Sam Snead

Der sanfte Riese


26. Mai 2022 , Felix Grewe


Unvergessen: Sam Snead wurde für seinen eleganten Schwung weltberühmt.
Unvergessen: Sam Snead wurde für seinen eleganten Schwung weltberühmt. | © Getty Images/Augusta National

Sam Snead wäre jetzt 110 Jahre alt. Erinnerungen an einen außergewöhnlichen Sportler, der nicht nur mit seinem Spiel begeisterte, sondern auch mit seiner Persönlichkeit.

Legenden vergisst man nicht. Sie bleiben allgegenwärtig, selbst wenn sie längst nicht mehr unter uns weilen. Samuel Jackson „Sam“ Snead ist so jemand. Am Freitag (27. Mai) wäre er 110 Jahre alt geworden – und wenige Tage zuvor (am 23. Mai) jährte sich sein Tod zum 20. Mal. Zwei Jahrzehnte in denen er doch irgendwie omnipräsent geblieben ist. Kein Major-Turnier, in dessen Rahmen sein Name nicht fallen würde, kaum ein historisches Stück über die Welt des Golfsports, in dem nicht mindestens ein markiges Zitat des Amerikaners auftaucht. Er war ein Sprücheklopfer, im positiven Sinne. Seine drei wichtigsten Ratschläge für ein gutes Leben verpackte er einmal in diesem legendären Satz: „Halte deine Groschen zusammen, bleib‘ weg vom Whiskey und schenke niemals einen Putt.“ Der ebenfalls vor einigen Jahren verstorbene William Campbell, einst Präsident des amerikanischen Golfverbands, sagte einmal über Snead: „Er war der beste Naturspieler aller Zeiten. Er hatte das Auge eines Adlers, die Anmut eines Leoparden und die Stärke eines Löwen.“ 

Mann der Rekorde

Wenn man sich an Snead erinnert, ploppen seine 82 PGA-Titel wie ein Banner im Gedächtnis auf. Der Rekord, den er sich seit 2019 mit Tiger Woods teilt. Man hat seine sieben Majorsiege im Kopf und das einzige zur perfekten Karriere fehlende Puzzlestück – der Triumph bei der U.S. Open, der ihm verwehrt blieb. Einem fallen diverse Bestmarken ein, zum Beispiel, dass er 1965 der älteste Champion eines PGA Tour Events wurde, als er mit 52 Jahren, zehn Monaten und acht Tagen die Greator Greensboro Open gewann (übrigens zum achten Mal, auch ein Rekord!). Snead war der erste Spieler auf der PGA Tour, der innerhalb eines Turniers scoremäßig erst sein Alter spielte und dann sogar unterbot: Bei der Quad Cities Open 1979 spielte er eine 67 in der zweiten Runde und eine 66 am Finaltag. Und: Er war der älteste Profi, der jemals den Cut bei einem PGA Turnier schaffte – nämlich mit 67 Jahren, zwei Monaten und 21 Tagen. 

Snead – ein Menschenfreund

Doch Zahlen und Erfolge allein schreiben keine Heldengeschichte. Es ist die Kombination aus sportlichen Höchstleistungen und menschelnden Erinnerungen, die einen Superstar zum Unvergessenen reifen lässt. Im Fall von Snead war es vor allem seine Bodenständigkeit. Der Mann mit dem Strohhut, der manchmal sogar barfuß spielte, galt stets als der normale Typ von nebenan. Guy Yocom, Redakteur bei Golf Digest, schrieb in einer seiner Geschichten über den Amerikaner die Anekdote auf, wie er einen Kollegen nach Sneads Telefonnummer fragte. Dazu muss man wissen: Kontakte werden unter Journalisten in der Regel ungern weitergegeben, die meisten hüten ihre direkten Drähte wie eine Mutter ihren Nachwuchs. Der besagte Kollege hingegen antwortete: „Ruf‘ einfach die Auskunft an. Er steht im Telefonbuch.“ Snead war das, was man einen Menschenfreund nennt. Seine Zugänglichkeit hatte er trotz seines Nimbus als einer der größten Golfer der Geschichte nie verloren. 

Eigenwillige Putt-Technik: Sam Sneads Spielstil ist unvergessen.
Eigenwillige Putt-Technik: Sam Sneads Spielstil ist unvergessen. | © Getty Images/PGA of America


Der schönste Schwung aller Zeiten?

Snead, der am 27. Mai 1912 als jüngstes von sechs Kindern in Ashwood, Virginia geboren wurde, wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater arbeitete als Kofferträger und Elektriker in einem Hotel. Als Sam sieben Jahre alt war, begann sich sein Weg vorzuzeichnen. Er arbeitete als Caddie und schlug zusammen mit seinem Bruder Homer die ersten Bälle im Garten der Eltern – mit Stöcken, die als Schläger fungierten, auf Tomatendosen, die als Löcher herhalten mussten. Seiner Technik schadete dieser Weg keineswegs. Viele Experten bezeichnen seinen Schwung noch heute als den schönsten, den es jemals gegeben hat – kraftvoll, elegant und geschmeidig. In seiner besten Zeit donnerte er seine Drives fast 300 Meter weit, eine unvorstellbare Distanz in der damaligen Zeit, die ihm den Spitznamen „Slammin‘ Sammy“ einbrachte. Es heißt, Snead habe sogar mit jedem Schläger im Bag, den Putter ausgenommen, ein Hole-in-One erzielt. Lee Trevino gab einmal zu Protokoll, von Millionen Schlägen, die er in seinem Leben gesehen habe, erinnere er nur einen hohen und langen Draw von Snead, direkt an die Fahne platziert. Jack Nicklaus adelte seinen Landsmann mit diesen Worten: „Er hat mit einem großartigen Schwung und der fließendsten Bewegung, die je auf einem Golfplatz entstanden ist, so viel zum Spiel beigetragen.“ Als junger Spieler habe er oft die Augen geschlossen und den perfekten Schwung visualisiert – jenen von Snead. 

Erste Begegnung mit Woods

Auch Tiger Woods hat besondere Erinnerungen an Snead. Es war ihre erste Begegnung, die beide in besonderer Weise prägte. Woods war damals, 1982, sechs Jahre alt und spielte an der Seite von Snead, 69, ein Turnier mit zwei Löchern in San Jacinto, Kalifornien. Am ersten Loch, einem Par 3, schlug der Junge seinen Abschlag ins Wasser. Der Ball allerdings ging nicht unter. „Also stieg ich hinein, um ihn zu spielen“, erinnert sich Woods. „Was machst du da?!“, habe ein entgeisterter Snead gerufen. „Heb‘ ihn einfach auf und lass ihn fallen.“ Woods blickte seinen älteren Spielpartner an, als würde dieser ihm eine Wurzelbehandlung vorschlagen. Er holte sein Eisen aus dem Bag und schlug den Ball aufs Grün. Snead habe fassungslos und beeindruckt zugleich mit dem Kopf geschüttelt.  

Legenden sind beide geworden. Woods dürfte alles daransetzen, den Rekord für die meisten PGA-Siege doch noch zu verbessern, nur ein Titel fehlt ihm für die alleinige Bestmarke. Snead, der sanfte Riese, nicht aufgrund seiner Körpergröße von 1,80 Metern, sondern wegen seiner bewundernswerten Souveränität, würde es ihm vermutlich nicht verübeln. Auch deshalb wird man ihn nie vergessen.
 

Im Video: Sam Snead in Aktion!

 

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