Natur
Basiswissen Rote Liste und Golf
21. Juni 2024 , Redaktion Golf.de
Die 1963 gegründete Rote Liste der gefährdeten Arten wird von der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) erstellt und ist ein wichtiger Indikator für den Zustand der Biodiversität. Sie ist weltweit die umfassendste Informationsquelle über den globalen Aussterberisikostatus von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten.
Am 11. Dezember 2023 hat die IUCN auf der 28. UN-Klimakonferenz (COP28) in den Vereinigten Arabischen Emiraten die neueste Aktualisierung der Roten Liste der bedrohten Tier- und Pflanzenarten vorgestellt. Demnach werden derzeit insgesamt 157.190 Arten erfasst und von diesen sind mehr als 44.000 Arten in Bedrohungskategorien eingestuft worden. Darunter befinden sich unter anderem 41 Prozent der Amphibien, 37 Prozent der Haie und Rochen, 36 Prozent der riffbildenden Korallen, 34 Prozent der Nadelbäume, 26 Prozent der Säugetiere und 12 Prozent der Vögel.
Die Rote Liste liefert Informationen über Verbreitungsgebiet, Populationsgröße, Lebensraum und Ökologie, Nutzung und/oder Handel, Bedrohungen und Schutzmaßnahmen, die dazu beitragen, notwendige Naturschutzentscheidungen zu treffen. Das Ziel der IUCN ist es, mindestens 160.000 Arten zu bewerten. Von Experten vereinzelt kritisch bei der Roten Liste angesehen wird die Tatsache, dass die bisher erfassten Artengruppen nur auf terrestrische, insbesondere Waldökosysteme ausgerichtet sind.
Wann ist eine Art bedroht?
Die internationale Rote Liste beruht auf wissenschaftlichen Kriterien und ist damit die verlässlichste und renommierteste Quelle über den Zustand der Artenvielfalt. Wie bedroht eine Art ist hängt nicht nur davon ab, wie viele Tiere oder Pflanzen es noch gibt. Auch der Lebensraum spielt eine wichtige Rolle.
„Es macht einen großen Unterschied, ob eine Art über halb Ostafrika verbreitet ist, oder nur in einem kleinen Vulkankegel in Kenia vorkommt“, erklärt Arnulf Köhncke vom World Wide Fund For Nature (WWF) Deutschland. „Wenn ein Gebiet sehr klein ist, mag es hier noch 5.000 Tiere geben – trotzdem kann die Art durch eine mögliche Zerstörung des Gebietes stark bedroht sein.“ Außerdem überprüfen die Experten die Fortpflanzungsrate der jeweiligen Art und beobachten genau, wie sich ihre Population entwickelt.
Einstufung in drei Kategorien
Die Liste wird in unterschiedliche Kategorien aufgeteilt. Die Kategorien „vom Aussterben bedroht“ (critically endangered/CR), „stark gefährdet“ (endangered/EN) und „gefährdet“ (vulnerable/VU) werden dabei zusammengefasst, um die Zahl der „gefährdeten“ Arten anzugeben (threatened). Die Entwicklung der Anzahl der Arten in den Gefährdungskategorien (CR, EN, VU) von 1996 bis 2023 ist dabei enorm. In der höchsten Kategorie CR (2023: 9.760) ist die Anzahl in diesem Zeitraum um mehr als das Fünffache angestiegen. In der Kategorie EN (17.344) ist sie sogar rund sieben Mal so groß und in der Kategorie VU (16.912) beträgt sie das rund zweieinhalbfache gegenüber 1996.
Die Daten der Roten Liste bilden die Grundlage für die erforderlichen Indikatoren, um die Fortschritte bei der Erreichung der Ziele des Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD), des Kunming-Montreal-Biodiversitätsrahmen (Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework – GBF) für 2030 zu messen. Gleiches gilt für die Ziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UN) mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) insbesondere Ziel 15.
