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Michelle Wie-West: Gurken statt Putting-Drills


14. Juli 2023 , Thomas Fischbacher



Bei der US Womens Open endete die Laufbahn von Michelle Wie-West. Ein Blick zurück auf eine Karriere, geprägt von Talent, Erwartungen und Mut – und auf das, was ansteht.

Michelle Wie-West war gerade 15 und schaffte fast den Cut bei einem Turnier der ersten Liga – bei den Herren auf der PGA Tour wohlgemerkt. Ein Schlag fehlte der großgewachsenen Hawaianerin damals, um auch am Wochenende der Sony Open in ihrer Heimat noch das Publikum begeistern zu können. 

Es war ein Auftritt, der in Erinnerung blieb. Die junge Dame legte eine kaum vorstellbare Athletik an den Tag. Nicht selten flog ihr Ball auch an denen der männlichen Tour-Spieler vorbei. Schnell folgten die üblichen Superlative: Wunderkind, Revolution und so weiter. Wie-West war mit einer Schwungtechnik gesegnet, die man vorher so noch nicht kannte. Der Sportartikelriese Nike nahm das Top-Talent schnell unter Vertrag. So hatte sie finanziell ausgesorgt, bevor sie volljährig wurde.

Es war wie damals, als Tiger in Augusta die große Bühne betrat – und eine Ära prägte. Doch während Woods während seiner Laufbahn bisher 15 Major-Siege verbuchen konnte, holte Wie-West nur einen. Eine Woche, nachdem Martin Kaymer 2014 in Pinehurst die US Open gewinnen konnte, feierte "Big Wiesy" an Ort und Stelle den größten Sieg ihrer Laufbahn. 

Immer wieder Verletzungen

Trotz all der Versprechungen konnte sie letztendlich nicht die Höhen erreichen, die ihr vorhergesagt wurden. Fünf Turniersiege auf der LPGA Tour stehen am Ende in ihrer Bilanz. Auch weil der Körper den Verschleiß ihres explosiven Schwungs nicht immer gut verkraftete. Immer wieder warfen sie Verletzungen zurück. Die Gesundheit war letztlich auch der ausschlaggebende Grund, nicht als Mama (Tochter Makenna kam 2020 zur Welt) nochmals fest auf die Tour zurückzukehren.  

Auch psychisch gab es immer wieder schwierige Phasen. Bereits mit zehn Jahren schaffte es sie es zu einer USGA-Amateurmeisterschaft – und stand seither im Rampenlicht. Mit 16 folgte der Schritt ins Profilager. Es folgten die Werbemillionen – und der damit verbundene Druck. Eine Entwicklung, die Spuren hinterlässt. "Ich habe sehr lange gebraucht, um zu begreifen, dass 'Golf Golf ist und Leben ist Leben'", erklärte sie in ihrem Podcast. 
 


Vergangene Woche war die 33-Jährige aller Voraussicht nach letztmals bei einem Major-Turnier mit von der Partie. In Pebble Beach verabschiedete sie sich gemeinsam mit Annika Sörenstam. Auch wenn die Erfolge ihrer schwedischen Spielpartnerin die eigenen deutlich in den Schatten stellen, war Wie-West in den vergangenen fast 20 Jahren eine der meistbeachteten Persönlichkeiten in der Branche – und inspirierte etliche junge Mädchen. 

Auch Wie und ihrer Strahlkraft hatten es die Damen bei der US Womens Open zu verdanken, dass es um ein Rekord-Preisgeld in Höhe von elf Millionen Dollar ging, davon zwei Millionen an Gewinnerin Allisen Corpuz. Wie-West mag vielleicht etwas weniger gewonnen haben, als zunächst erwartet, aber über Jahre war sie diejenige im Feld, die die meisten Zuschauer um sich versammelte. Eine Personalie, die zahlreiche Fans auf die Anlage lockte.

Keine Putting-Drills mehr bis zum Lebensende 

"Ich habe in meiner Karriere viele mutige Entscheidungen getroffen, und darauf bin ich stolz", resümierte sie nach ihrem letzten Auftritt. "Ich bin stolz darauf, manchmal furchtlos gewesen zu sein und einfach das zu tun, was sich richtig anfühlt. Ich hoffe, dass ich viele andere Mädchen dazu inspiriere, auch in ihrer Karriere mutige und furchtlose Entscheidungen zu treffen."

Es war eine emotionale Woche in Pebble Beach. Freunde und Familie vor Ort und ihr Mann Jonnie West unterstütze als Caddie. Das Adrenalin wird sie vermissen, erklärte sie. Diese spezielle Nervosität. Der perfekte Schlag unter Druck. Die Freundinnen auf der Tour. 

Putting-Drills hingegen werde sie in diesem Leben nicht mehr ausführen, schmunzelte sie. Was sonst noch anstünde? "Mein Garten ist im Moment sehr ungepflegt, also werde ich wieder loslegen. Die Gurken sind wirklich gut im Kommen, also werde ich auf jeden Fall ein paar einlegen", erklärte sie ihre Pläne für die nähere Zukunft. 

Der Golfsport der Damen kann nur hoffen, dass sich diese große Persönlichkeit auch in Zukunft ab und an aus dem Garten bewegt und präsent bleibt. 

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