Sophie Witt

‚Da bekomme ich immer noch Gänsehaut‘


12. November 2022 , Daniel Dillenburg


Überzeugte gleich in ihrem ersten Jahr auf der Ladies European Tour mit einem Top-Drei-Ergebnis in den Niederlanden: Sophie Witt.
Überzeugte gleich in ihrem ersten Jahr auf der Ladies European Tour mit einem Top-Drei-Ergebnis in den Niederlanden: Sophie Witt. | © Tristan Jones/LET

Sophie Witt startet als Rookie auf der Ladies European Tour durch, ohne auch nur ein Zentimeter abzuheben. Im Interview mit Golf.de zeigt sie sich bodenständig und dankbar für die Chance, ihren Traum zu leben.

Ohne allzu hohe Erwartungen ging Sophie Witt in ihr erstes Jahr auf der Ladies European Tour. Umso zufriedener kann das Mitglied des National Team Germany mit ihrer Rookie-Saison sein. Dank mehrerer Top-Ten-Ergebnisse hielt sie souverän die Tourkarte und rangiert zwei Turniere vor Saisonende unter den Top 50 des Gesamtrankings. Ihre sportliche Bestleistung war ein geteilter dritter Rang bei der Big Green Egg Open im Juni, der Witt obendrein einen Platz im hochklassig besetzten Teilnehmerinnenfeld der Scottish Open bescherte.

Die Bachelor-Studentin im Fach „International Management“ zog ein entsprechend positives (vorläufiges) Saisonfazit, als sie sich im Vorfeld der Aramco Team Series in Jeddah mit Golf.de unterhielt. Wenige Tage vor ihrem 20. Geburtstag (12. November) sprach der Youngster vom GC Hubbelrath über das Kennenlernen anderer Kulturen, ihr persönliches Saisonhighlight 2022 und die Bedeutung von Vorbildern.

Golf.de: Jeddah – 23. Turnier der Saison – zwei noch zu gehen. Wie sehr freust du dich auf die Winterpause?

Sophie Witt: Schon sehr, weil man die Zeit mit seinen Freunden und der Familie vor allem über Weihnachten genießen und einfach ein bisschen runterkommen kann. Durch das viele Reisen weiß ich jetzt auch diese Momente an Orten, an denen man sich wohlfühlt, einfach mehr zu schätzen. Ich glaube, ich kann für alle hier auf der Tour sprechen, dass wir uns sehr freuen, mal wieder für ein paar Wochen nach Hause zu können. Obwohl ich die ersten paar Wochen meiner Pause mit meiner Uni verbringen und Klausuren schreiben muss, bevor ich ab Mitte Dezember endlich etwas entspannen kann.

Wie sehr konntest du das Reisen, Kennenlernen von neuen Ländern und Kulturen, im ersten Jahr genießen?

Man sieht zwar generell nicht viel von den Ländern, aber wenn man an den Flughäfen ankommt, hat man schon einen guten Einblick in die Kultur des Landes und in den Hotels sowie Golfclubs lernt man dann auch die Menschen kennen. Vielmehr ist es dann aber auch nicht. Trotzdem finde ich es cool, weil man merkt, wie sehr sich die Länder voneinander unterscheiden. Deswegen gefällt mir das Reisen schon sehr, auch wenn es für den Körper eine große Belastung ist – vor allem die Langstrecken nach Indien, Bangkok und Südafrika. Wenn man dann bald ein bisschen älter ist, kann man sich mit einem Mietwagen auch das ein oder andere anschauen. Das war bei mir jetzt aufgrund der Regularien der Mietwagenanbieter noch nicht so der Fall.

Mit welchen Spielerinnen hattest du das Jahr über am meisten Kontakt? Ist Sophie Witt ein Gruppenmensch oder eine Einzelgängerin?

Mal so, mal so. Ich habe relativ viele neue Kontakte auf der Tour geknüpft. Die könnte ich jetzt gar nicht alle aufzählen. Auch viele ältere, erfahrenere Spielerinnen sind da dabei, die mich von Anfang an unter ihre Fittiche genommen und mich auf meinem Weg begleitet haben. Von denen konnte ich natürlich viel lernen. Aber ich habe mich auch mit vielen anderen Rookies ausgetauscht.

Sportlich lief das Rookie-Jahr hervorragend. Drei Top Tens, darunter ein Top Drei, für das Saisonfinale qualifiziert – Saisonziel erreicht?

Ich habe nicht erwartet, dass es so gut laufen wird, weil mir die meisten Spielerinnen durch ihre College-Jahre und vielen internationalen Turniere schon weit voraus sind. Deswegen hatte ich keine wirklichen Erwartungen. Klar, ich wollte alles kennenlernen, meinen Traum leben, Spaß haben und schauen, wo ich denn so stehe. Dass es jetzt so gut gelaufen ist, freut mich natürlich.

