Regelfest

Golf-Mikado: Das Zitterspiel mit den Piniennadeln


23. April 2024 , Daniel Dillenburg


Golfer und Pinien - eine besondere Beziehung.
Golfer und Pinien - eine besondere Beziehung. | © Jamie Squire/Getty Images

Wer seinen Ball von Piniennadeln befreien will, benötigt Fingerspitzengefühl. Dass selbst Profis Angst vor dieser Aktion haben, obwohl der Ball sich sogar bewegen darf, zeigt die Diffizilität einer solchen Situation.

Wer kennt es nicht, das Geschicklichkeitsspiel Mikado? Mit Geduld und ohne Wackeln müssen hierbei Stäbchen aus einem Haufen gezogen werden, ohne dabei andere Stäbe zu bewegen. Eine ruhige Hand ist gefragt. Ähnlich wie im Golf, wenn man lose hinderliche Naturstoffe, die den Schlag beeinträchtigen könnten, entfernen möchte. Erst kürzlich wieder beim Masters in Augusta das Paradebeispiel: Der Ball landet unter den Pinien und liegt inmitten der Nadeln – so geschehen bei Xander Schauffele.

„Am 15. Loch war die Situation für mich ein bisschen schwieriger“, sagte der US-Amerikaner. „Ich musste zwei Zweige vom Ball wegnehmen, und alle starrten mich an, und die Kameras waren da. Ich war ziemlich nervös. Wahrscheinlich war ich so nervös wie noch nie, um ehrlich zu sein.“ Ein wenig Mikado-Erfahrung in der Kindheit hätte Schauffele in dieser Situation vermutlich gutgetan. Aber in der Tat gilt es beim Entfernen loser natürlicher Naturstoffe Fingerspitzengefühl zu beweisen. Auf welche Weise diese entfernt werden, bleibt jedem selbst überlassen. Ob mit Hand, Fuß, Schläger oder anderer Ausrüstung – alles ist erlaubt.

Zwei Ausnahmen

Doch ein paar Regeln (15.1) müssen natürlich dennoch beachtet werden. Generell gilt: Wenn sich der Ball in der Nähe von Piniennadeln, Kieselsteinen, Blättern, Grashalmen, Zweigen - also allen natürlichen Gegenständen, die nicht fest im Boden verankert sind oder am Ball haften - befindet, dürfen diese überall auf dem Golfplatz bewegt werden. Das gilt auch für Penalty Areas und Bunker. Dabei gelten zwei Ausnahmen:

  1. Bevor ein Ball zurückgelegt wird, der außerhalb des Grüns aufgenommen oder bewegt wurde, darf ein Spieler absichtlich keine losen hinderlichen Naturstoffe entfernen, die voraussichtlich eine Bewegung des Balls verursacht hätten, wenn sie entfernt worden wären, bevor der Ball aufgenommen oder bewegt wurde.
  2. Wenn ein Ball in Bewegung ist, kann man keinen losen Naturstoff entfernen, der die Stelle beeinflussen könnte, an der der Ball zur Ruhe kommt. Das gilt auch dann, wenn die Maßnahme die Stelle, an der der Ball zum Stillstand kommt, nicht beeinflusst hat.

Kommen wir zum Mikado-Spiel unter den Pinienbäumen. Schauffeles Angst, im Scheinwerferlicht Nadeln von seinem Ball zu entfernen und Gefahr zu laufen, von den Zuschauern bei einem Regelverstoß beobachtet zu werden, kommt nicht von ungefähr. Erst vor wenigen Wochen hatte US-Open-Champion Wyndham Clark bei seiner Schlagvorbereitung für eine Regelsituation gesorgt, die ordentlich Gesprächsstoff auslöste (mehr dazu in Regelfest >>>). Auf eine ähnliche Diskussion konnte Schauffele gerne verzichten.

Die Sache mit dem Bewegen

Doch wovor haben die Spieler Angst? Es geht nicht darum, gegen eine Regel zu verstoßen und im besten Fall ohne Strafschlag davonzukommen, weil es niemand gesehen hat. Nein, es geht um den Fall, dass sich der Ball beim Mikadospielen leicht bewegt und damit entsprechende Diskussionen ausgelöst werden. Dabei darf sich der Ball bewegen (!), solange er seinen ursprünglichen Ort nicht verlässt. Zudem stellt sich die Frage: War die Bewegung mit bloßem Auge sichtbar oder nur, wenn eine hochauflösende Fernsehkamera heranzoomt und sie einfängt? Greift Letzteres, droht keine Strafe.

Die Lektion lautet, vorsichtig zu sein, wenn mit Piniennadeln oder anderen losen hinderlichen Naturstoffen gespielt wird. Sollte ein Fehler gemacht machen und der Ball kommt durch das Bewegen eines Zweiges, Blattes usw. an einer anderen Stelle zur Ruhe, wird der Ball an seinen ursprünglichen Ort zurückgelegt und man kassiert einen Strafschlag. Mit ruhigen Fingern lassen sich also Schläge sparen.

Das sagt DGV-Regelfachmann Dietrich von Garn dazu:

Manchmal ist man auf diese lästigen kleinen Äste um den Ball herum fixiert wie das Kaninchen auf die Schlange. Sie stören einfach das Bild eines sonst schön dort liegenden Balls, der darauf wartet, geschlagen zu werden. Handelt es sich um wirklich große Äste, die auch den Schläger ablenken würden, gibt es natürlich Handlungsbedarf. Doch wie oft sieht man, wie Spieler dünnste Ästchen in der Stärke von 1-2 Millimetern neben ihrem Ball entfernen wollen, ohne daran zu denken, dass das nicht sichtbare Ende des Ästchens sich vielleicht direkt unter dem Ball befindet.

Es ist in solchen Fällen immer eine Überlegung wert, ob der Schläger nicht nahezu zeitgleich im Schlag die kleinen Äste zerknickt und den Ball trifft, so dass eine Ablenkung des Balls (hoffentlich) ausgeschlossen werden kann. Und selbst wenn man den Ball nicht ganz sauber trifft, da er sich im letzten Moment bewegt, wird die Auswirkung weniger schlimm sein als immer noch an Ort und Stelle zu liegen und einen Strafschlag notieren zu müssen.

Deshalb ist Vorsicht geboten, wenn sich der Ordnungssinn zur Lage des Balls meldet.

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