Aktuelle Erkenntnisse
Neue Erkenntnisse in dem aktuellsten IUCN-Bericht zeigen, dass einige Arten in der jüngsten Vergangenheit besonders bedroht sind. Der weltweite Bestand des Atlantischen Lachs ist zwischen 2006 und 2020 um 23 Prozent zurückgegangen. Weitere Arten wie Grüne Meeresschildkröten oder Süßwasserfischarten stehen im aktuellen Bericht besonders im Fokus. Im Umkehrschluss werden hier auch Erfolge wie zum Beispiel das Wiederansiedlungsprojekts der in der freien Wildbahn als ausgestorben geltende Säbelantilope im Tschad aufgeführt.
Eine Problematik taucht auch bei den eingeschleppten (invasiven) Arten auf. Der aktuelle Bericht des Weltbiodiversitätsrat (IPBES) vom September 2023 beziffert die Anzahl weltweit auf mehr als 37.000 gebietsfremde Arten, davon sind mehr als 3.500 invasiv. Letztere sind in der Lage, Arten zu verdrängen und im schlimmsten Fall ganze Ökosysteme zu kippen.
Der Faktor Mensch
Dem WWF zufolge gehen neuste Erhebungen davon aus, dass sich die Aussterberate durch menschliche Einflüsse mittlerweile um den Faktor 100 bis 1.000 gegenüber der natürlichen Rate erhöht hat. Lebensraumverlust und die massive Übernutzung der natürlichen Ressourcen wie etwa durch Überfischung oder auch Wilderei zählen dabei zu den weltweit wichtigsten Bedrohungsfaktoren für die Artenvielfalt. Hinzu kommen Umweltverschmutzung, Klimakrise und die Verdrängung der heimischen Flora und Fauna durch invasive Arten.
Laut WWF ist das Aussterben einer Art unumkehrbar und schafft unkalkulierbare Risiken. Tiere und Pflanzen haben neben ihrem Eigenwert eine Funktion im Ökosystem. Gerät dieses durch Artensterben durcheinander, so wird dies auch Folgen für den Menschen haben. Nahrung, Wasser und Medizin hängen in weiten Teilen der Erde direkt von einem funktionierenden und gesunden Ökosystem mit einer hohen Artenvielfalt ab. Wird dieses Ökosystem durch Artenverlust zerstört, so gerät auch die Existenzgrundlage eines großen Teils der Weltbevölkerung unmittelbar in Gefahr.
„Bonner Konvention“ / CMS / COP14
Im Lauf der Jahre hat die IUCN maßgeblich an der Arbeit der CMS mitgewirkt, und auf der COP wird die IUCN den Vertragsparteien technische Beratung über den Zustand und die Erhaltungsbedürfnisse bestimmter wandernder Arten sowie wissenschaftliche Bewertungen von Vorschlägen zur Änderung der Aufnahme von Arten in CMS-Anhänge zur Verfügung stellen. Der aktuelle Migrationsstatus der Wirbeltierarten bei den wandernden 4.430 Wirbeltierarten ist dem Global Register of Migratory Species (GROMS) zu entnehmen.
Nationale und regionale Rote Listen
Von Staaten oder Bundesländern für ihr Gebiet herausgegebene Rote Listen haben einen regionalen Bezug und dadurch eine andere Bedeutung als die internationalen Roten Listen der IUCN. Sie können auf geografische Besonderheiten eingehen und ermöglichen dem Artenschutz vor Ort eine umfassendere Darstellung.
In Deutschland werden die nationalen Roten Listen vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn herausgegeben. Hier findet sich je nach Art die aktuelle Rote Liste zum Download. Die Gesamtkoordination und Redaktion der Roten Listen Deutschlands liegt dabei seit 2019 in der Hand des Rote-Liste-Zentrums, das auf seiner Homepage ebenfalls Listen zum Download bereitstellt.
Die neue Rote Liste Säugetiere, die Rote Liste Süßwasserfische und Neunaugen, die Rote Liste Amphibien, die Rote Liste Reptilien sowie die Rote Liste der phytoparasitischen Kleinpilze stehen hier als elektronische Publikationen zur Verfügung. Darüber hinaus sind die Rote Liste-Daten dieser und weiterer Organismengruppen in den Downloadbereichen der Website abrufbar: Wirbeltiere, wirbellose Tiere, Pflanzen, Pilze und Flechten.
