Amateur Champ.

Ritt auf der Rasierklinge


20. Juni 2023 , Stefan Bluemer


Kampf nicht belohnt: Carl Siemens (© Octavio Passos/R&A/R&A via Getty Images)
Kampf nicht belohnt: Carl Siemens (© Octavio Passos/R&A/R&A via Getty Images)

Bei der 128. Amateur Championship zahlt der Bundesadler viel Lehrgeld. Carl Siemens sorgt bis zur letzten Bahn für Hochspannung, ist am Ende doch nicht im Cut, so dass lediglich Tiger Christensen nach der Zählspielqualifikation noch im Rennen um den so begehrten Titel ist.

Southport/England – Links Golf hat seine eigenen Gesetze. Diese kann man zwar theoretisch erklären und sich eine Taktik zurecht legen, aber was schon der Dortmunder Borusse Addi Preißler in den 50er Jahren für den Fußball wusste, gilt auch im Golfsport: Entscheidend ist auf dem Platz!

Um erfolgreich auf Links Courses bestehen zu können, bedarf es Erfahrung. Erfahrung, die dem deutschen Team in weiten Teilen fehlt, nachdem die Corona-Zeit viele Turnier- und Trainingsreisen verhindert hat. Ergebnis konkret bei der 128. Auflage des wichtigsten Amateur-Turniers Europas ist, dass mit Tiger Christensen nur ein Deutscher den Cut nach zwei Runden Zählspielqualifikation gemacht hat und die übrigen acht Athleten vorzeitig ihre Zelte an der Irischen See abbrechen werden.
Tiger Christensen hatte sich mit einer 70 (-2) auf Hillside am ersten Tag sehr gut in Position gebracht, so dass eine 71 (Even Par) auf Southport & Ainsdale reichte, um genau auf der Cutlinie den Sprung in die Matchplays zu machen. Dabei spielte der Falkensteiner eine sehr solide Runde mit jeweils drei Bogeys und Birdies.
„Nach dem Wechsel seines Colleges stabilisiert sich die Leistung von Tiger Christensen wieder und wir hoffen, dass er die eine oder andere Runde im Matchplay gewinnen wird“, erklärt Bundestrainer Christoph Herrmann die positive Entwicklung des Spielers vom Hamburger GC.

Hochspannung

Als am Abend klar war, dass der Cut bei zwei unter Par liegen wird, machte es ein zweiter Spieler des Junior Team Germany richtig spannend. Der Ritt auf der Rasierklinge ging allerdings für Carl Siemens nicht gut aus. Der Kampf um den Titel und die damit verbundenen Einladungen zur 151. Open in Royal Liverpool, zur U.S. Open und zum Masters Tournament endete für den Spieler des Wolfpacks von St. Leon-Rot schon nach den Zählspielrunden.
Nach der gestrigen Par-Runde auf Southport & Ainsdale lag der Athlet, der gerade eben 19 Jahre alt geworden ist, auf Hillside nach fünf Löchern bei „eins unter“. Das Bogey auf Loch zehn glich Siemens postwendend mit seinem zweiten Birdie aus und stand von da an immer einen Schlag unter der Cutlinie. Als dies auch noch Stand der Dinge war, als Siemens auf das 18. Tee kam, musste er mehr Risiko gehen und wurde hierfür mit einem Bogey bestraft, so dass auch seine zweite Runde Even Par endete und er auf Rang 113 zurück fiel.

