Team-EM

Die glorreichen Sieben


3. Juli 2022 , Matthias Lettenbichler


Den Flight A und dort eine gute Ausgangsposition zu erreichen, ist das erste Ziel des Team Germany in Island. Foto: DGV
Den Flight A und dort eine gute Ausgangsposition zu erreichen, ist das erste Ziel des Team Germany in Island. Foto: DGV

Es ist eine kleine Delegation, die Deutschland vom 5. bis 9. Juli bei der Team-Europameisterschaft 2022 der Mädchen repräsentiert: Katharina Anglett und Helen Briem vom Stuttgarter GC Solitude, Marie-Agnes Fischer vom Münchener GC, Philipa Gollan aus dem Lübeck-Travemünder Golf-Klub von 1921 sowie Tessa Kremser (GC St. Leon-Rot) und Emilie von Finckenstein (Hamburger GC) messen sich in Island mit dem Platz des Oddur Golf Club und mit den besten U18-Golferinnen Europas. Als Betreuer am Start: Bundestrainer Sebastian Rühl, Mentalcoach Justin Walsh und Physiotherapeutin Sarah Menschl.

Wer Sebastian Rühl dieser Tage auf das Thema „Non-travelling-reserve“ anspricht, wird wie stets vom Bundestrainer der deutschen Golf-Mädchen eine freundliche Antwort erhalten. Jedoch wurde diese Thematik im Rahmen der diesjährigen EM-Reise des Team Germany nach Reykjavík um ein Kapitel erweitert, auf das der PGA Golfprofessional ohne Frage gerne verzichtet hätte. „Ich kann zum Thema Non-travelling-reserve wohl leider am besten von allen Bundestrainern berichten, denn ich bin der Einzige, den es nun schon zweimal erwischt hat“, so Rühl.

Zunächst einmal mutet die Bezeichnung „Non-travelling-reserve“ seltsam an für die Ersatzspielerin des Teams, die zuhause warten, aber dann sehr schnell einspringen soll, wenn sich eine der Teamkolleginnen verletzt oder kurzfristig erkrankt. Im Falle von Reykjavík ist das vor allem deshalb recht abenteuerlich, denn Island liegt ja schon so ein bisschen an der Krümmung der Erdkruste und ist nicht mal eben im Handumdrehen zu erreichen. Fällt also eine Spielerin aus, wird der Ersatz jedenfalls recht hektisch aufbrechen müssen, schließlich gilt es, zumindest den Start der ersten Zählspielrunde keinesfalls zu verpassen – nur wer 30 Minuten vor Beginn des ersten Abschlags bei einer EM (nach)nominiert und vor Ort ist, darf teilnehmen. Was also tun im Falle einer EMM auf Island? Die Non-travelling-reserve auf den Färöern zwischenparken? Das wäre dann zumindest schon mal so in etwa die halbe Strecke. Oder muss der Ersatz zwingend am Wohnort warten?

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„So streng ist das nicht“, erklärt Arnaud Baratçabal, Championship Manager der European Golf Association (EGA), die die Europameisterschaften veranstaltet. Auf die Bezeichnung Non-travelling-reserve habe man sich in erster Linie geeinigt, um die Reisekosten für die Teams möglichst gering zu halten und sie nicht zu zwingen, auch die Ersatzleute an den Ort des Geschehens zu karren. DGV-Bundestrainer Sebastian Rühl bestätigt: „Bei so einer EM zählt auf Kostenseite wirklich jedes Hotelzimmer und jedes Flugticket, und wir versuchen, die Kosten im Rahmen zu halten.“ Entsprechend klein ist die deutsche Delegation: Neben den Spielerinnen sind lediglich der Bundestrainer, Mentalcoach Justin Walsh sowie Physiotherapeutin Sarah Menschl mit an Bord. Grundsätzlich aber, so Arnaud Baratçabal, dürfe, wenn sich ein Verband die leisten wolle, auch eine Ersatzspielerin stets von Beginn an mit dem Team reisen und anreisen und auch im Teamhotel untergebracht sein. Was sie nicht darf, so lange sie nicht offiziell in den Kader nachgerückt ist und eine andere Spielerin ersetzt: Die Proberunde spielen oder da auch nur als Caddie im Einsatz sein. Baratçabal: „Sie darf mit dem Team dabei sein und um das Team herum, aber sie darf sich weder per Proberunde noch als Caddie mit dem Platz vertraut machen. Soll die Ersatzspielerin dann eingesetzt werden, so muss sie spätestens 30 Minuten vor der ersten Startzeit der ersten Zählspielrunde des Turniers gemeldet werden.“