Die Rolle internationaler Golfplätze und Verbände
Golfplätze können dazu beitragen, dem Artensterben aktiv entgegenzuwirken und bedrohte Arten zu schützen. Angefangen von Bienen über Fledermäuse bis hin zu Insekten und Pflanzen finden hier rund um die Fairways zahlreiche schützenswerte Tiere, Pilze und Pflanzen eine Heimat. Golfplätze beherbergen die seltensten international geschützten Wildtiere, darunter alle Arten von Fledermaus- und Kreuzkröten. Auch rückläufige Arten wie Feldhase, Fischotter und alle Reptilien machen Golfplätze zu ihrer Heimat.
In England zum Beispiel sind über 98 Prozent aller Eidechsenorchideen im Royal St George’s Golf Club zu finden. Der Open-Veranstaltungsort ist nicht nur eine Oase für diese Spezies, sondern hilft ihnen auch als Keimzelle, sich auszubreiten und in die unmittelbare Landschaft zu gelangen. Gewisse Schafrassen sind speziell in Großbritannien häufig auf den Plätzen anzutreffen. Der R&A pflegt dabei eine langjährige Beziehung mit der Naturschutzorganisation RSPB. Diese hilft dabei, um das Lebensraummanagement und den Wildtierwert von Golfplätzen zu verbessern und den Golfsport dabei zu unterstützen, seine gute Arbeit bei der Umweltlobby und der Regierung zu fördern.
In Frankreich, wo 2023 insgesamt 38 Golfplätze im Jahr 2023 vom Französischen Golfverband ffgolf im Rahmen des Programms Golf & Label für Biodiversität mit Silber ausgezeichnet worden sind, pflegt der Verband zum Thema Biodiversität Partnerschaften mit dem Nationalmuseum für Naturgeschichte (www.golfpourlabiodiversite.org) oder engagiert sich im Rahmen von Stiftungsfonds (www.ffgreen.org). Der Golf de Touraine ist der erste französische Golfclub, der im Rahmen des Programms „Golf für die biologische Vielfalt“ ausgezeichnet wurde und welcher die Artenvielfalt auf dem eigenen Platz listet und schützt.
In den USA schuf der Endangered Species Act (ESA) von 1973 als Gesetz zur Erhaltung gefährdeter und bedrohter Arten von Fischen, Wildtieren und Pflanzen sowie für andere Zweck einen Rahmen für die Erhaltung und Wiederherstellung gefährdeter Pflanzen und Tiere in den Vereinigten Staaten. Das Gesetz verlangt von den Bundesbehörden, dass sie sicherstellen müssen, dass ihre Maßnahmen die Existenz der aufgeführten Arten nicht gefährden können. Der Florida-Panther, die Florida-Seekuh, der Kalifornische Kondor oder die Unechte Karettschildkröte, Mississippi-Erdhörnchen-Frosch oder die Franklins Hummel gehören derzeit beispielsweise zu den meistbedrohten Arten. Die USGA als US-Golfverband investiert im Rahmen seines USGA-Nachhaltigkeitsprogramms in entsprechende Forschungsprojekte und hat auch an seinem USGA-Campus in New Jersey Nachhaltigkeitspraktiken als Schwerpunkte.
In Schottland hat die Non-Profit-Organisation GEO Foundation for Sustainable Golf ihren Sitz und betreibt das weltweit führende Nachhaltigkeitssystem für den Golfsport.
Der Deutsche Golf-Verband (DGV) bietet zum Thema Biodiversität zahlreiche Projekte wie GolfBiodivers an und liefert hierzu für Golfanlagenbetreiber wichtige Informationen im Rahmen des Factsheet Biodiversität auf dem Golfplatz oder innerhalb der DGV-Toolbox Umwelt- & Platzpflege. Zudem gibt es auch Kooperationen wie zum Beispiel mit der Deutschen Wildtier Stiftung.