The Open

60.000 mit Schirm und der "Butcher" liefert


23. Juli 2023 ,


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Der "Butcher" siegt: Brian Harman | © Richard Heathcote/R&A/R&A via Getty Images)

Der Open-Sonntag hält schwerste Bedingungen für Spieler und Fans bereit. Marcel Siem hat erstmal genug vom Golf und der "Butcher" zieht eiskalt seine Runde. Michael Born berichtet live aus Liverpool.

Der Sonntag beginnt mit einer Enttäuschung, Vorhang zur Seite, dieses Mal hat die Wetter-App – leider – recht. Regen in Liverpool schon am Morgen – und es sollte nicht besser werden. Ausgerechnet am Finaltag der 151. Austragung der Open Championship, oder grade deswegen? Sollten noch die ganz verrückten Dinge passieren und der meilenweit enteilte Hobbyjäger Brian Harman doch vor seinem ersten Majorsieg eingefangen werden? Die britische Boulevardpresse gibt alles.

Lokal Hero „Lad Tommy“ Fleetwood soll Jagd machen auf Harman alias „Der Butcher von Hoylake“ – sehr sensible Schlagzeilen; die Pressekonferenz mit Harman am Abend zuvor war für die lieben Kollege ein gefundenes Fressen, Der Amerikaner sprach ausführlich über seine Jagdliebe und das Schlachten von Wild.

Alles Geschmackssache, nur beim Wetter waren sich alle einig. Es wurde immer schlimmer, ein gestandener Profi wie Matthew Southgate stand nach der Runde nass bis auf die Knochen beim Interview und offenbarte „die herausforderndste und anstrengendste Runde seit langer Zeit.“

"Hab erstmal genug vom Golf"

Um so höher muss man die Leistung der beiden verbliebenen deutschen Teilnehmer bewerten. Marcel Siem landet nach einer bei echt schwerem Wetter auf den zweiten Neun gut 70 auf Platz… und ist heilfroh, schnell das Gelände zu verlassen: „Ich hab erstmal genug von Golf nach fünf Wochen am Stück, freu mich jetzt bald meine Frau und Kinder wiederzusehen. Jetzt flieg ich aber erstmal nach Düsseldorf und treff mich noch mit Kumpels, da war ich auch lange nicht.“

Im Gegensatz zum ein oder anderen völlig durchweichten Pro erscheint Hurly Long Minuten nach Scorecard-Abgabe wie aus dem Ei gepellt zum Interview. Wie geht das? „Einfach nur meine Regenklamotten ausgezogen.“ Richtig gutes Zeug anscheinend. Wie auch sein Golf am Sonntag beim ersten Major der Karriere, zum Abschluß eine Par71-Runde mit einem schönen Birdie auf der 18. Viele laute Cheers von der Tribüne, klatschen ist mit dem Schirm in der Hand eher schwierig. Long war happy „seit über einem Jahr mal wieder richtig gutes Golf gespielt zu haben.“ Lohn: wie Siem landet er auf dem geteilten 41.Platz, die Open-Woche hat sich in jeder Hinsicht gelohnt.

"Butcher" eiskalt

Rory McIlroy kämpft zur selben Zeit mit Wind, Regen, Platz und seinem Spiel. Die Massen folgen ihm seit Bahn eins, wer zu spät kommt, sieht aufgrund der aufgespannten Schirme in Reihe zwei oder drei gar nichts mehr. Da ist es auf dem Sofa mit einem Stück Kuchen heute entspannter und man sieht auch was. Es wird nichts mit dem ersten Major-Sieg seit 2014 (damals auch in Hoylake) für den Nordiren und auch die anderen Verfolger tun sich schwer.

Bei Sepp Straka läuft es noch mit am besten, das „Was-wäre-wenn-Spielchen“ bringt ja nix, aber wenn die beiden Putts auf der 7 und 8 fallen…

So zieht der „Butcher“ eiskalt seine Runde. Bogey zwei und fünf, ohne mit der Wimper zu zucken zur Kenntnis genommen. Zwei Birdies an der 6 und 7 als Antwort. Fragen? Heute keine. Insgesamt leider ein eher langweiliger, verregneter Open-Sonntag.

Adam Scott der Gentleman

Es sind auch die kuriosen Momente, die hängenbleiben. 82.000 Fans auf der Anlage bedeuten Zuschauerrekord bei den Open in England an einem Sonntag, gefühlt 60.000 sind mit Schirm unterwegs. Das übliche Golfzeug von A bis Z – und ein Schirm des FC St.Pauli. What? Phil hat sich Fanartikel nach zwei Spielen in Hamburg am Millerntor mitgebracht, ist Liverpooler und eigentlich Fan von Everton.

Der Mann ist Kummer gewohnt.

Hatte auch Adam Scott immer wieder in den letzten Jahren, aber der Australier bleibt stets ein echter Gentleman. Während sich draußen die Massen über den Haufen laufen, um Rory auf den Fersen zu bleiben – zum Teil ist es auf den Wegen so schlammig wie üblicherweise beim Festival in Wacken – bittet genau ein Reporter den Masters-Gewinner von 2013 zum Gespräch nach dem Turnier. Während japanische Kollegen im Rudel jeden Spieler in die Mangel nehmen, will von Scott (fast) keiner was wissen, trotzdem antwortet der Australier auch auf Frage sieben freundlich und geschliffen in der Aussage.

Auf dem Platz geht’s langsam in die – leider nur vermeintlich – heiße Phase. Ab 17 Uhr wird es spürbar leerer auf der Anlage, viele haben genug vom Regen und der ausbleibenden Aufholjagd. Ab nach Hause, Rest gucken im „tele“. Spätestens nachdem Tommy Fleetwood an der neuen 17 ein Double Bogey kassiert und weit zurückfällt,  ist für viele englische Fans „game over“ – Abmarsch.
 


Druck standgehalten

Harman macht einfach weiter – noch einer dieser sensationellen Putts aus 10 Metern plus x – die offizielle britische Vermessung ist  40 feet beim Birdie-Putt an Loch 14, über 12 Meter sind für Harman kein Hindernis, drin. Die englischen Boulevard-Kollegen können schon mal an den „Butcher“-Überschriften feilen, zwischenzeitlich zieht der Mann aus Georgia wieder fünf Schläge davon, nix Aufholjagd.

Kein McIlroy, kein Rahm, kein Grillo und auch kein Straka können mithalten. Der Österreicher war mit dem geteilten zweiten Platz am Ende aber einer der großen Gewinner der Woche, auch mit Blick auf die anstehende RyderCup-Nominierung: „Das hier wird helfen, ich spiel konstant gut momentan und bring Ergebnisse, sind noch ein paar Monate, aber es sieht gut aus.“

Um 18.30 Ortszeit – der Regen hat nicht einmal aufgehört an diesem Sonntag – überreicht R&A Boss Martin Slumbers vor immer noch fast vollen Tribünen an der 18 den Claret Jug an Harman. Absolut verdienter Sieger, über vier Runden mit Abstand der beste Spieler, geht mit sechs Schlägen Vorsprung durchs Ziel. Erster Majortitel. Druck standgehalten, Nerven behalten. Auch wenn er kein Publikumsliebling ist und wohl auch nicht werden wird: Der „butcher“ hat beeindruckend abgeliefert in Hoylake.