Mentale Stärke

Zweifeln Sie öfter an Ihren Zweifeln!


6. Februar 2023 , Felix Grewe


Das Gefühl des Selbstzweifels, wenn der Putt knapp am Loch vorbeigerollt ist, kennt auch Adam Scott.
Das Gefühl des Selbstzweifels, wenn der Putt knapp am Loch vorbeigerollt ist, kennt auch Adam Scott. | © Mark Kolbe/Getty Images

Kennen Sie das Gefühl von lähmendem Druck vor und auf einer Runde? Zehn Impulse für den richtigen Umgang mit der Anspannung – damit Sie das Golfspiel (noch) mehr genießen können.

1) Bemerken Sie das Gefühl

Es mag selbstverständlich klingen, ist aber trotzdem wichtig: Wenn Sie das Gefühl von Druck reduzieren wollen, müssen Sie es erst einmal als solches identifizieren. Sie können nur etwas verändern, dessen Sie sich bewusst sind. Ein weit verbreiteter Umgang mit Druck sieht so aus: Wir nehmen zwar irgendwo im Körper ein unangenehmes Gefühl wahr, versuchen es jedoch zu verdrängen. Nur äußerst selten führt diese Strategie zum Erfolg. Weder Gefühle noch Gedanken lassen sich bekämpfen. 

2) Umgang mit Selbstzweifeln

Meistens basiert das Gefühl von Druck auf der Angst vor dem Versagen – und die wiederum entsteht durch Zweifel an den eigenen Fähigkeiten. Timothy Gallwey, einer der führenden Coaches weltweit und Begründer der Coachingmethode The Inner Game, schreibt in seinem Buch „Inner Game Golf“: „Egal wie stark der Druck beim Lesen irgendeines Grüns ist, wir haben nur dann Angst, wenn wir an unserer Fähigkeit, den Ball zu versenken, gezweifelt haben. Die Angst wächst in dem Maß, wie der Glaube an die Kompetenz abnimmt. Wenn wir unsere Selbstzweifel dämpfen können, schwinden unsere Ängste.“ Für einen besseren Umgang mit Selbstzweifeln (übrigens auch abseits aller Golfplätze!) gibt der Amerikaner gern diesen Tipp: „Wenn Sie schon zweifeln, dann zweifeln Sie doch auch an Ihren Zweifeln!“ 

3) Fokussieren Sie sich

Selbstzweifel, die also häufig das Gefühl von Druck auslösen, breiten sich im Kopf immer weiter aus, je mehr Aufmerksamkeit Sie ihnen schenken. Das Gegenmittel heißt Konzentration. Je konzentrierter Ihr Geist, desto weniger Raum bleibt dort den störenden Gedanken. Die besten Golferinnen und Golfer (und natürlich auch Sportler aller anderen Disziplinen) erzielen ihre Höchstleistungen dann, wenn ihr Verstand möglichst ruhig ist. Dazu suchen Sie sich einen Fokus, auf den sie ihre Aufmerksamkeit richten. Viele konzentrieren sich beispielsweise auf die Atmung (siehe Punkt 5). So kann der Verstand von Zweifeln und Ängsten abgelenkt werden.   

 

Frust gehört zum Golf – aber schenken Sie dem Gefühl nicht zu viel Aufmerksamkeit.
Frust gehört zum Golf – aber schenken Sie dem Gefühl nicht zu viel Aufmerksamkeit. | © Andrew Redington/Getty Images


4) Gestatten Sie sich Nervosität

Verwechseln Sie nicht ungesunden Druck mit gesunder Nervosität. Vor einem Wettkampf ist das Gefühl der Anspannung nicht nur normal, sondern auch wichtig. Bis zu einem gewissen Grad sorgt es dafür, dass Sie die Bereitschaft entwickeln, alles zu geben. Tennisprofi Rafael Nadal gestand einmal am Rande der French Open, jenem Turnier, das der Spanier sagenhafte 14-mal gewinnen konnte, dass er auch nach den vielen Triumphen noch immer nervös sei beim Betreten des Center Courts. Warum sollte es Ihnen auf dem Golfplatz anders ergehen? 

5) Kontrollieren Sie die Atmung

Die größte Gefahr für Ihr Spiel heißt Verkrampfung. Wenn Ihr Level der Anspannung über das gesunde Maß hinauswächst, geht Ihre Lockerheit verloren und Ihr Schwung wird unrund. Wie Sie gegensteuern können? Mit einer bewussten Atmung. Meistens gilt: Je stärker das Gefühl des Drucks, desto flacher und schneller atmen wir. Das Gegenteil dessen kann für Ruhe und Entspannug sorgen: tiefes Einatmen durch die Nase in den Bauch hinein (ca. drei, vier Sekunden) und die Luft dann durch den Mund ausatmen (möglichst doppelt so lang, also sechs bis acht Sekunden). Stellen Sie sich dabei vor, dass Sie mit dem Ausatmen auch die übermäßige Anspannung entweichen lassen. Erinnern Sie sich an dieses kleine, aber wertvolle Tool vor allem auch auf der Runde. Ihre Atmung können Sie in nahezu jeder Situation kontrollieren... 

