Mentale Stärke

Konzentration – das Merkmal der Meister


1. August 2022 , Felix Grewe


Bitte Ruhe! Die entspannte Konzentration ist für jeden Golfer eine entscheidende Fähigkeit.
Bitte Ruhe! Die entspannte Konzentration ist für jeden Golfer eine entscheidende Fähigkeit. | © Getty Images

Konzentrierte Aufmerksamkeit gilt als Schlüssel zum Erfolg. Mit diesen sechs Tipps können Sie lernen, sich besser zu konzentrieren – auf und abseits des Golfplatzes!

Bestimmt haben Sie diesen Satz schon häufig gehört, wahrscheinlich haben Sie ihn sich sogar schon einmal selbst zugeraunt, etwa nach einem verkorksten Putt. „Nun konzentrier‘ dich doch mal!“ – je nach Frustlevel noch knackig angereichert: „Du Honk!“, „Du Idiot!“, „Du Versager!“

Die Bedeutung der Konzentration für ein erfolgreiches Golfspiel ist unstrittig. Man braucht kein Golfer zu sein, um zu begreifen, dass dieser manchmal so brutale Sport vor allem deshalb so brutal ist, weil er psychisch herausfordernd ist. Weil der stärkste Gegner eben nicht mit dem Bag geschultert über die Wiese marschiert, sondern zwischen den eigenen Ohren sitzt und eine diebische Freude daran zu haben scheint, miesepetrige Kommentare von sich zu geben. 

Ruhiger Verstand als Voraussetzung für Bestleistungen

Natürlich, eine saubere Schwungtechnik mag zweifelsohne eine unverzichtbare Basis für ein erfolgreiches Spiel sein. Die Sache ist nur: Sie in den entscheidenden Situationen abrufen zu können, ist die wirklich wertvolle Fähigkeit. Und da kommt die Konzentration ins Spiel. 

Tim Gallwey, einer der bekanntesten Coaches der Welt, der mit zahlreichen Profis auf der PGA Tour zusammengearbeitet hat und dessen Buch „Inner Game Golf“ die wichtigsten mentalen Fertigkeiten in der Tiefe beleuchtet, erklärt: „Nur, wenn der Verstand ruhig ist, kann ein Spieler sein volles Potenzial nutzen und Bestleistungen erzielen.“ 

Die Fähigkeit zur Konzentration bezeichnet der Amerikaner als das „Merkmal der Meister“, da man sich mit seiner Hilfe auf jedem Gebiet verbessern könne. „Konzentration bedeutet, den Verstand im Hier und Jetzt zu halten. Er fokussiert sich auf eine einzige Aufgabe“, erklärt Gallwey. Etwas blumig ergänzt er: „Entspannte Konzentration ist die höchste Kunst – ohne sie ist gar keine Kunst möglich. Sie hilft uns bei fast allem, was wir tun. Ohne Konzentration lassen sich die Grenzen der eigenen Möglichkeiten nicht ausschöpfen.“ 

So verbessern Sie Ihre Konzentration

Heißt übersetzt: Wenn’s in der Birne nicht läuft, läuft nichts! Und andersrum: Wer sich wirklich konzentriert, wer wachsam und gegenwärtig ist, dem gelingen Handlungen wie von selbst. Das gilt für das Golfspiel auf jedem Level – und für jede andere Tätigkeit. Jane Blalock, eine ehemalige LPGA-Tour-Spielerin, 27-fache Turniersiegerin auf der amerikanischen Damentour, beschrieb ihren Zustand der Konzentration in einem Interview einmal so: „Ich bin ein völlig anderer Mensch. Ich höre niemanden. Ich sehe niemanden. Nichts kann mich aufregen. Nichts kann mich bei dem stören, was ich tue.“ 

Schon vor Jahrzehnten sprach die damalige LPGA-Tour-Spielerin Jane Blalock anschaulich über ihre Erfahrungen der entspannten Konzentration.
Schon vor Jahrzehnten sprach die damalige LPGA-Tour-Spielerin Jane Blalock anschaulich über ihre Erfahrungen der entspannten Konzentration. | © Getty Images


Klingt nach einem verlockenden, fast erlösenden Zustand für Sie? Mit den folgenden Tipps können auch Sie sich diesem Gefühl nähern: 

