Natur

Der Golfplatz als Bestandteil einer Schwammstadt


21. Februar 2024 , Petra Himmel


Schwammstadt: Golfplätze als naturnahe Flächen
Schwammstadt: Golfplätze als naturnahe Flächen | © P.Himmel

Warum Raum für Golfplätze nützen? Diese kritische Frage haben in diesem Jahr viele Kritiker dieser Sportart gestellt. Mit am lautesten vielleicht Simon Hunt, der Business und Technologie Korrespondent der Londoner Zeitung The Evening.

Der durchschnittliche Londoner Neun-Löcher-Golfplatz sei groß genug für 42 Fußball und 671 Tennisplätze, ließ Simon Hunt wissen und forderte die Auflösung von 131 Golfplätzen im Großraum London, um das Gelände wieder „der Natur zurückzugeben und statt der Clubhäuser Appartement-Anlagen zu bauen.“ Der Business und Technologie Korrespondent der Londoner Zeitung The Evening war übrigens nicht der Erste in einer europäischen Großstadt mit einer ensprechenden Forderung. Auch im Großraum Berlin werden ähnliche Wünsche von Mitgliedern der Linken-Partei immer wieder geäußert.

Wer sich die Funktion eines Golfplatzes in einer Großstadt oder urbanen Bereichen aber genauer ansieht, stellt schnell fest. Diese Grünfläche, auf 18 Löchern schnell über 60 Hektar groß, passt hervorragend ins Konzept der Schwammstadt, die als innovativer Ansatz zur Bewältigung von Umweltproblemen in zunehmend urbanisierten Bereichen gilt

„Schwammstadt“ – das meint eine Stadt, die sich das natürliche Wassermanagement der Natur zunutze macht, um Überflutungen zu minimieren, Grundwasserressourcen zu schützen und die Stadtbewohner mit frischem Wasser zu versorgen. Im Herzen dieses Konzepts stehen die Versickerungsflächen, die eine entscheidende Rolle für die Funktionsfähigkeit einer Schwammstadt spielen. Zu diesen Versickerungen zählen Golfplätze.

Ursprung des Begriffs „Schwammstadt“

Der Begriff „Schwammstadt“ wurde erstmals in den 1980er Jahren von Architekten und Stadtplanern geprägt, die nachhaltige Ansätze für das städtische Wassermanagement entwickelten. Die Idee hinter dem Konzept ist simpel, aber wirkungsvoll: Statt Regenwasser über Versiegelung und Kanalisation schnell von den Straßen abzuleiten, soll es in der Stadt zurückgehalten, absorbiert und langsam in den Boden versickern werden. Auf diese Weise ahmt die Stadt die natürliche Wasseraufnahmefähigkeit von Ökosystemen nach und minimiert die negativen Auswirkungen von Überschwemmungen und Wasserknappheit.

Versiegelungsflächen in Großstädten wie Berlin und London

Die Größe der Versiegelungsflächen einer Stadt spielt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des Schwammstadt-Konzepts. In Berlin, einer der grünsten Metropolen Europas, belaufen sich die Versiegelungsflächen auf etwa 37 Prozent der städtischen Gesamtfläche. London hingegen, als eine der bevölkerungsreichsten Städte Europas, weist einen Versiegelungsgrad von rund 25 Prozent auf. Diese Versiegelungsflächen bestehen aus asphaltierten Straßen, Betonflächen und Gebäuden, die den natürlichen Wasserabfluss behindern.

Der Ablauf der Versickerungsprozesse und die Wassergewinnung

Die Prozesse in Versickerungsflächen sind entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung des Schwammstadt-Konzepts. Wenn es regnet, sammelt sich das Wasser auf Oberflächen wie Dächern, Straßen und Plätzen. Anstatt das Wasser schnell abzuleiten, werden speziell gestaltete Grünflächen, Parks, Dächer und Gehwege genutzt, um das Regenwasser aufzufangen. Diese Flächen sind oft mit durchlässigem Boden oder Substrat ausgestattet, das es dem Wasser ermöglicht, langsam in den Untergrund zu sickern. Golfplätze bieten in diesem Zusammenhang weit größere Flächen als etwa Gärten oder kleine Parks für den Versickerungsprozess, der in mehreren Schritten erfolgt

  1. Absorption: Die Grünflächen nehmen das Regenwasser auf und speichern es vorübergehend.
  2. Infiltration: Das Wasser durchdringt den Boden und bewegt sich langsam in die tieferen Bodenschichten.
  3. Speicherung: Ein Teil des Wassers wird im Boden gespeichert, wodurch die Grundwasserreserven aufgefüllt werden.
  4. Verdunstung und Transpiration: Ein Teil des gespeicherten Wassers verdunstet von der Bodenoberfläche oder wird von Pflanzen durch Transpiration (Wasserverlust durch Pflanzen) freigesetzt.
  5. Wiederauffüllung von Gewässern: Das überschüssige Wasser bewegt sich langsam in nahegelegene Gewässer, wie Bäche oder Seen, und trägt so zur Wiederauffüllung bei.

Dieser Prozess bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Erstens hilft er, Überschwemmungen zu reduzieren, da das Regenwasser nicht in die Kanalisation abfließt und so das Abflusssystem entlastet wird. Zweitens ermöglicht er die natürliche Auffüllung des Grundwassers, was wiederum die Wasserreserven sichert und die Gefahr von Bodenabsenkungen verringert. Drittens unterstützt er das Mikroklima der Stadt, da die Verdunstung und Transpiration zur Abkühlung beitragen. 

