Lydia Ko

Das gereifte Wunderkind


4. August 2022 , Felix Grewe


Spitzenspielerin mit Weitblick: Lydia Ko, einst die jüngste Nummer eins der Welt.
Spitzenspielerin mit Weitblick: Lydia Ko, einst die jüngste Nummer eins der Welt. | © Getty Images/Mark Runnacles

Als 17-Jährige war Lydia Ko die Nummer eins der Welt. Viele Jahre später hat sie eine schwierige Phase überstanden, ist zurück in der Weltspitze – und noch immer jung genug für große Siege.

Als Lydia Ko Anfang Mai 2022 weltweit in den Schlagzeilen stand, lag das nicht an ihrem Golfspiel. Die Neuseeländerin sprach damals in einem Interview offen über das Thema Menstruation, nachdem sie sich auf einer Runde deshalb von ihrem Physiotherapeuten hatte am Rücken behandeln lassen müssen. Einem verdutzten Reporter des amerikanischen Golf Channel, dem sie die Problematik für viele überraschend ehrlich erklärt hatte und der darauf offensichtlich so gar nicht eingestellt war, entgegnete sie: „Ich weiß, dass dir die Worte fehlen, Jerry. Aber das war einfach nur ehrlich.“  

Für ihre Offenheit erhielt die 25-Jährige weltweit einen enormen Zuspruch. Weit über die Grenzen des Golfsports hinaus meldeten sich Frauen zu Wort. Der Tenor: Endlich spricht’s mal eine an! Ko war zwar nicht die erste Athletin, die sich in der Öffentlichkeit über einen der wesentlichen Aspekte für die weibliche Leistungsfähigkeit im Spitzensport äußerte (bei den olympischen Spielen in Rio 2016 sorgte die chinesische Schwimmerin Fu Yuanhui mit ähnlichen Aussagen für Diskussionen), trotzdem schlugen ihre Worte höhere Wellen, als es jeder ihrer zahlreichen Erfolge in der Vergangenheit getan hatte. 

Rekorde als Teenager

Dabei gehört Ko zu jenen Damen, die ihren Sport auf besonders eindrucksvolle Weise geprägt haben. Sie ist die jüngste Spielerin, die jemals bei einem LPGA-Turnier triumphierte – gerade einmal 15 Jahre alt war sie, als sie 2012 als Amateurin bei der Canadians Womens Open siegte und weltweit als Wunderkind gefeiert wurde. Ähnlich wie einst Jennifer Capriati oder Martina Hingis auf der Damen-Tennistour. Ko’s Aufstieg entwickelte sich zu einer Jagd nach Rekorden: Mit der Titelverteidigung in Kanada wurde sie zur ersten Spielerin überhaupt, die mit Amateurstatus einen zweiten Sieg auf der LPGA-Tour schaffte. Als sie im Oktober 2013 Profi wurde, galt sie bereits als der kommende Superstar, auf den nicht nur die Golfszene der Damen gewartet hatte, sondern auch Sponsoren und Medien. Das „Time Magazine“ wählte sie, die mit einer riesigen Brille und ihrem braven Pferdeschwanz wie ein Schulmädchen wirkte, damals in die Liste der weltweit 100 einflussreichsten Persönlichkeiten – neben gerade einmal vier anderen gestandenen Sportstars: Cristiano Ronaldo (Fußball), Serena Williams (Tennis), Richard Sherman (Football) und Jason Collins (Basketball). Bei zwölf Turnierstarts in ihrer Rookie-Saison als Profi schaffte Ko zwölfmal den Cut. Im Februar 2015 war sie dann auch offiziell die Beste – und mit 17 Jahren natürlich die jüngste Nummer eins der Geschichte. 2016 gewann Ko bei den Olympischen Spielen Silber für Neuseeland (fünf Jahre später in Tokio noch einmal Bronze), da war sie bereits zweifache Major-Siegerin. 

Vor mehr als einem Jahrzehnt: 2012 siegte Ko als Amateurin erstmals auf der LPGA Tour. Links ist damaliger Caddie Brian Alexander.
Vor mehr als einem Jahrzehnt: 2012 siegte Ko als Amateurin erstmals auf der LPGA Tour. Links ist damaliger Caddie Brian Alexander. | © Getty Images/Harry How


Zurück in der Weltspitze

Alles lange her. In der Zwischenzeit hat die im südkoreanischen Seoul geborene Ko eine Phase der Konsolidierung überstanden, rauschte im Ranking bis auf Platz 48 hinunter, gewann zwischen 2018 und 2021 keinen Titel. Das typische Ende eines zu früh hochgejubelten und frühreifen Teenager-Talents? Keinesfalls. Ko ist zurück – und das bereits seit 2021, als sie bei der Lotte Championship eine 62er-Schlussrunde fabrizierte und Turniersieg Nummer 16 feierte. Inzwischen steht sie sogar bei 17 Siegen, gewann Anfang des Jahres die Gainbridge LPGA in Boca Rio und ist wieder unter die besten Fünf im Ranking geklettert.

Ko's Rat an junge Talente

Träumt sie davon, an die Spitze der Weltrangliste zurückzukehren? Nicht unbedingt. „Ich setze mir spielerische Ziele, auf die ich mich konzentriere. Im Moment ist das die Verbesserung meiner Fairway-Trefferquote. Wenn diese Zahlen besser werden, dann werde ich auch bessere Ergebnisse erzielen“, erzählte sie im Interview mit dem Portal golf.com im Juni 2022. Den Blick zurück in alte Zeiten, in jene Phase, als sie die Golfwelt dominiert hat, scheut sie heute. „Vieles hat sich verändert, seit ich die Nummer 1 war. Viele Erfahrungen haben meine Perspektive verändert, die Art, wie ich die Dinge betrachte. Aber hauptsächlich liegt es daran, dass ich nicht versuche, die zu sein, die ich einmal war. Ich strebe danach, der beste Mensch und die beste Spielerin zu sein, die ich im Moment sein kann. Deshalb möchte ich mich nicht mit meiner Vergangenheit vergleichen.“ Worte, die sie gereift wirken lassen, vielleicht auch bereit für neue große Taten. 

Ihr wichtigster Rat für junge Talente, die von der großen Tour träumen? „Ich denke, man muss geduldig sein und an den Prozess glauben, dann wird das Training für sich selbst sprechen. Aber es wird sich nicht unbedingt sofort in der kommenden Woche auszahlen. Manchmal dauert es eine Weile.“ 

Für Ko hat sich das harte Training schon in der ersten Phase ihrer Karriere rentiert. Und es scheint, als sei das Ende noch lange nicht erreicht. Man traut es ihr zu, dass sie bald auch wieder mit großen Siegen für Schlagzeilen sorgt. 

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