1) Machen Sie sich Ihre Störfaktoren bewusst

Was lenkt sie am meisten ab beim Spiel? Sind es die Gedanken an den Score, der Ärger über die eigenen Unzulänglichkeiten, die Angst vor nicht erfüllten Erwartungen? Oder sind es äußere Faktoren, die Sie aus dem Konzept bringen? Das Hadern mit Wetterbedingungen, die Kommentare der Mitspieler? Wann immer Sie spüren, dass Ihre Konzentration nachlässt, fragen Sie sich: Warum? Wohin wandert die Aufmerksamkeit, wenn sie sich vom gegenwärtigen Moment entfernt? Nur, wenn Sie die größten Störfaktoren kennen, können Sie Schritt für Schritt lernen, sie öfter auszublenden. 

2) Bewerten Sie weniger

Im Zustand der vollkommen entspannten Konzentration sind die Gedanken ruhig. Deshalb müssen Sie lernen, Ihre eigenen Leistungen weniger zu bewerten. Denn Bewertungen und Beurteilungen beschleunigen Ihr Gedankenkarussell. Das ist kontraproduktiv für einen konzentrierten Geist. Sachliche Analyse ja, Selbstverurteilung nein.   

3) Ein klarer Fokus

Sie können Gedanken nicht ausschalten wie ein Handy oder Tablet. Je mehr Sie Ihrem zappligen Geist den Kampf ansagen, desto lauter wird er. Der beste Weg zu einem ruhigeren Verstand besteht darin, ihn abzulenken. In Inner Game Golf beschreibt Gallwey eine Übung, die Sie im nächsten Training direkt ausprobieren können: Sie heißt „Hinten-Unten-Oben“ und hilft Ihnen dabei, sich vollkommen auf das Spüren Ihres Schlägerkopfes zu konzentrieren. So funktioniert sie: Wenn Sie wahrnehmen, dass Ihr Schläger im Rückschwung den äußersten Punkt erreicht hat, sagen Sie „hinten“. Wichtig: nur fühlen, nicht urteilen, ob der Schwung in Ihren Augen korrekt ist oder nicht! Im Moment des Treffpunktes sagen Sie „unten“, in der Endposition Ihres Schwungs sagen Sie „oben“. Der Clou: Wenn Sie sich wirklich nur auf das Spüren Ihres Schlägerkopfes konzentrieren, hat Ihr Verstand keinen Raum, Sie mit störenden Gedanken aus der Ruhe zu bringen. 

Spüren Sie den Schlägerkopf beim Rückschwung, im Treffmoment und am Ende der Bewegung.
Spüren Sie den Schlägerkopf beim Rückschwung, im Treffmoment und am Ende der Bewegung. | © golfsupport.nl/Russell Lansford/ism


4) Entwickeln Sie ein ehrliches Interesse

Es ist schwierig, sich auf etwas zu konzentrieren, woran Sie nicht interessiert sind – das kennen Sie von ungeliebten Aufgaben im Arbeitsalltag. Deswegen rät Gallwey: Entdecken Sie Details in Ihrem Spiel, für die Sie sich wirklich interessieren und auf die Sie Ihren Fokus richten können – zum Beispiel die Position des Schlägerkopfes (s.o.). „Details sind immer interessanter als vage Eindrücke“, erklärt Gallwey. 

5) Völlige Hingabe für das, was Sie tun

„Ein Berufsgolfer, der sich ganz dem Ansprechen eines wichtigen Balls hingibt, kann nicht hören, was die Zuschauer in seiner Nähe sagen; er ist sich weder der Kameras noch des Wettkampfes bewusst, da sie für seine unmittelbare Aufgabe unwichtig sind“, erklärt Gallwey. Der Verstand ist bei völliger Hingabe so fokussiert, dass kein Raum bleibt für ablenkende Zweifel oder Ängste. 

6) Immer wieder üben

Der vielleicht wichtigste Punkt zum Abschluss: Sie können nichts erzwingen – schon gar nicht den Zustand der entspannten Konzentration. Üben können Sie ihn durchaus, experimentieren und Erfahrungen sammeln, die im Wettkampf hilfreich sind. Gallwey behauptet: „Es gibt keinen wachen Moment, in dem man entspannte Konzentration nicht üben kann: wenn man Auto fährt, in einer Schlange steht, mit einem Freund spricht, Essen kocht, ein Problem löst, einen Ball schlägt, zum nächsten Ball geht.“ Also, üben Sie!