Jon Rahm
Auf den Spuren des großen Ballesteros
11. April 2023 , Thomas Kirmaier

Was für ein großartiger und emotionaler Triumph in Augusta: Nach seinem Masters-Sieg ist Jon Rahm zurück auf Platz eins der Weltrangliste. Aber wer ist der Mann eigentlich? Ein Porträt.
Geboren wird Jon Rahm Rodríguez am 10. November 1994 in Barrika, einem kleinen Städtchen in der spanischen Provinz Biscaya, die zum autonomen Baskenland gehört. Damals ahnt niemand, dass aus dem kleinen Kerl einmal der beste Golfer der Welt werden würde. Zumal Rahm in den ersten Tagen seines Lebens mit einem Handicap zu kämpfen hat: Er kommt mit einer Art Klumpfuß auf die Welt. Konkret: Sein rechtes Bein ist vom Knie bis zum Knöchel abwärts gleich dick, sein Fuß um 90 Grad nach innen gedreht. Er wird sofort operiert, Ärzte müssen ihm Knochen im Gelenk brechen, um ein einigermaßen natürliches Wachstum zu gewährleisten. Immer wieder wird er in der Klinik vorstellig, um die Entwicklung zu beobachten.
„Ich habe eine sehr eingeschränkte Knöchel-Beweglichkeit in meinem rechten Bein. Es ist auch eineinhalb Zentimeter kürzer. Also habe ich in sehr jungen Jahren gelernt, dass ich effizienter darin bin, Kraft zu erzeugen und aus einem kurzen Schwung konstant zu sein“, erklärt er später in einem Interview mit Sky Sports. Das hält den Knaben aber ganz und gar nicht davon ab, Sport zu treiben. Und was macht so ein spanischer Junge? Genau: Fußball und Tennis. Später kommt noch Kampfsport dazu, was wohl auch seinen Biss und seinen unbedingten Willen erklärt.
Weil das aber noch nicht genug ist, versucht er sich noch in zahlreichen weiteren Sportarten wie beispielsweise Pelota, ein baskisches Spiel, eine Art Racketball. Jon Rahm ist dabei nicht der Scorer, der ganz vorne steht und die Punkte holt, sondern einer der Jungs, die hinten die Fäden ziehen, die Taktik entwickeln und das Match steuern. „Das hat mir immer gefallen, die Kontrolle zu haben“, so Rahm. Als sich die Trainingsstunden immer mehr auf Golf fokussieren und seine Förderer sein Talent mit dem kleinen, weißen Ball entdecken, forciert sein Vater eine Ausbildung in den USA, weil der Familienrat dort die besten Möglichkeiten sieht. Also geht der Schulabsolvent aus dem Baskenland (natürlich ist Rahm auch Fan des dortigen Fußballclubs Athletic Bilbao) in die Staaten zum Studieren, genauer an die Arizona State University (ASU), für die er zahlreiche Birdies einsammelt.
Zehn Jahre Jon Rahm
Rahm wird immer besser, von Phil Mickelsons Bruder Tim trainiert und lernt mit ASU-Leichtathletin Kelley Cahill die Liebe seines Lebens kennen. Der Spanier, der sich in den Anfangsjahren schwer tut, sauberes Englisch zu lernen (es kursiert das Gerücht, er habe sich das aus den Songs des Rappers Eminem beigebracht), führt insgesamt 60 Wochen lang das World Amateur Golf Ranking an und wechselt nach seinem Abschluss 2016 ins Profilager.
Was folgt, ist eine rasante Fahrt an die Weltspitze. 2017 gewinnt er erstmals auf der PGA Tour (Farmers Insurance) und der European Tour (Irish Open und Dubai World Championship), 2018 ebenso in beiden Serien und 2019 erneut. Im Juli 2020 erreicht Jon Rahm durch seinen Sieg beim Memorial erstmals die Spitze der Golfweltrangliste. Er ist nach Seve Ballesteros erst der zweite Spanier, der ganz oben steht. Golf ist für Jon, Spitzname Rahmbo, aber noch lange nicht alles; er betont mehrfach in Interviews, dass er ein Familienmensch sei und es sehr genieße, bei seinen Lieben zu sein.
Freundin Kelley ist inzwischen seine Frau. Die beiden geben sich in der Basilica de Begoña, hoch über den Dächern von Bilbao, das Ja-Wort. Sie werden 2021 Eltern des gemeinsamen Sohnes Kepa, im August 2022 folgt mit dem Knaben Eneko das zweite Kind. Die Rahms sind ein modernes Paar, das Social-Media-Kanäle gerne für coole Posts nutzt, denn das können nicht nur die Koepkas und Johnsons drüben in den Staaten. Jon Rahm ist im europäischen Golf inzwischen eine Art Sympathie- und Hoffnungsträger; einer, der im Ryder Cup den zuletzt übermächtigen Amerikanern auch mal das Fürchten lehrt. Und einer, der die US-Dominanz auf den Leaderboards der PGA Tour bricht.
Rahm gewinnt 2021 als erster Spanier überhaupt die U.S. Open auf Torrey Pines (Kalifornien). Mit seinem ersten Majorsieg klettert er zum dritten Mal auf Platz eins der Weltrangliste. Wenige Wochen später verpasst er die Olympischen Spiele wegen eines positiven Corona-Tests. Rahm (der Name soll übrigens von Schweizer Vorfahren kommen) ist inzwischen 28 Jahre alt, lebt mit Gattin Kelley und Sohn Kepa in Arizona und wird 2021 als Spieler des Jahres von Tour-CEO Keith Pelley mit dem Ballesteros Award ausgezeichnet.
Weltranglisten-Erste nach Wochen
„Etwas zu gewinnen, auf dem Seves Name steht, ist eine große Ehre für mich, ebenso wie die Tatsache, dass die Spieler der DP World Tour dafür stimmen. Es ist einzigartig, von seinen Kollegen so anerkannt zu werden. Es ist eine wahre Ehre, diese Auszeichnung zum zweiten Mal gewinnen zu können“, sagt der Mann, der aktuell die PGA Tour beherrscht und der Dominator des Jahres 2023 ist. Und jetzt also auch Masters-Champion. Rahm gewinnt das prestigeträchtigste Turnier der Welt - ausgerechnet am Geburtstag seines Idols Ballesteros. Damit ist Rahm zurück an der Spitze der Weltrangliste (siehe Bildergalerie oben). Papa Rahm scheint im für Europa so wichtigen Ryder-Cup-Jahr richtig heiß zu laufen. Das hätten sie damals, vor 28 Jahren, im nordspanischen Örtchen Barrika niemals für möglich gehalten.

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