Die Wertigkeit unterschiedlicher Grünflächen

Die Auswahl und Gestaltung der Grünflächen innerhalb einer Schwammstadt sind entscheidend für die Effizienz der Versickerungsflächen. Verschiedene Arten von Grünflächen erfüllen unterschiedliche Funktionen und tragen zur Gesamtfunktionsfähigkeit bei.

  1. Naturnahe Flächen: Naturnahe Grünflächen wie Parks und Wälder bieten eine hohe Wasseraufnahmefähigkeit und fördern die Infiltration und Speicherung von Wasser. Diese Flächen sind auch wichtig für die Artenvielfalt und das Stadtklima.
  2. Dachbegrünung: Grüne Dächer tragen nicht nur zur Ästhetik bei, sondern absorbieren auch Regenwasser und reduzieren den direkten Abfluss von Oberflächen.
  3. Regenwassergärten: Diese mit speziellen Pflanzen bestückten Grünflächen helfen nicht nur beim Wassermanagement, sondern filtern auch das Regenwasser und fördern die Bodenbildung.
  4. Urban Farming: Landwirtschaftliche Flächen in der Stadt können nicht nur Nahrung produzieren, sondern auch Regenwasser aufnehmen und verdunsten lassen.

Golfplätze als naturnahe Flächen

Golfplätze sind anders als Dächer oder kleine Gärten große naturnahe Flächen, die von entscheidender Bedeutung für die erfolgreiche Umsetzung des Schwammstadt-Konzepts sind. Sie sprechen uns dabei nicht nur ästhetisch an und erfüllen ihren Zweck als Sportanlage, sondern leisten mit ihren Extensiv-Flächen eine Vielzahl von Funktionen, die zur nachhaltigen Bewältigung städtischer Wassermanagement-Herausforderungen beitragen. Gerade die Extensiv-Flächen mit Biotopen, artenreichen Wiesen, Waldbereichen oder Heckenstrukturen zeichnen sich durch ihre hohe Wasseraufnahmefähigkeit, ihre natürliche Vegetation und ihre positiven Auswirkungen auf das städtische Mikroklima aus. Oftmals verfügen sie innerhalb ihres Geländes über verschiedene Typen von Naturflächen:

Biotope sind oft von hoher ökologischer Bedeutung und beherbergen eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren. Sie fördern die Biodiversität und sind gleichzeitig  Flächen für die Wasseraufnahme und -speicherung.

Auch Feuchtgebiete wie Teiche, wechselfeuchte Zonen oder renaturierte Bachläufe Sümpfe spielen eine wichtige Rolle im Wasserkreislauf einer Schwammstadt. Sie sind natürliche Rückhaltebecken für Regenwasser und tragen zur Verlangsamung des Abflusses bei. Feuchtgebiete wirken wie Schwämme, die überschüssiges Wasser aufnehmen und langsam freigeben, was das Risiko von Überschwemmungen minimiert. Gleichzeitig bieten sie Lebensraum für eine Vielzahl von Wasser- und Wasserrandarten.

Bedeutung von Golfplätzen erkennen

Trotz des wachsenden Bewusstseins für die Bedeutung von Schwammstädten und naturnahen Flächen stehen viele Städte noch vor Herausforderungen bei der Umsetzung. In Berlin beispielsweise sind zwar zahlreiche Grünflächen und Parks vorhanden, doch der hohe Versiegelungsgrad in einigen Gebieten beeinträchtigt die Effizienz des Schwammstadt-Konzepts. London hingegen hat sich in den letzten Jahren verstärkt auf die Förderung von Gründächern und Gemeinschaftsgärten konzentriert, um die Versickerung von Regenwasser zu verbessern.

Das Vorhandensein von Golfplätzen dagegen, die enorme Flächen in das Konzept einbringen können, wird oftmals eher sozialkritisch betrachtet. Nicht nur in London, sondern zum Beispiel auch in Städten wie San Francisco oder Los Angeles, die unter hohem Siedlungsdruck leiden, wird immer wieder der Ruf nach Umwandlung der Golfflächen laut.

Dabei wird übersehen, dass gerade der über 50-prozentige Anteil von naturnahen Flächen, den Golfanlagen in der Regel mitbringen, eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung und Funktionalität einer Schwammstadt zukommen kann. Sie tragen nicht nur dazu bei, die Auswirkungen von Extremwetterereignissen zu minimieren, sondern auch zu einer grüneren, gesünderen und lebenswerteren städtischen Umgebung bei. Wichtig dabei ist allerdings, dass sie über Spazier- und Wanderwege auch für die Öffentlichkeit erschlossen sind. Durch die Integration dieser vielfältigen Flächen können Städte ihre Resilienz gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels stärken und gleichzeitig das Wohlbefinden ihrer Bewohner fördern.

In einer Zeit, in der der Klimawandel und die Urbanisierung große Herausforderungen für die städtische Lebensqualität darstellen, zeigt das Konzept der Schwammstadt mit seinen Versickerungsflächen einen vielversprechenden Weg auf. Durch die Nachahmung natürlicher Prozesse trägt es nicht nur zur Reduzierung von Überschwemmungen und zur Sicherung der Wasserressourcen bei, sondern schafft auch grünere und lebenswertere Städte für die Zukunft. Golfplätze können dabei als naturnahe Sportanlagen, egal ob städtisch oder privat finanziert, eine wichtige Rolle spielen.