
Prof. Dr. Anne Jakob ist Fachanwältin für Sportrecht und gehört seit April 2023 dem Präsidium des Deutschen Golf Verbandes an. | © Franz Josef

Sie ist eine von zwei Frauen im Präsidium des Deutschen Golf Verbandes. Golf.de hat mit Prof. Dr. Anne Jakob über Herausforderungen, Mitbestimmung, Akzeptanz, den Ryder Cup und Liebe auf den zweiten Blick gesprochen.

Frau Jakob, Sie kommen ursprünglich aus der Leichtathletik und waren Leistungs-Schwimmerin. Wann, wo und wie begann Ihre Leidenschaft für Golf?
Meine erste Erfahrung im Golf war ein Schnupperkurs im Jahr 2010. Dieses Schnuppern hat mir gar nicht gefallen und es dauerte bis 2013, bis ich wieder mit Golf in Berührung gekommen bin. Eine Freundin hat mich mit auf eine Driving Range genommen. 7er Eisen, der Ball flog… Die Leidenschaft war geweckt. Es war also eher Liebe auf den zweiten Blick.

Seit gut einem halben Jahr gehören Sie dem DGV-Präsidium an. Vor welchen großen Herausforderungen steht der Golfsport in Deutschland? Welche Vision verfolgen Sie mit dem DGV bzw. welche sind Ihre Schwerpunkt-Themen?
Als größte Herausforderungen sehe ich drei Themen: 1. Die Transformation des Verbandes aus der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft. Leider verharren wir meiner Meinung nach noch zu sehr im Gestern. 2. Die wirtschaftliche Stabilisierung. Ohne eine solide Finanzpolitik kann es keinen Erfolg geben. 3. Optimierung der Außenwahrnehmung des Verbandes. Es entspricht nicht der Realität, wie wir als Golfsport und -verband von außen bewertet werden. Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir viele Themen angehen: digitale Transformation, Finanzen, Kommunikation, Interessenvertretung usw. Ich denke, da können wir noch einiges verbessern.

Wie sehen Sie die Golfclubs in Deutschland aufgestellt, wenn es um die angesprochenen Herausforderungen geht? Was kann bzw. muss der DGV tun, um die Clubs nachhaltig zu unterstützen?
Das gilt es gemeinschaftlich zu erarbeiten. Wir sollten klare Ziele definieren und Wege vereinbaren, wie wir zu diesen Zielen gelangen. Dazu sind Kompromisse auf beiden Seiten erforderlich. Wir werden das im Präsidium zeitnah diskutieren. Vor allem würde ich mich freuen, wenn die Clubs das Potenzial der Mitbestimmung stärker nutzen würden. Nicht immer nur nach oben zeigen und schimpfen, sondern von „Die da oben“ zu einem „Wir“ kommen. So heterogen die Stakeholderstruktur auch ist: Die Ziele können nur im Vierklang zwischen Funktionären, Landesverbänden und Klubs sowie allen anderen Mitgliedern erreicht werden.

Als Sportrechtlerin haben Sie auch Einblick in andere deutsche Sportverbände. Wo steht Golf im nationalen Vergleich, wenn es um gesellschaftliche Akzeptanz, Fördergelder oder mediale Sichtbarkeit geht?
Hier gilt es zu unterscheiden zwischen dem, wo Golf als Sportart und wo der DGV als Verband steht. Sportlich sind wir erfolgreicher als andere olympische Verbände, und das ohne Förderung durch Steuergelder. Das haben der DGV und seine Mitglieder aus eigener Kraft hinbekommen, und darauf können sie stolz sein. Bei der gesellschaftlichen Akzeptanz geht noch was. Uns als Sportart und Verband zu synchronisieren und zielgerichtet sowie selbstbewusst in die Zukunft zu führen, ist eine Kernaufgabe. Die mediale Sichtbarkeit war in der letzten Zeit recht hoch, bezog sich aber immer nur auf Klimaschutz und Biodiversität. Alle anderen großen Vorzüge des Golfsports wie Gesundheit, Einbindung in eine Gemeinschaft, Lebensqualität bis ins hohe Alter und Vielfalt der Bewegung kommen viel zu kurz.