Nahm sich vor der Aramco Team Series in Jeddah Zeit für ein ausführliches Gespräch mit Golf.de: Sophie Witt.
Nahm sich vor der Aramco Team Series in Jeddah Zeit für ein ausführliches Gespräch mit Golf.de: Sophie Witt. | © Tristan Jones / LET


Einen Fehler, den viele Rookies begehen: Sie kommen auf die große Bühne, sehen die Schwünge der anderen Weltklasse-Spielerinnen und hinterfragen ihren eigenen Schwung, wollen es den arrivierten Spielerinnen gleichmachen. Hast du es geschafft, dir und deinem Plan treu zu bleiben oder hast du auch mal nach links und rechts geschaut?

Klar hat man diese Gedanken und das ist glaube ich auch völlig normal. Aber für mich ist es relativ gut gelaufen, dass ich in Saudi-Arabien im März nach der ersten Runde geführt habe und somit ins kalte Wasser gestoßen wurde. Da musste, beziehungsweise durfte ich dann viele Interviews fürs Fernsehen geben und in der zweiten Runde waren die Kameras direkt auf mich gerichtet. Das gab mir so das Gefühl: Klar, ich bin neu hier, aber, so doof das vielleicht klingen mag, man kennt jetzt schon meinen Namen, hat mich auf dem Schirm und ich bin der neue Underdog. Das ist ein bisschen wie beim Fußball. Da hat man auch vor den neuen meist erstmal Respekt. So fühlte es sich dann auch für mich an. Und natürlich steht man in Konkurrenz zu den anderen Spielerinnen, aber jede kann von jeder etwas lernen.

Manchmal gibt es Spielerinnen, die haben einen tollen Schwung und dann schaust du auf das Ergebnis und denkst: Ein schöner Schwung ist nicht alles. Und manchmal denkt man sich: Oh Gott, wie kann man mit solch einem Schwung so gutes Golf spielen. Da muss man dann einfach an seine Stärken glauben und sein Ding weiter durchziehen. Das ist manchmal nicht einfach, wenn man den Ball nicht gut trifft, neben einem jemand auf der Range steht, der eine Granate nach der anderen zündet und man selbst gerade am Verzweifeln ist. Aber im Endeffekt liegt die Wahrheit auf dem Platz und man kann nur sein eigenes Ergebnis beeinflussen. Bei Trainingsübungen lohnt es sich dagegen schon, nach links und rechts zu schauen. Da habe ich mir auch schon die ein oder andere Übung abgeguckt. Aber am Ende sind wir alle auf derselben Tour und können alle Golfspielen.

Inwieweit hilft dir da auch dein Umfeld – Management, Trainer, Freunde, Familie?

Das hilft eigentlich immer. Meinem Management kann ich eigentlich immer schreiben, wenn mir etwas auf dem Herzen liegt. Christian [Reimbold, Anm. d. Red.] kenne ich auch schon seitdem ich nach Hubbelrath gewechselt bin. Das ist schon mindestens sieben Jahre her. Und mit Conny [Janik, Anm. d. Red.] habe ich mich auch direkt angefreundet. Den beiden könnte ich also auch wirklich alles erzählen. Meine Freunde und Familie unterstützen mich immer, egal wie es läuft. Vor allem, wenn ich schlecht spiele, merkt man, wer wirklich hinter einem steht. Deswegen an alle meine Freunde: Ich schätze es sehr, dass ihr mich immer supportet, mir schreibt und euch die Zeit nehmt, wenn ich denn dann mal zuhause bin.

In einem Interview vor der Saison sagtest du, Lars Bender und Sandra Gal seien deine Vorbilder, zu denen du auch Kontakt hast. Habt ihr in den vergangenen Monaten telefonieren können und wenn ja, worum ging’s?

Mit Sandra habe ich regelmäßig Kontakt – fast wöchentlich. Und mit Lars auch ab und zu. Die beiden geben mir viel mit auf den Weg und sind immer noch meine Vorbilder, weil ich keine bodenständigeren Sportler kenne als die beiden. Sandra kommt aus dem Einzelsport, Lars aus dem Teamsport. Beide waren schon bei Olympia. Das ist schon immer eine große Stütze für einen selbst, weil Leistungssportler einen auch verstehen und wissen, was man gerade hören will.

Wenn die Saison vorbei ist, setzt du dich dann mit deinem Team zusammen und ziehst ein Fazit?

Da es mein erstes Jahr ist, weiß ich es selbst nicht so genau. Ich schätze mal, ich werde mich mit meinem Trainer zusammensetzen und schauen, woran ich im Winter arbeiten möchte. Ich werde viel ins Gym gehen und regenerieren. Dann schauen wir mal, wie ich den Winter verbringe, da es in Deutschland natürlich immer nicht ganz einfach ist zu trainieren. Vielleicht geht es nach Florida oder mit dem Nationalkader für eine Woche ins Trainingslager. Das wird sich wahrscheinlich relativ spontan ergeben. Aber eine solche Reflexion über die Saison wird es auf jeden Fall geben. Das wird mir auch ganz guttun, damit man mal versteht, was man eigentlich erreicht hat. Für mich war der dritte Platz wahrscheinlich das Highlight, aber so richtig reflektiert habe ich das noch nicht, weil man so in einem Flow ist. Das eine Turnier ist zu Ende und man bereitet sich direkt auf das nächste vor. Die ganzen Eindrücke von den Ländern, Plätzen und Menschen, die man kennengelernt hat. Das braucht erstmal ein paar Wochen nach der Saison bis man auch stolz darauf sein kann, was man für eine Chance hat, seinen Traum zu leben.