6) Seien Sie sich selbst ein Freund

Mit keinem Menschen kommunizieren Sie in Ihrem Leben häufiger als mit sich selbst. Überlegen Sie sich deshalb genau, in welchem Ton Sie mit sich sprechen und welche Worte Sie wählen. Oft neigen wir Menschen dazu, uns auf harsche Weise selbst zu kritisieren, wenn unsere Leistungen nicht den Ansprüchen entsprechen, die wir an uns selbst stellen. Klar ist: Je schroffer Sie mit sich umgehen, desto mehr steigt in der Regel die Gefahr, dass Ihnen Fehler unterlaufen, die vermeidbar wären. Sprechen Sie deshalb so mit sich selbst, wie Sie einer guten Freundin oder einem guten Freund begegnen würden – aufmunternd, freundlich und respektvoll. Stellen Sie sich vor, Sie würden einen anderen Spieler als Caddie begleiten. Welche Worte würden Sie wählen, wenn er sich gerade in einer schlechten Phase befindet?

7) Lösen Sie sich von den Resultaten

Bedenken Sie Folgendes: Nicht der Wettkampf an sich sorgt bei Ihnen für das Gefühl von Druck – sondern lediglich die Bedeutung, die Sie dem Ergebnis einer Runde beimessen. Wäre Ihnen der Score egal, gäbe es keinen Grund für eine übermäßige Nervosität. Deshalb erinnern Sie sich von Zeit zu Zeit, dass Ihr Selbstwertgefühl niemals von Ihrer Leistung auf dem Golfplatz abhängen sollte. Sobald der eigene Wert an Resultate geknüpft wird, leidet das Ego, wenn die Performance nicht stimmt. Denken Sie daran, dass es einzig und allein Ihre Entscheidung ist, welche Macht eine Scorekarte auf Ihr Wohlbefinden hat. 

8) Visualisieren Sie Ihr Ziel

Ein kurzer Ausflug in die Funktionsweise des Gehirns: Wussten Sie, dass es nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann? Diese Erkenntnis, die von der Wissenschaft belegt werden konnte, können Sie sich auch auf dem Golfplatz zunutze machen – und zwar durch zielführende Visualisierungen. Stellen Sie sich vor, wie Sie schwingen wollen, wie sich der für Sie perfekte Golfschwung anfühlt und sehen Sie dabei den Ball vor Ihrem inneren Auge sein Ziel erreichen. Dieser Technik bedienen sich die meisten erfolgreichen Sportler. Im Mentaltraining ist das Visualisieren weit verbreitet. Hurly Long erzählte einmal in einem Interview mit Golf.de: „Wenn ich auf der Runde bin, schließe ich vor jedem Schlag meine Augen. Ich versuche mich, in eine Art meditativen Zustand zu bringen. Es geht darum, so unterbewusst wie möglich Golf zu spielen, weil das Unterbewusstsein viel stärker ist als das Bewusstsein. Wenn ich am Ball stehe und über ein Fußballspiel nachdenke, kann ich nicht erwarten, dass ich einen guten Schlag mache – weil die Fokussierung fehlt.“ 

 

Freude ist eine Voraussetzung für Höchstleistungen – Tiger Woods (re., hier mit Kevin Na) ist das beste Beispiel.
Freude ist eine Voraussetzung für Höchstleistungen – Tiger Woods (re., hier mit Kevin Na) ist das beste Beispiel. | © Stan Badz/PGA TOUR/Getty Images


9) Vergessen Sie die Freude nicht

Bei allem Ehrgeiz, den die meisten Golfer verbindet: Vergessen Sie nicht das Wichtigste – die Freude! Golf ist nicht der Mittelpunkt des Lebens, erstrecht nicht Ihr Handicap. So schön dieser Sport und so menschlich der Wunsch nach passablen Ergebnissen auch ist: In erster Linie spielen Sie doch deshalb, weil Sie Freude haben und eine angenehme Zeit an der frischen Luft verbringen wollen, richtig? 

10) Ein Lächeln für den inneren Kritiker

Wenn gar nichts mehr hilft, funktioniert das immer: Schenken Sie Ihrem inneren Kritiker ein Lächeln! Wenn der Drive wieder einmal quer über den Platz fliegt, wenn der Pitch in den Bunker plumpst und der Putt zum Bogey an der Fahne vorbei und zu allem Überfluss auch noch das abfallende Grün hinabrollt, halten Sie kurz inne. Atmen Sie tief durch – und dann lächeln Sie einfach. Denn eines ist sicher: Durch Frust und Ärger wird’s nicht besser... 

 

Über den Autor: Felix Grewe ist nicht nur Sportjournalist und Autor auf Golf.de, er ist auch ausgebildeter Coach und zertifizierter Inner-Game-Facilitator.