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Weltenbummler Meyer ist zurück in Europa


11. November 2022 , Thomas Kirmaier


Nach Versuchen in den USA, Kanada, Lateinamerika und China ist Velten Meyer jetzt wieder zurück auf der europäischen Tour. © Oliver Hardt/Getty Images
Nach Versuchen in den USA, Kanada, Lateinamerika und China ist Velten Meyer jetzt wieder zurück auf der europäischen Tour. © Oliver Hardt/Getty Images

Viele haben ihn erst seit Sommer 2022 so richtig auf dem Radar. Dabei gehört er zu Deutschlands besten Golfern. Velten Meyer ist 28, kommt aus Oldenburg, lebt in Florida und hat einen schweren Autounfall überlebt.

„Was ich so mache, wenn ich nicht Golf spiele oder trainiere? Puh, das ist eine gute Frage“, sagt Velten Meyer. Es ist ein sonniger Mittwoch im spanischen Tarragona. Der 28-jährige Golfprofi aus Deutschland kommt gerade von seiner Einspielrunde. Es soll alles passen für die Final Stage der Q-School. Er hat immer noch die Chance, sich die volle Spielberechtigung für die DP World Tour zu krallen. Auf der Challenge Tour konnte er in der Saison 2022 schon gewinnen. In Finnland war das, als plötzlich ein Deutscher den Siegerpokal in den Händen hielt, den wenige zwischen Flensburg und Garmisch so richtig kennen.

Und dann fällt ihm doch noch etwas ein, was er so treibt, wenn er gerade nicht golft oder an Golf denkt: „Ich trinke gerne guten Kaffee und verbringe gern Zeit mit meinem Hund.“ Sein tierischer Begleiter ist ein Chihuahua-Mix und heißt Balu. „Der sieht eigentlich aus wie ein Fuchs“, sagt Velten Meyer. Velten. Woher kommt der Name eigentlich? „Ich glaube, meine Eltern wollten wegen des eher gewöhnlich deutschen Nachnamens Meyer bei den Vornamen etwas Außergewöhnliches nehmen“, verrät er. Velten sei eine Anlehnung an Valentin. Wer Velten googelt, stößt auf eine Stadt in Brandenburg. Seine beiden jüngeren Schwestern heißen übrigens Gunde und Jette. Weihnachten verbringt der große Bruder am liebsten zu Hause mit der Familie. Daheim. Wo ist das? In Florida? In Oldenburg? Wer weiß das schon. Velten Meyer ist nämlich auch ein Fuchs, der ständig Ausschau hält nach guten Optionen, die sich ihm bieten, seine Karriere voranzubringen.


Und dafür reist er auch gerne mal um die Welt. Erst im Alter von neun Jahren hält er zum ersten Mal einen Schläger in der Hand, als die Familie einen Urlaub am Fleesensee macht. Nebenbei spielt der Filius auch Tennis, sein Talent für Golf entgeht allerdings auch Herren-Bundestrainer Uli Eckhardt nicht, der Velten Meyer schon als 13-Jährigen bei diversen nationalen Meisterschaften beobachtet. Nach dem Abitur entscheidet sich der blonde Niedersachse für die USA, studiert International Business an der University of Louisiana-Monroe, macht seinen MBA und wirkt in einem Start-Up mit, das sich dank eines Patents der NASA auf kontrollierte Gestein-Sprengung mittels erhitzter Metalle konzentriert.

Er zieht nach Florida und wird nach der Uni-Zeit golferisch eine Art Globetrotter. Die PGA Tour Latinoamerica führt ihn ebenso als Profil wie die PGA Tour Canada und die PGA Tour China. Velten Meyer versucht sein Glück überall auf der Welt – hat am 8. Mai 2019 allerdings großes Pech: In Peking steigt er in ein Taxi, das im Berufsverkehr der chinesischen Hauptstadt frontal von einem BMW gerammt wird, an dessen Steuer ein Betrunkener sitzt. Meyer überlebt diesen Crash schwer verletzt, verliert viel Blut und verbringt mehrere Wochen in einem örtlichen Krankenhaus. Seine Wunde am Kopf muss mit 26 Stichen genäht werden, am linken Knie und Schienbein klaffen große Wunden. „Ich kann mich an nichts erinnern. Das ist alles weg“, erzählt er heute. Und dass er immer noch Schmerzen hat, wenn er viele Runden hintereinander zu absolvieren hat. „Aber dagegen kann ich etwas machen, trage eine Schiene“, sagt er.

Als er langsam wieder Fuß fasst und wieder Turniere spielt, kommt ihm Covid in die Quere. „Die Pandemie war sicher nicht förderlich, um wieder voll einzusteigen“, erinnert er sich. Trotzdem: In jeder Krise steckt eine Chance. Und Velten Meyer ist kein Typ, der den Kopf in den Sand steckt, sondern immer nach Möglichkeiten Ausschau hält – egal wo auf der Welt. „Velten hat sich in den USA toll entwickelt. Er hat einiges erlebt; ein sehr solider Spieler, der auch unter Druck sehr gut funktioniert und vieles mitbringt, was man braucht, um oben mitzuspielen“, sagt Uli Eckhardt. Der Herren-Bundestrainer trifft Meyer in dessen Heimatclub Orange Tree in Orlando und lockt den Weltenbummler mit Einladungen nach Europa, um sich auf der Challenge Tour zu zeigen. Und der nutzt die Chance.

> >  > Livescoring Final Stage Q-School


Zurück in der Heimat braucht Velten Meyer zunächst eine gewisse Zeit, sich zu akklimatisieren. Aber dann geht’s schnell: Nach Rang 19 in Österreich und Platz 14 bei der Big Green Egg German Challenge powered by VcG im Wittelsbacher GC folgt zunächst noch ein Mittelfeldplatz in Irland und dann der große Durchbruch in Finnland: Meyer gewinnt die Vierumäki Challenge mit einem beeindruckenden Gesamtresultat von -26 (70, 62, 65, 65). Er kann tief schießen – und gewinnen. „Ich habe schon beim Event in Österreich gesehen, dass ich ganz vorne mitspielen kann. Da habe ich so viele Schläge liegengelassen und lag trotzdem in Reichweite zur Spitze“, erzählt er. Das sei so eine Art Aha-Erlebnis gewesen.

Also ist sein neuer Platz vielleicht doch in Europa? Beim Grand Final auf Mallorca war er bester Deutscher, spielte eine 68 in der Schlussrunde. „Meine Stärken? Ich glaube ich spiele relativ konstant, schlage den Ball sehr gerade und habe wenige Ausreißer“, sagt er über sich. Es sind weniger die Monster-Drives, mit denen er glänzt, sondern mehr die präzisen Wedges. Meyer trainiert mit seinem früheren Oldenburger Coach Thorsten Janssen, per Video tauschen sich die beiden immer mal wieder aus. Und wohin geht die Reise 2023? Klar ist das große Ziel die PGA Tour, aber der Fokus soll nun erst einmal auf Europa liegen – oder besser: auf der DP World bzw. der Challenge Tour. Die große Serie startet ja bereits Ende November mit zwei parallel ausgetragenen Events in Südafrika und Australien. Da heißt es dann wieder: viel reisen. Aber das hat den erfahrenen Weltenbummler Velten Meyer noch nie groß gestört. Und guten Kaffee gibt es ja ohnehin fast überall auf der Welt.