Menschen

Atthaya Thitikul: Mit 19 wohl bald die neue Nummer eins


14. Oktober 2022 , Thomas Fischbacher


Kommender Superstar: Atthaya Thitikul
Kommender Superstar: Atthaya Thitikul | © Andy Altenburger/Icon Sportswire via Getty Images

Mit 14 die jüngste Tour-Siegerin aller Zeiten, seit diesem Jahr auf der LPGA Tour unterwegs und nun kurz davor, die Spitze der Weltrangliste zu übernehmen. Der unwirkliche Aufstieg der Atthaya Thitikul.

Vor gut fünf Jahren produzierte Atthaya Thitikul erstmals Schlagzeilen in der Golfwelt. Und das gleich beträchtlich: Die 14-jährige Schülerin aus Ratchaburi, einer Provinz nahe Bangkok, gewann im heimischen Phoenix Gold Golf and Country Club beim Thailand-Gastspiel der Ladies European Tour ihren ersten Titel. Und das im Alter von 14 Jahren, vier Monaten und 19 Tagen.  Bereits vor dem Turnier hatte sie kurz nach ihrem 14. Geburtstag einen starken 37. Rang im Weltklasse-Feld der LPGA Thailand erspielt. Thitikul ging als jüngste Gewinnerin eines Profiturniers in die Geschichte ein. Sogar Lydia Ko war bei ihrem ersten Sieg anderthalb Jahre älter. 

Golf oder Tennis?

Dabei kam sie eher zufällig zum Golfsport. "Als ich jung war, ging es mir gesundheitlich nicht so gut, und ich wurde immer krank, wenn das Wetter umschlug”, verriet sie der LET. “Meine Eltern wollten, dass ich Sport treibe, um meine Gesundheit zu fördern. Sie fanden eine Sportart gut, die man auch beruflich ausüben kann, und eine Einzelsportart - die Optionen waren also Golf und Tennis.
 


"Tennis fand ich wirklich hart und anstrengend, weil man die ganze Zeit laufen muss. Deshalb entschied ich mich für Golf. Sie nahmen mich mit zum Golflehrer. Es hat mir wirklich gefallen und ich bin dabei geblieben. Ich fand heraus, dass Golf nicht so einfach ist. Beim Tennis muss man seinen ganzen Körper einsetzen, aber beim Golf muss man seinen Körper, seinen Geist und alles einsetzen. Ich denke, Golf ist ein Sport, bei dem man nichts erwarten kann." 

Hohe Erwartungen erfüllt

Von ihrer Person selbst erwartete man nach den frühen Erfolgen eine ganze Menge. Im Anschluss an ihre sensationellen Leistungen setzten die üblichen Mechanismen ein. Nicht wenige prophezeiten der jungen Thailänderin eine Hall-of-Fame-Karriere. Der Tenor: Wer im Teenager-Alter bei einem Ausflug in die Welt der gestandenen und talentierten Spielerinnen der LET mal eben den Pokal abräumt, der kann alles erreichen. Doch auch die junge Schülerin wusste damals: Von zehn Talenten, denen einst eine Hall-of-Fame-Karriere prophezeit wurde, schafften neun eben keine Hall-of-Fame-Karriere. 

Sie müsse noch so viel lernen, um bei den Profis bestehen zu können, analysierte sie nach ihrem ersten Sieg. Es dauerte bis Anfang 2020, bis Thitikul den Sprung ins Profilager wagte. In der Zwischenzeit hatte sie einen weiteren Titel im Profilager gewonnen (Ladies European Thailand Championship 2019), Cuts bei Majors gemeistert, die Spitze der Amateur-Weltrangliste erklommen und etliche Rekorde aufgestellt. 

LET als kurze Zwischenstation

Leider ging der Auftakt der Profi-Karriere mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie einher. Nach Wiederaufnahme des Spiels konnte Thitikul endlich auch bei den Profis durchstarten – was eindrucksvoll gelang. Zunächst dominierte sie die heimische LPGA Thailand mit fünf Siegen, 2021 folgte bei der Honda LPGA Thailand, für die sie eine Einladung erhalten hatte, mit Platz zwei das erste Top-Ergebnis auf der LPGA.

Die Dominanz setzte sie zunächst auf der Ladies European Tour fort. Zwei Siege und zahlreiche Spitzenplatzierungen standen zu 2021 Buche, was sie nicht nur zum Rookie des Jahres, sondern auch zur Gewinnerin der Saisonwertung machte. Doch für Thitikul war die LET nur eine kurze Zwischenstation.

Im Dezember erspielte sie sich via Q-School ihre Karte für die LPGA Tour. Das Top-Talent war in der Weltspitze angekommen und bereit, nun auch auf der ganz großen Bühne für Furore zu sorgen. 

Wohl bald die neue Nummer eins

Fünf Starts dauerte es in diesem Jahr, ehe die mittlerweile 19-Jährige einen Pokal gen Himmel stemmen konnte. Bei der JTBC Classic erspielte sie sich mit einer sensationellen 64 im Finale die Teilnahme im Stechen, in dem sie Nanna Koertz Madsen auf dem zweiten Extraloch besiegte. Erneut im Stechen – dieses Mal gegen Solheim-Cup-Spielerin Danielle Kang – folgte Titel Nummer zwei bei der NW Arkansas Championship. 
 


Mittlerweile hat sich Thitikul bis auf den zweiten Rang der Weltrangliste nach vorne gearbeitet. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis sie die aktuell verletzte Jin Young Ko an der Spitze abgelöst hat. Dabei denke sie aber nicht so viel über die Rangliste nach. “Egal wo ich bin, die Nummer eins in der Welt, die Nummer zwei, drei, vier, fünf, 100 oder 1000, ich möchte dieselbe sein wie vorher, mich nicht verändern”, erklärte Thitikul zuletzt. “Ich möchte Spaß daran haben und es nicht wirklich ernst nehmen. Ich will nicht denken, dass ich ein Superstar bin oder so tun, als wäre ich die Nummer in der Welt.”

Bleiben, wie man ist, alles nicht allzu ernst nehmen – es sind sympathische Vorsätze des neuen Superstars, die sie hoffentlich auch in Zukunft bewahren kann. Die Wahrscheinlichkeit ist durchaus hoch, dass diejenigen, die der jungen Thailänderin bei ihrem Sieg vor fünf Jahren eine Weltkarriere prophezeit haben, ausnahmsweise einmal Recht behalten haben.