Hier begann die magische LET-Reise für Sophie Witt: Bei der Magical Kenya Ladies Open.
Hier begann die magische LET-Reise für Sophie Witt: Bei der Magical Kenya Ladies Open. | © Tristan Jones / LET


Was war dein persönliches Highlight 2022?

Da fällt mir direkt die letzte Runde in Sotogrande ein, die ich mit Anna Nordqvist spielen durfte. Ich war glaube ich noch nie so nervös. Wobei eigentlich war mein tollstes Erlebnis, in diesem Jahr in Kenia am ersten Tee zu stehen und abzuschlagen. Da bekomme ich immer noch Gänsehaut und auch ein bisschen Tränen in die Augen. Es ist schwer zu beschreiben. Ich hatte noch nie solch ein Gefühl in meinem Körper. Ich war aufgeregt und voller Vorfreude, weil ich mein Hobby zum Beruf machen durfte. Damals habe ich an Bahn eins zwei Shanks gehauen, weil ich so nervös war, aber ich habe mich nicht darüber aufgeregt, weil ich so stolz darauf war, dass ich jetzt so ein Gefühl in meinem Körper spüre. Da haben mir dann auch viele gesagt, dass es gut ist, dieses Gefühl zu haben, weil es zeigt, wie viel es mir bedeutet und ich es wertschätze. Das war wahrscheinlich der größte Moment in diesem Jahr für mich. Sportlich war natürlich die Qualifikation für die Scottish Open besonders, weil man da als Rookie nur sehr schwer reinkommt.

Was möchtest du im nächsten Jahr anders machen?

Ich denke die Saisonplanung wird anders laufen. Man hat jetzt seinen Körper kennengelernt und weiß, welche Plätze einem liegen. Auch die Vorbereitungen auf die einzelnen Turniere werden anders gestaltet, weil man jetzt weiß, welche Fähigkeiten man auf dem speziellen Platz benötigt und welche Schwächen man beim letzten Mal gezeigt hat.

Die Aramco Team Series in Jeddah wird, genauso wie viele Turniere zuvor, per Livestream auf Golf.de ausgestrahlt. Was bedeutet dieser Service für Euch Spielerinnen, zu wissen, dass Freunde, Familie, Fans Euch live beim Golfspielen verfolgen können?

Für mich ist es schön zu wissen, dass alle Menschen, die einen bislang auf dem Weg begleitet und unterstützt haben, jetzt die Möglichkeit haben, einem dabei zuzusehen, wie man spielt. Jeder hat als Kind ein Vorbild gehabt und dies übers Fernsehen entwickelt. Vielleicht ist man also auch eine Inspiration für andere mit demselben Hobby. Am meisten freut es mich für meine Eltern und meinen Opa, die mich wirklich mein Leben lang unterstützt haben, mich immer von der Schule zum Training gefahren haben, die Livescorings verfolgt haben. Und für den Damengolfsport generell ist es ein großer Fortschritt, dass er jetzt auch live übertragen wird. Einen größeren Druck verspüre ich dadurch aber nicht. Mir ist es egal, ob da jetzt fünf oder 10.000 Leute mir dabei zuschauen, weil ich gebe bei jedem Schlag das beste und tue es für mich.

Du bist großer Fußballfan. Welchem Verein drückst du die Daumen?

Als ich klein war, war ich FC Bayern Fan, weil meine Eltern Bayernfans sind und wir über Kontakte immer Karten bekommen haben. Da wird man dann so ein bisschen reingeboren. Als ich dann aber 2016 Lars [Bender, Anm. d. Red.] und Stefan Kießling kennengelernt habe, habe ich wirklich zu 100 Prozent Bayer Leverkusen supportet und war auch immer im Stadion, wenn ich Zeit hatte. Für Leverkusen brennt also mein Herz.

Am Samstag feierst du deinen 20. Geburtstag. Hast du eine kleine Party geplant oder wird das nach dem Saisonfinale in Spanien nachgeholt?

Ich habe nichts geplant, aber meine Eltern haben eine kleine Party bei mir zuhause organisiert, wenn ich am Sonntag aus Jeddah zurückkomme. Das sollte eigentlich eine Überraschung werden, kam nun aber doch schon raus. Meine engsten Freunde und meine Opas kommen vorbei, um am Abend anzustoßen. Darauf freue ich mich natürlich sehr. Aber so richtig gefeiert wird dann erst, wenn die Saison zu Ende ist.