Regelfest

Vor Aufregung eine falsche Scorekarte unterschrieben


2. September 2023 , Daniel Dillenburg


Hat Schummlern den Kampf angesagt: Gabby Lemieux.
Hat Schummlern den Kampf angesagt: Gabby Lemieux. | © Mike Stobe/Getty Images

Bei der LPGA Q-School bezichtigt eine Spielerin ihre Spielpartnerin des Betrugs. Vor lauter Aufregung versäumt sie es anschließend eine korrekte Scorekarte zu unterschreiben und wird daraufhin selbst disqualifiziert.

Es ist schon jetzt eine der kuriosesten Regelgeschichten des Jahres: Gabby Lemieux aus den USA unterschrieb nach ihrer vierten Runde der Stage 1 der LPGA Q-School eine falsche Scorekarte und wurde anschließend disqualifiziert. Soweit nichts Außergewöhnliches. Dass beim Überprüfen der Scores mal ein falsches Ergebnis durchrutscht, passiert auch auf Profiniveau hin und wieder. Zumal Lemieux keine Absicht zu unterstellen war. Nach eigener Aussage sei sie kurz darauf zurück zum Scoring geeilt, um auf einen möglichen Fehler hinzuweisen. Da sei es jedoch schon zu spät gewesen. Lemieux wurde disqualifiziert.

Zu einer Kuriosität wird diese Geschichte mit der entsprechenden Vorgeschichte. Denn Lemieux war zum Zeitpunkt ihrer Scorekarten-Unterschrift gedanklich nicht ganz bei der Sache. Die 27-Jährige hatte auf ihrer Runde bemerkt, wie eine ihrer Spielpartnerin geschummelt haben soll. „Eine andere Spielerin und ich haben heute eine Betrügerin gemeldet, weil sie ihren Ball falsch markiert und zurückgelegt hat“, schrieb Lemieux in einer Instagram-Story. „Wenn man professionell Golf spielen will, ist es immer noch Betrug, auch wenn der Ball nur einen halben Zentimeter daneben liegt.“

'Haben uns überlegt, was wir tun müssen'

In der Tat kann ein inkorrekt markierter Ball beziehungsweise das inkorrekte Zurücklegen des Balls auf dem Grün verheerende Folgen haben. Eines der bekanntesten Beispiele ist Lexi Thompsons Fall von der ANA Inspiration 2017, als sie nachträglich (einen Tag später) vier Strafschläge erhielt, nachdem ein aufmerksamer Zuschauer ein Video eingereicht hatte, auf der ihr Regelverstoß zu erkennen war. Zwei Schläge gab es für das falsche Zurücklegen und zwei weitere Schläge für das Unterschreiben einer falschen Scorekarte, welches in diesem Fall ein Folgefehler war und daher nicht mit einer Disqualifikation bestraft wurde.

Lemieux jedenfalls brachte das offensichtlich regelwidrige Verhalten ihrer Mitspielerin (der Name ist nicht bekannt) so sehr aus dem Konzept, dass sie beim Unterschreiben der Scorekarte unkonzentriert war. „In der Scoring Area haben wir uns überlegt, was wir tun müssen“, so die Epson-Tour-Spielerin, die ihren Traum von der LPGA Tour zwar frühzeitig begraben musste, jedoch nicht allzu niedergeschlagen wirkte. „Ich habe meinen Teil dazu beigetragen, das Feld vor einer Betrügerin zu retten“, fuhr sie fort. „Leider war ich zu sehr damit beschäftigt, um zu bemerken, dass ein Ergebnis auf meiner Scorekarte falsch war. Ich bin froh, dass ich es bemerkt und mich gemeldet habe.“

Abschließend richtete sie noch einen Appell an die soziale Golf-Community: „Wir brauchen mehr ehrliche Menschen und bessere Fachleute, die sich an höhere Standards halten, damit wir uns keine Sorgen mehr machen müssen. Der Schutz des Feldes hat mich meinen eigenen Weg gekostet. Manchmal ist das einfach so.“ Ob und inwieweit die beschuldigte Spielerin bestraft wurde, ist nicht kommuniziert.

Das sagt DGV-Regelfachmann Dietrich von Garn dazu:

„Sowas kommt von sowas“ könnte man den Fall mit vier Worten beschreiben. Es ist völlig richtig, dass die Regeln von einem Spieler verlangen, zum Schutz der anderen Spieler auf einen (möglichen) Regelverstoß aufmerksam zu machen. Das geht im Golf nicht anders, da wir im Gegensatz zum Fußball nicht ständig einen Schiedsrichter dabeihaben. Zudem kann es schon einmal eine komplexe Regelanwendung geben oder einen unaufmerksamen Spieler, der einem danach dankbar dafür ist, dass er auf seinen Fehler hingewiesen wurde.

Regel 20.1c(2) verlangt, dass man den Spieler, seinen Zähler, einen Referee oder die Spielleitung möglichst unverzüglich darauf anspricht. Der Spieler wird hier zuerst genannt, und da es sich hier um die gleiche Spielergruppe handeln muss (wie soll man sonst sehen, dass ein Ball minimal falsch zurückgelegt wird), hätte man die Spielerin darauf ansprechen können, noch bevor sie ihren nächsten Schlag spielte. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Fehler des falschen Zurücklegens sogar noch straflos zu korrigieren gewesen (s. Regel 14.5a).

Erst in der Scoring Area auf den Regelverstoß hinzuweisen, wenn man diesen vor Ort unmittelbar miterlebt hat, ist ziemlich unüblich. Die Spielleitung hätte durchaus entscheiden können, dass es grob unsportlich war, erst auf den Fehler hinzuweisen, nachdem er nicht mehr straflos zu korrigieren war, und eine Disqualifikation dafür aussprechen können. Das war allerdings nicht mehr nötig, da die Scorekarte von Gabby Lemieux eine zu niedrige Schlagzahl aufwies und sie dafür disqualifiziert wurde. Manchmal erledigen sich Dinge von selbst.

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