„Es war bis zum Ende sehr spannend. Ich wusste, dass der Cut niedrig sein wird, weil das Wetter gut war und dies auf einem Links Platz immer heißt, dass tief gespielt wird. Ich bin ganz gut gestartet, habe solide weiter gespielt. Ich wusste, dass ich noch einen oder zwei Schläge brauche, habe dann aber die Chancen, die ich mir gegeben habe, nicht genutzt. Ich habe es auf den Grüns liegen gelassen. An der 18 wusste ich, dass ich Birdie brauche und lag, weil ich aggressiver gespielt habe, im Fairwaybunker. Dieses Turnier war meine erste Links Erfahrung. Es war keine Katastrophe, zumal bei diesem großen Teilnehmerfeld. Trotzdem hatte ich mir mehr erhofft und jetzt geht es darum, die richtigen Lehren daraus zu ziehen und bis zur Team-EM daran zu arbeiten, dann bei 100 Prozent zu sein“, war Carl Siemens zwar enttäuscht, blickte aber dennoch schon wieder voraus.

Zu wenig Wind

Auffällig beim Turnier bisher: Am Strand der Irischen See herrschten tagsüber lieblich-sommerliche Bedingungen. Wind war kaum im Spiel, was zur Folge hatte, dass die Scores insgesamt tief in den Keller rutschten und die Spieler im Vorteil waren, die mutig die seltene Chance ergriffen, zu attackieren. Zumal die Grüns wegen Regens in der Nacht untypisch weich waren und man öfter direkt an den Stock spielen konnte, als dies auf diesen Links Courses sonst üblich und taktisch klug ist.
Zwei Deutsche blieben am zweiten Tag unter Par. Wolfgang Glawe vom GC Mannheim-Viernheim und Peer Wernicke vom GC Hubbelrath hatte am ersten Tag allerdings zu viele Schläge gebraucht, um den Cut noch zu erreichen. Auch Laurenz Schiergen vom GC Hösel war mit einer Par-Runde deutlich verbessert.

Fazit des Bundestrainers

„Die Aufgabe der Zukunft muss sein, im Links Golf wieder aufzuholen. Nach Corona ist dies möglich und das werden wir uns auf die Fahnen schreiben, um in der Nachwuchsförderung komplette Golfer zu formen. Die Bedingungen waren dieser Tage gar nicht so krass, trotzdem hatten wir viel Respekt und haben die Plätze viel zu vorsichtig gespielt. Bei einem so exquisitem Feld von 288 Spielern ist es zwar auch nicht so einfach, in die Top 64 zu kommen, aber trotzdem hätten wir uns erhofft, dass es mehr als einem Spieler gelingt“, analysierte Christoph Herrmann das Ende der Zählspielqualifikation.
Trotz der nicht zufriedenstellenden Zwischenbilanz hatte der Bundestrainer auch positive Ansätze gesehen: „Ben Kelling fasst nach dem Abitur langsam wieder Fuß und hat hier ganz viel gelernt. Er hat schon in der ersten Runde gezeigt, dass er auf Dauer internationales Format hat. Dies trifft auch auf einige andere zu, die ebenfalls gute Runden absolviert haben, ohne den Cut zu machen. Jetzt schauen wir erstmal, dass Tiger Christensen gut in die Matchplays geht und hoffen, dass er weit kommen wird.“

Vorausscheidung

Da nach Reglement die besten 64 Spieler und alle Schlaggleichen in die Matchplays aufsteigen, haben sich insgesamt 85 Athleten qualifiziert. In der ersten Runde Matchplay wird das Feld auf tatsächlich 64 Spieler reduziert. In dieser vorgeschalteten, ersten Matchplay-Runde trifft Tiger Christensen ab 8.12 Uhr auf Rick Hessing. Auch der Niederländer hatte nach zwei Runden Zählspiel einen Gesamtscore von zwei unter Par in den Büchern.


Ergebnis nach Runde 2
T62              Tiger Christensen        -2
T113/MC     Carl Siemens            Even
T156/MC     Wolfgang Glawe          +2
T199/MC     Tim Tillmanns            +4
T199/MC     Peer Wernicke           +4
T199/MC     Laurenz Schiergen     +4
T247/MC     Ben Kelling                  +7
T273/MC     Yannick Malik            +11
T279/MC     Paul Ulmrich             +13