Menschen

Luft läuft, lacht, lernt - und liebt das Golfspielen


24. April 2023 , Thomas Kirmaier


Golfer im 99. Lebensjahr: Dr. Helmut Luft, Turnierspieler aus Hessen, gibt wertvolle Tipps, wie man in Würde altert. © Privat
Golfer im 99. Lebensjahr: Dr. Helmut Luft, Turnierspieler aus Hessen, gibt wertvolle Tipps, wie man in Würde altert. © Privat

Der Mann ist ein Phänomen. Dr. Helmut Luft aus Hessen ist Mediziner, Autor, Künstler und leidenschaftlicher Golfer. Wer vorhat, in Würde alt zu werden, sollte sich unbedingt mal mit dem bald 99-Jährigen unterhalten. Haben wir getan.

Wenn bei ihm das Handy klingelt, vibriert die Apple Watch. Mit ihr kann er auch telefonieren, aber direkt am iPhone geht’s besser, denn: „Ich höre nicht mehr so ganz gut“, sagt Dr. Helmut Luft. Was bei ihm als Entschuldigung auf jeden Fall gilt, denn als Luft das Licht der Welt erblickte, gab es in Deutschland noch die Weimarer Republik. Luft stieg nach dem Krieg auf zu einem der renommiertesten Nervenärzte des Landes. Psychoanalytiker, Klinikleiter, Hirnforscher, Neurologe, Mediziner - welche Bezeichnung passt am besten auf so einen Mann? „Eigentlich alles“, sagt er. Und Golfer ebenso, denn Helmut Luft ist zwar im 99. Lebensjahr, aber immer noch aktiv überall auf den Plätzen dieser Welt unterwegs.

„Ich habe leider erst mit 60, also viel zu spät, mit Golf angefangen. Da waren die guten Zeitfenster eigentlich geschlossen, denn lernen geht am besten, wenn man noch jung ist“, erklärt Dr. Helmut Luft. Ab wann ist man eigentlich alt? „So ab 60“, meint er. Wobei. Das Alter ist irgendwie nur eine Zahl. Luft ist, so erweist es sich nach einem längeren Gespräch mit ihm von ganz allein, vielleicht der beste Ratgeber, den man kriegen kann, wenn es um die Kunst geht, dem Alter zu begegnen. Der Mann hat zahlreiche Bücher geschrieben. Zahlreiche Kapitel zwischen Wissenschaft und Humor, denn wer das Leben allzu ernst nehme, könne sich nicht daran erfreuen.

Geboren wurde Helmut Luft 1924 in Babenhausen bei Darmstadt, wo er auch aufwuchs. „Ich bin Hesse, dafür kann ich nichts.“ Nach dem Medizinstudium bereist er die ganze Welt, hält Vorträge – hintergründig und unterhaltsam. Zum Golf kommt er über seine Frau. „Wir haben im Vorruhestand einen Sport gesucht, den wir beide gemeinsam ausüben können. Und da ist Golf perfekt. Früher habe ich immer gedacht, Golf sei ein Luxus und eine Spinnerei“, sagt er lächelnd. Heute weiß er: Es war die beste Entscheidung, die er treffen konnte. Er müsse am Schwung noch etwas ändern und an seiner Aggressionshemmung arbeiten. Diese erklärt er sich, weil schwierige Erlebnisse des Krieges ihn haben vorsichtiger werden lassen.

„Golf ist ein wunderbares Erlebnis in der Natur, ein ganz toller Ausgleich und das beste Anti-Aging-Programm, das man sich vorstellen kann“, sagt Luft. Er muss es wissen. Auf allen fünf Kontinenten der Welt hat er schon abgeschlagen – in Amerika, Südafrika, Asien und Neuseeland. Europa sowieso. Zuletzt war er mit einer Gruppe an der portugiesischen Algarve. „Da habe ich aber weniger gut gespielt. Leider.“ Aber er ist in einem Stadium des Lebens angekommen, in dem es mehr ums Erlebnis als ums Ergebnis geht. „Ich muss immer schmunzeln, wenn ich Ratgeber von Prominenten um die 60 oder 70 lese, die irgendwelche schlauen Tipps geben.“ Das Alter müsse man erleben, denn es komme eh ganz anders als man denkt.