Der nächste DGV-Verbandstag findet am 26./27. April 2024 in Frankfurt statt.
Der nächste DGV-Verbandstag findet am 26./27. April 2024 in Frankfurt statt. | © Rafael Herlich


Sie sind eine von zwei Frauen, die im April 2023 ins DGV-Präsidium gewählt wurden. Warum gibt es an der Spitze der Verbände bzw. der Clubs oder auch in Top-Positionen in der Wirtschaft immer noch so wenige Frauen?
Diese Fragen zu beantworten, ist Aufgabe der Gesellschaft. Meine Meinung ist da nachrangig. Ich freue mich sehr darüber, dass ich Mitglied im Präsidium des DGV bin und helfe gerne dabei, die Aufgaben im Sinne der Satzung und der Beschlüsse der Mitgliederversammlung zu erfüllen. Gern können sich für die nächste Wahlperiode mehr Frauen um einen Sitz im Präsidium bewerben, das aktuelle Präsidium sehe ich für die anstehenden Aufgaben aber bestens aufgestellt.

Sie sprachen davon, dass Nachhaltigkeit nicht nur grüne Themen umfasst. Was konkret meinen Sie damit?
Für mich spielt sich Nachhaltigkeit auf drei Ebenen ab. 1. Ökologische Nachhaltigkeit. 2. Soziale Teilhabe 3. Zukunftsorientiert. Die Bedürfnisse der Gegenwart müssen so gestaltet werden, dass die Möglichkeiten künftiger Generationen nicht eingeschränkt bzw. möglichst positiv beeinflusst werden. Auf allen drei Ebenen gibt es gute Ansätze im Golfsport. Diese gilt es weiter zu entwickeln und zu kommunizieren, damit die gesellschaftliche Relevanz des Golfsports endlich eine angemessene Wertschätzung erfährt. Dazu zählt aber auch, das Personal in den Klubs und im Verband auf feste Füße zu stellen, so dass Kontinuität stets gewahrt bleibt.

Im deutschen Golf gibt es mehrere Verbände. Wird da noch zu viel gegeneinander und zu wenig miteinander im Sinne des Golfsports agiert?
Gewiss müssen wir unsere Synergien bündeln, um so eine möglichst große Schlagkraft zu entwickeln. Die Individualitäten der einzelnen Verbände soll dabei trotzdem gesichert bleiben. Einzeln sind wir stark, aber gemeinsam könnten wir unschlagbar werden. Davon bin ich überzeugt. Erste Schritte gehen wir bereits.

Sie haben zahlreiche Dopingfälle, Transfergeschäfte oder Schiedsverfahren begleitet. Erzählen Sie uns von einem Ihrer kuriosesten Fälle?
Ich denke, Sie sehen es mir nach, wenn ich an dieser Stelle nicht über meine Fälle rede. Es geht hier und heute um den Golfsport. Besonders herausfordernd aber auch reizvoll waren und sind meine Beratungsmandate im Zusammenhang mit Sportgroßveranstaltungen wie etwa für die Leichtathletik-WM 2009 in Berlin oder jetzt die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Schon deshalb würde mir ein großes internationales Golfsportevent wie etwa der Ryder Cup in Deutschland riesigen Spaß machen - egal, in welcher Funktion.

Was macht Anne Jakob, wenn sie gerade nicht Sport treibt oder arbeitet?
Ich verbringe gern Zeit mit Menschen in meinem engen persönlichen Umfeld. So freue ich mich jedes Jahr auf selbst organisierte "Golf und Wein"-Wochenenden mit meinen Golffreunden. Wir erkunden dabei die Golfplätze Deutschlands in Verbindung mit einem genussvollen Rahmenprogramm. Außerdem engagiere ich mich noch mehr ehrenamtlich, etwa als Präsidentin der International Sport Lawyers Association oder im Behindertensport.

Vielen Dank für das Gespräch!

Anne Jakob
Anne Jakob | © Farideh Diel


Zur Person

Anne Jakob kommt am 24. Juni 1971 in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, zur Welt. Sie hat eine Schwester und ist während ihrer Schulzeit Leistungssportlerin in den Sportarten Schwimmen und Leichtathletik. Nach dem Abitur absolviert sie eine zweijährige journalistische Ausbildung, studiert anschließend Rechtswissenschaften in Deutschland, Frankreich und Großbritannien und arbeitet während dieser Zeit u.a. als Assistentin des EVP-Abgeordneten Elmar Brok am EU-Parlament und als Assistentin des Generalsekretärs des Internationalen Sportgerichtshofes in Lausanne. Von 2005 bis 2011 ist sie für den Deutschen Leichtathletik-Verband als Leiterin Recht und Anti-Doping tätig und leitet von 2009 bis 2011 als CEO dessen Vermarktungsagentur. Seit 2011 ist sie als selbständige Rechtsanwältin tätig. Seit 2014 ist sie Professorin für Recht und Compliance an der accadis Hochschule Bad Homburg. Nach jahrelangem Einsatz für den Titel wird Anne Jakob 2019 erste deutsche Fachanwältin für Sportrecht.