Für die Team-Europameisterschaft im Oddur Golf Club auf Island hatte Sebastian Rühl mit Helen Briem und Katharina Anglett vom Stuttgarter GC Solitude, Charlotte Back und Tessa Kremser vom GC St. Leon-Rot, Marie Agnes-Fischer (Münchener GC) und Philipa Gollan vom Lübeck-Travemünder Golf-Klub von 1921 sechs Spielerinnen nominiert, die Schwarz-Rot-Gold vom 5. bis 9. Juli bei der EM in Island repräsentieren sollten, so gut wie möglich natürlich, und wenn das Team eine Medaille mit nach Hause brächte, dann hätte da ganz gewiss niemand etwas dagegen. Designierte Ersatzspielerin und damit ebenfalls Teil des Teams und der möglichst glorreichen Sieben war Emilie von Finckenstein vom Hamburger Golf Club, die es nur ganz knapp nicht in den Sechser-Kader geschafft hatte und zunächst in der Heimat auf gepackten Koffern abwarten sollte, ob sie nicht vielleicht doch benötigt wird, denn schließlich kann man nie wissen.

Hochkarätiger Ersatz

Dass aus der „Non-travelling-reserve“ noch vor dem Abflug des Teams nach Reykjavík ein reisendes festes Teammitglied werden würde, damit hätte wohl niemand in der deutschen Delegation gerechnet: Mit Charlotte Back erkrankte ausgerechnet die Kapitänin des Teams wenige Tage vor dem Abflug an Corona. „Charlotte ist das Herzstück unserer Mannschaft“, so Rühl, und der Verlust traf ihn wohl fast ebenso hart wie die Spielerin selbst. Wobei diese Thematik für Rühl tatsächlich nicht neu ist: Als Rühl im Sommer 2013 erstmals als verantwortlicher Bundestrainer mit den DGV-Mädchen zur Team-EM reiste, musste er seine Ersatzspielerin Antonia Eberhard kurzfristig in den Linköping Golf Club nach Schweden einfliegen lassen. Was war passiert? Am Abend nach der ersten Proberunde blieb Sophia Zeeb mit ihrem kleinen Zeh an einem Stuhlbein hängen, der Zeh brach, und Spielerin und Coach verbrachten die Nacht im Krankenhaus von Linköping, um im Morgengrauen festzustellen: Nichts geht mehr, an ein schmerzfreies Auftreten war nicht zu denken. „Noch vom Krankenhaus aus habe ich Antonia Eberhard angerufen und ihr gesagt, dass sie ihre Koffer packen kann“, erinnert sich Rühl. „Sie stieg am Morgen in den Flieger, kam an, konnte keine Proberunde mehr spielen, und ich konnte ihr letztlich nur noch mein Birdiebuch in die Hand drücken und ihr sagen: ,Da schlägst Du nicht hin, und da schlägst Du hin.´ Seither mache ich mein Birdiebuch immer so sorgfältig und so leserlich, dass auch jemand anders was damit anfangen kann.“

Ihr Birdiebuch kann Emilie von Finckenstein nun in den Proberunden am 3. und 4. Juli selbst mit hilfreichen Einträgen versehen, am Sonntag schlagen die DGV-Mädchen um 9:20 und 9:30 Uhr ab, am Montag um 12:30 und 12:40 Uhr. In den beiden Zählspielrunden hat das Team Germany dann am Dienstag und Mittwoch Gesellschaft der Akteurinnen aus Schweden und Dänemark; wer dann den Part der Kapitänin übernimmt, ist noch offen – benannt werden muss eine Kapitänin oder ein Kapitän aber zwingend.

 

Das deutsche Team in Island


Spielerinnen:
Katharina Anglett, Stuttgarter GC Solitude
Helen Briem, Stuttgarter GC Solitude
Marie-Agnes Fischer, Münchener GC
Philipa Gollan, Lübeck-Travemünder Golf-Klub von 1921
Tessa Kremser, GC St. Leon-Rot
Emilie von Finckenstein, Hamburger GC

 

Trainer:
Sebastian Rühl, Bundestrainer
Justin Walsh, Mentaltrainer

Physiotherapeutin:
Sarah Menschl