Lebenskünstler: Dr. Helmut Luft ist Mitglied im GC Frankfurt und im GC Hof Hausen vor der Sonne.
Lebenskünstler: Dr. Helmut Luft ist Mitglied im GC Frankfurt und im GC Hof Hausen vor der Sonne. | © Privat


Wie man das tut, weiß er genau – und er hat eine ziemlich gute Nachricht für die gesamte Menschheit im Gepäck, denn: Natürlich stelle einem das Alter Fallen und nehme viel. Vor allem körperlich. „Aber es gibt einem auch unglaublich viel – Reife, Erfahrungen, wenn man es nur zulässt“. Das Geheimrezept von Dr. Helmut Luft, der golferisch inzwischen im GC Hof Hausen vor der Sonne zu Hause ist, aber am liebsten im GC Frankfurt spielt, wo er seit 40 Jahren Mitglied ist und dort auch an Wettspielen teilnimmt, lautet: Vier L. Was er damit meint? Erstens Laufen. „Wir sind Lauftiere und müssen in Bewegung sein. Viele glauben, wenn sie alt werden, können sie sich hinlegen und ruhig sein. Wir müssen laufen, und da ist Golf natürlich ideal, denn da laufen wir und merken es kaum.“

Und das zweite L? Lernen. Golf erfordere ein hohes Maß an kombinatorischer Intelligenz. Strategie, Technik, Taktik – das Gehirn sei in vielen Bereichen sinnvoll beansprucht. Es gebe gar keine Chance, nichts zu denken. Da arbeiten Synapsen, was deren Erhalt fördere und deren altersbedingte Rückbildung bremse. Luft: „Ein gut gedachter Schwung führt zu einem guten Schlag. Diese Erkenntnis hat mir sehr geholfen.“ Man müsse das Gefühl suchen und finden. Bei ihm habe das dazu geführt, dass er sich ab dem 80. Lebensjahr noch einmal herunterspielen konnte.

Drittes L: Lachen. Man dürfe nicht mehr alles so ernst nehmen und solle seinen Ehrgeiz herunterschrauben. Was für ambitionierte Teenager, die es einmal auf die Tour schaffen wollen, natürlich weniger gilt. Aber für einen Großteil der älteren Semester allemal. Da sei Golf wie das Leben – mit Humor gehe vieles leichter. Wobei sich unweigerlich das vierte L anschließt: Lebensfreude. Viele Senioren gäben zu früh auf, verfolgten ihre Ziele nicht mehr, weil sie denken, es eh nicht mehr zu schaffen. Dr. Helmut Luft unternimmt mit fast 100 noch Golfreisen, pflegt soziale Kontakte in den Golfgruppen und hat eine enorm positive Einstellung zum Leben.

Erstes Hole-in-One in Spanien

Apropos positive Erlebnisse: Dreimal durfte er sich schon über ein Hole-in-One freuen. „Das erste war auf so einem Blind Hole in Spanien. Wir haben meinen Ball nicht mehr gesehen, sondern nur noch gehört. Ich dachte, er habe einen Ast getroffen, aber als wir Richtung Grün marschierten, stellten wir fest, dass er im Loch liegt. Ein absolutes Glückserlebnis.“ Genau solche solle und dürfe man aufsaugen. Das sei auch eine Möglichkeit, sich dem Sog des Alters zu entziehen. Dazu kann beispielsweise auch hübsches Equipment beitragen, an dem man sich erfreut. „Ich nehme meine Schläger auf Reisen nicht mit und leihe mir immer Bags aus. Da hatte ich neulich einen Driver von Honma und dachte mir: Wow, der geht aber gut.“ Die kleinen Freuden des Lebens haben oft die größte Wirkung.

Und was plant Dr. Helmut Luft für diese Saison? Er müsse zunächst seine Corona-Erkrankung richtig auskurieren. Dann will er auf jeden Fall wieder regelmäßig golfen. Zu Hause in Hessen, aber auch wieder anderswo. Der Mann ist Weltbürger mit Apple Watch, die an heißen Tagen seine Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung kontrolliert. „Ich habe auf der Uhr aber auch das Golf-Programm bebrassie installiert, das gut leserlich die Entfernung zum Loch angibt und sicher noch vieles andere.“ Zum Lernen ist der Mensch nie zu alt. Auch nicht mit 99.